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  • AutorenbildWalter Gasperi

Filmbuch: Terrence Malik – The New World


Im dritten Band der Reihe "Film I Lektüren" analysiert Felix Lenz auf 127 Seiten akribisch Terrence Malicks "The New World" und fokussiert dabei vor allem auf dem Motiv des Übergangs.


Mit "Badlands" (1973), "Days of Heaven" ("In der Glut des Südens", 1978) und "The Thin Red Line" (1998) drehte Terrence Malick nur drei Filme in 25 Jahren. Wiederum sieben Jahre vergingen, bis "The New World" (2005) und weitere sechs bis "The Tree of Life" (2011) erschienen. Die langen Wartezeiten machten jeden Film des 78-jährigen Amerikaners zu einem mit Spannung erwarteten Großereignis. Erst nach "The Tree of Life" folgten rascher "To the Wonder" (2012), "Knight of Cups" (2015), "Song to Song" (2017) und "A Hidden Life" (2019) aufeinander.


In "The New World" erzählt Malick anhand der Liebesgeschichte des Briten John Smith (Colin Farrell) und der Häuptlingstochter Pocahontas (Q´orianka Kilcher) von der Kolonialisierung Nordamerikas im 17. Jahrhundert. Für Felix Lenz ist dieser Film das zentrale Übergangswerk im Schaffen Malicks. Es steht für den Filmwissenschaftler nicht nur an der Schnittstelle zwischen den historischen frühen und den privaten späteren Filmen, sondern auch an einem formalen Schnittpunkt zwischen den genau abgezirkelten Kamerabewegungen der frühen Filme und der frei schwebenden Handkamera des Spätwerks.


Nach der Beschreibung der Darstellung der indianischen Verhältnisse im Film und der wissenschaftlichen Diskussion zur Darstellung indianischer Kultur arbeitet Lenz Malicks Revolution des Drehstils durch Arbeit mit natürlichem Licht bei gleichzeitigem Streben nach scharfem Bild heraus. Im Zentrum steht aber die Analyse des Films auf der Grundlage von Arnold van Genneps Theorie der Übergangsriten, die der Autor erweitert.


Vom ersten Bild mit Pocahontas Gebet zu den Elementen, dem eine Karte als Signal der Vermessung der Welt gegenübersteht, bis zum Ende analysiert Lenz mit unglaublicher Akribie einzelne Szenen. Bestechend zeigt er einerseits auf, wie sich Bilder wiederholen oder variiert werden. Andererseits verweist er dabei nicht nur immer wieder auf parallele Szenen oder Bilder in anderen Filmen von Malick, sondern auch auf Parallelen zu John Fords "The Searchers", zu Goethes "Wahlverwandtschaften" oder zu Sergej Eisenstein, über den der Autor promoviert hat. Und auch "Schneewittchen"-Motive macht Lenz ausfindig.


Allein schon anhand der Blicke arbeitet Lenz die Unterschiede in der Beziehung von Pocahontas zu ihrem ersten Geliebten John Smith und ihrem späteren Mann John Rolfe (Christian Bale) heraus. Detailreich stellt er auch dar, wie Malick durch die Variation der Bilder die Unterschiede zwischen noch natürlicher neuer Welt und zivilisierter alter Welt vermittelt. Gleichzeitig wird dabei auch aufgezeigt, wie dem tatsächlichen Verlauf der Geschichte die (verpasste) Chance einer anderen möglichen Entwicklung gegenübergestellt wird.


Beeindruckend ist diese Analyse des Films in ihrer Tiefe und Genauigkeit, andererseits ist das damit aber auch eine sehr akademische Lektüre. Zur Hand sollte man so am besten den Film von Malick haben, um die Erkenntnisse von Lenz auch konkret am Bildmaterial studieren und prüfen zu können. – Gewiss scheint jedenfalls, dass man in Zukunft bei einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit "The New World" an diesem Band der "Film I Lektüren" nicht vorbeikommen wird.


Etwas irritierend ist allerdings angesichts von 260 Fußnoten mit zahlreichen Verweisen, dass es kein Literaturverzeichnis gibt.


Felix Lenz, Film | Lektüren 3: Terrence Malick: THE NEW WORLD. Edition text + kritik, München 2021. 130 S., € 20, ISBN 978-3-96707-571-7

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