Robert Altmans 1996 entstandener Ensemble-Film wird nicht nur von der Jazz-Musik bestimmt, sondern ist auch selbst wie ein Jazzstück angelegt und verknüpft locker mehrere Handlungsstränge und Figuren, denen viel Raum zur Improvisation gelassen wird. Bei Koch Media ist dieses Zeitbild in einem Mediabook auf DVD und Blu-ray erschienen.
In Kansas City wurde Robert Altman 1925 geboren und ist dort aufgewachsen. Autobiographisches ist so zweifelsohne in seinen 1934 spielenden Film eingeflossen, der Hey-Hey-Club, in dem Jazz-Größen auftreten und sich Solo-Duelle liefern, zeugt ebenso von Altmans musikalischer Sozialisation wie ein Besuch von zwei Protagonistinnen in einem Kino, in dem der Jean Harlow-Film „Hold Your Man“ läuft, von der frühen Filmleidenschaft des Regisseurs.
Die größte Stadt von Missouri ist nicht nur Schauplatz des 28. Films von Robert Altman, sondern hält ihn auch so zusammen wie der Jazz, der überlappend Szenen und Handlungsorte verbindet. Wie gewohnt entwickelt Altman nicht stringent eine Handlung, sondern flottiert vielmehr zwischen Erzählsträngen, folgt bald der Telefonistin Blondie (Jennifer Jason Leigh), die getarnt als Maniküre in die Vorstadtvilla eines Politikers eindringt und dessen Frau (Miranda Richardson) entführt, taucht bald in den Hey-Hey-Club ab, in dem einerseits leidenschaftlich musiziert wird, andererseits der Chef (Harry Belafonte) den weißen Johnny in die Mangel nimmt, weil er einen Musiker ausgeraubt hat.
Und im Hintergrund geht es noch um kommunale Wahlen, bei denen Wahlhelfer auch betrügen, und um die Politik, die sich gerne auch mal Kriminelle als Helfer holt. Mit dem Satz „Das ist Amerika“ wird Altmans bissiger Kommentar zu seinem Heimatland auf den Punkt gebracht, denn selbstverständlich ist hier auch der Rassismus nicht zu übersehen, wenn Schwarze nur als Hausbedienstete, Chauffeure und Kofferträger oder aber als geschlossene Gemeinschaft im Jazz-Club vorkommen, während die Politik ganz von den Weißen gemacht wird.
Am Ende - und das heißt hier nach kaum mehr als 30 Stunden Erzählzeit - werden freilich die Hierarchien wieder hergestellt sein und die Underdogs wie Blondie, die für den Filmstar Jean Harlow schwärmt und von Jennifer Jason Leigh folglich auch im Stil des Stars überzogen gespielt wird, die Verlierer sein. Für ihr – ziemlich dilettantisches - Aufbegehren werden sie bezahlen und die Oberschicht wird wieder fest im Sattel sitzen.
Auch das ist als bissiger Kommentar zur amerikanischen Gesellschaft zu lesen, inszeniert ist der Film freilich ganz locker, wie aus dem Ärmel geschüttelt. Souverän und leichthändig wechselt Altman zwischen den Schauplätzen und Figuren, lässt den Schauspielern Raum zur Improvisation, interessiert sich auch nicht für Emotionalisierung und dramatische Zuspitzung, bleibt vielmehr distanzierter Beobachter.
So bewundert man zwar die formale Meisterschaft Altmans, genießt die exquisiten Jazznummern wie ein grandioses Saxophon-Duell in der Mitte des Films, doch echte Spannung will kaum aufkommen, da das Schicksal der Figuren aufgrund der Distanzierung zu wenig interessiert.
Wenn auch die Wahl einer Stadt als Schauplatz an große Altman-Filme wie „Nashville“ oder „Short Cuts“ (Los Angeles) erinnert, so fehlt „Kansas City“ letztlich doch die Durchschlagskraft dieser Meisterwerke. Schon zu gelöst, zu entspannt, zu kühl und zu wenig entschlossen und leidenschaftlich wirkt dieser Zeitbild, um wirklich mitzureißen und begeistern zu können, sehens- und vor allem auch hörenswert bleibt „Kansas City“ aber allemal.
An Sprachversionen bietet der bei Koch Media in einem Mediabook auf DVD und Blu-ray erschienene Film die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen neben einem – allerdings nur englischen – Audiokommentar, Trailer, einer Bildergalerie, einem Feature „Behind the Scenes“ und deutsch untertitelten Interviews mit Robert Altman und den Hauptdarstellern eine spannende und sehr informative rund 15-minütige, deutsch untertitelte Analyse des Film sowie eine ebenso interessante kurze Einführung in „Kansas City“.
Trailer zu "Kansas City"
Comments