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AutorenbildWalter Gasperi

Jacob´s Ladder - In der Gewalt des Jenseits


Ein New Yorker Vietnam-Veteran wird nicht nur von traumatischen Erinnerungen eingeholt, sondern fühlt sich auch in seinem Alltag von Dämonen verfolgt. – Adrian Lynes alptraumhafter Mix aus Kriegsdrama und Horrorfilm aus dem Jahr 1990 ist bei Koch Films in einem Media Book auf DVD und Blu-ray erschienen.


Mit "Flashdance", "9 ½ Wochen" und "Eine verhängnisvolle Affäre" landete Adrian Lyne in den 1980er Jahren drei Kassenerfolge. Nicht nur ein Budget von beachtlichen 25 Millionen Dollar wurde ihm für "Jacob´s Ladder" (1990) zur Verfügung gestellt, sondern er erhielt auch völlig freie Hand. – Doch der Publikumserfolg blieb aus: Zu abgründig, zu düster und zu verstörend war dieser schwer einzuordnende Mix wohl für die breite Masse.


Mit dem Insert "6. Oktober 1971, Mekong Delta" versetzt Lyne den Zuschauer in den Vietnamkrieg: Hubschrauber kreisen, im kleinen Lager hängen Soldaten herum, machen Witze und rauchen Joints, bis plötzlich Panik ausbricht, das Feuer eröffnet wird und der einfache Soldat Jacob Singer (Tim Robbins) mit einem Bajonett niedergestochen wird.


Abrupt wechselt Lyne mit einem Schnitt in eine New Yorker U-Bahn, in der Jacob aus einem Nickerchen erwacht. Nur wenige seltsame Gestalten sind in dem verdreckten Zug, in dem immer wieder das Licht ausfällt. Als er bei einer dunklen Station aussteigt, findet er alle Ausgänge verschlossen vor und versucht die Gleise zu überqueren. Als er von einem einfahrenden Zug fast überfahren wird, wechselt der Film mit einem Schnitt in seine ebenfalls verdreckte Wohnung, in der der Postbote mit seiner Freundin Jessie lebt.


Es ist ein alptraumhaftes und düsteres Ambiente, in das einen Adrian Lyne wirft. Auch der abrupte Szenenwechsel verstört, wenn Jacob bald von einem Wagen mit seltsam gesichtslosen Gestalten verfolgt wird, wenn er sich eiskalt fühlt, aber seine Freundin 44° Grad Fieber misst und ihn mit einem Bad in Eiswasser kühlen will oder er auf einer Party durch Stroboskoplicht zusätzlich verfremdete Visionen hat. An David Lynch erinnern extreme Zeitraffer-Aufnahmen, durch die menschliche Bewegungen verzerrt werden, doch im Gegensatz zu diesem Meister des Abgründigen klärt sich bei Lyne am Ende dann doch alles auf.


Immer tiefer stürzt Jacob in eine Paranoia. Bald strebt er, von anderen Vietnam-Veteranen unterstützt, einen Prozess gegen das US-Militär an, das in Vietnam an Soldaten seiner Meinung nach mit Halluzinogenen experimentierte, wird bald in ein Krankenhaus eingeliefert, in dem Leichenteile in den Gängen liegen und Kranke in Käfigen gehalten werden.


Dazu kommen immer wieder Erinnerungen an seine Ex-Frau und seine drei Kinder Elijah, Jedediah und Gabriel. Quälend sind vor allem die Erinnerungen an Gabriel, an dessen Unfalltod sich Jacob schuldig fühlt. Und immer wieder brechen kurze Erinnerungen an den Abtransport nach der Verletzung in Vietnam auf ihn herein, die sukzessive mehr Einblick in die damaligen Ereignisse vermitteln.


Die Grenzen von Realität und Imagination Jacobs, aus dessen Perspektive Adrian Lyne konsequent erzählt, verschwimmen zunehmend. Nicht trauen kann man diesem Erzähler und Details deuten immer wieder an, dass die Dinge vielleicht doch ganz anders liegen als es scheint.


Großartig evozieren Kameramann Jeffrey L. Kimball und Production Designer Brian Morris mit schmutzigen Bildern und düsteren Settings eine dichte Atmosphäre der Verunsicherung und Angst. Gleichzeitig lädt Lyne, der als eines der Vorbilder Ambrose Bierces Erzählung "An Occurrence at Owl Creek Bridge" nennt, über die Namen den Film mit einem religiösen Subtext auf. Da bezieht sich schon der Titel auf die biblische Jakobsleiter, die eine Verbindung zwischen Himmel und Jenseits darstellen soll. Seine Söhne Elijah und Jedediah erinnern wieder an alttestamentarische Propheten, sein Sohn Gabriel an den Erzengel und auf Engel wird auch mit seinem Chiropraktiker, den er einmal als "Cherub" bezeichnet, Bezug genommen wird. Seine Freundin Jessie macht er dagegen aufmerksam, dass hinter ihrem Namen die biblische Jezebel / Isabel steht, die wiederum Antagonistin von Eliah war und die Israeliten zum Abfall von ihrem Gott verleitet haben soll und für den Tod zahlreicher Propheten verantwortlich gewesen sein soll.


Ahnen lassen diese Verweise, dass es hier um Existentielles geht, doch definitive Klärung bietet "Jacob´s Ladder" erst am Ende, das freilich nicht verraten werden soll. Gleichzeitig übt dieser kühne Genremix aber auch explizit Kritik am US-Militär, dem, bestärkt durch ein Insert im Nachspann, vorgeworfen wird an eigenen Soldaten Drogenexperimente vorgenommen zu haben – Vorwürfe, zu denen sich das Pentagon immer noch in Schweigen hüllt.


An Sprachversionen bieten die bei Koch Films in einem Mediabook erschienene DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen einen – nicht untertitelten – englischen Audiokommentar von Regisseur Adrian Lyne, ein sehr informatives 25-minütiges Featurette über die Entstehung des Films, in dem Lyne auch über ein alternatives Ende spricht, sowie geschnittene Szenen, eine Bildergalerie und den englischen und deutschen Trailer. Auch ein 16-seitiges, reich bebildertes Booklet mit einem Essay von Thorsten Hanisch fehlt nicht.


Trailer zu "Jacob´s Ladder - In der Gewalt des Jenseits"




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