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  • AutorenbildWalter Gasperi

Fall – Fear Reaches New Heights


Zwei junge Kletterinnen und ein rund 600 Meter hoher, baufälliger Funkturm in der Mojave-Wüste. – Mehr braucht Scott Mann nicht, um 100 Minuten Schwindelgefühle und nervenzerrende Spannung zu erzeugen. Bei EuroVideo ist der minimalistische Survival-Thriller auf DVD und Blu-ray erschienen.


Zum Sensationserfolg entwickelte sich vor einigen Jahren der Dokumentarfilm "Free Solo" über den Kletterer Alex Honnold. Mit dessen Realismus hat Scott Manns Survival-Thriller aber wenig gemein. Hier sollen vor allem Schwindelgefühle und Hochspannung erzeugt werden. Logik spielt dagegen eine untergeordnete Rolle, doch Mann gelingt es von Beginn an, die Zuschauer:innen in seinen minimalistischen Kletter-Thriller hineinzuziehen und unmittelbar an den Schwindelgefühlen und der Anspannung der Protagonist:innen teilhaben zu lassen.


Unwohlsein kann schon die erste Totale einer mächtigen, senkrechten Felswand auslösen, in der das junge Paar Becky (Grace Caroline Currey) und Dan (Mason Gooding) klettert. Von Beginn an wird Hochspannung durch den Wechsel solcher weiter Einstellungen und Detailaufnahmen der kleinen Tritte und Griffe, des kurzen Abrutschens im vertikalen Fels oder des Legens von Sicherungen aufgebaut. Mitten drin ist man hier im Geschehen, real und echt wirken Gefahr und Anspannung zu jeder Zeit, bis die schweißtreibende Szene mit einem tödlichen Absturz endet.


Mit einem Schnitt wird fast ein Jahr übersprungen, aber Becky hat den Verlust ihres Mannes immer noch nicht überwunden. Alkohol und Tabletten bestimmen ihren Alltag. Auf die Fürsorge ihres Vaters reagiert sie aggressiv. Da steht plötzlich die befreundete Kletterin Hunter (Virginia Gardner) vor der Tür, die ihre extremen Touren auf youtube veröffentlicht. Sie fordert Becky auf, sich ihren Ängsten zu stellen, durch Todesangst wieder Lebenslust zu gewinnen und mit ihr einen rund 600 Meter hohen, in der Mojave-Wüste gelegenen Funkturm zu besteigen.


Reagiert Becky zunächst ablehnend, stimmt sie wenig später doch zu. Schwer zu glauben ist freilich, dass sie nach einem Jahr Trainingspause physisch so eine Tour meistern kann, doch für Logik interessiert sich Scott Mann eben nicht. Nur kurz hält er sich mit der Fahrt zum Funkturm auf, sorgt aber schon hier mit einem Alptraum Beckys und einem Beinahe-Autounfall für heftige Schockmomente.


Auch beim Funkturm lassen die verrostete Absperrung und mächtige Aasgeier, die sich über ein totes Wild hermachen, die Alarmglocken schrillen. Unsicher reagiert Becky auch auf den mächtigen Turm, dennoch nimmt sie unter der Führung Hunters die 500 Meter hohe Innenleiter und die anschließende 60 Meter hohe Außenleiter in Angriff.


Eine brechende Sprosse, sich lockernde Schrauben oder ein Blick auf die rostige Verankerung erhöhen die Anspannung und das Unwohlsein. Wie bei der Kletterpartie am Beginn arbeitet Mann auch hier souverän mit dem Wechsel von Totalen, die die Höhe des Turmes und seine Isolation in der weiten, ebenen Wüstenlandschaft betonen, und Detailaufnahmen.


Rasch ist die nicht viel mehr als einen Quadratmeter große Plattform auf der Spitze erreicht und waghalsige Selfies werden gemacht. Nach 30 Filmminuten geht es schon an den Abstieg, doch dieser erweist sich bald als unmöglich und Becky und Hunter sitzen in ihrem Aussichtspunkt fest.


Wie gewohnt in solchen Filmsituationen gibt es an diesem Ort keinen Handyempfang. Auf andere Weise muss versucht werden, Hilfe von außen zu bekommen, während die beiden jungen Frauen andererseits mehrfach versuchen, sich selbst aus der nahezu aussichtslosen Lage zu befreien.


Zur gefährlichen äußeren Situation und zum Wasser- und Nahrungsmangel kommt auch die Lüftung eines privaten Geheimnisses und schließlich verschwimmen auch die Grenzen zwischen Realität und Wahnvorstellungen.


Das Subgenre des Survival-Thrillers erfindet Scott Mann mit "Fall – Fear Reaches New Heights" nicht neu. Doch wie es dem Amerikaner gelingt die Leinwand allein mit seinen zwei Schauspielerinnen und dem Funkturm mit Hochspannung aufzuladen, ist zweifellos eine Meisterleistung.


Ganz aufs Hier und Jetzt dieser Situation konzentriert sich Mann, erzählt konsequent aus der Perspektive der beiden Frauen und verlässt sie nie. Geschickt stellt er der flippigen Hunter die psychisch labile und introvertierte Becky gegenüber. Aufs nötigste reduziert bleiben aber die Hintergrundinformationen zu den beiden Kletterinnen, die freilich wieder als Treibmittel dienen und für zusätzliche Spannung sorgen.


Auf engstem Raum treibt Mann so die Handlung mit immer wieder neuen Rettungsversuchen voran, spielt mit Tiefblicken und der engen Plattform souverän mit Höhenangst und Ausgesetztheit und erzählt letztlich auch davon, wie man in einer Extremsituation über sich hinauswachsen kann und muss.


Gleichzeitig kann man die Klettertour und das Spiel mit dem Absturz auch als Metapher für Beckys Situation lesen, die durch den Tod ihres Mannes aus dem Leben abgestürzt ist und sich nun mit dieser waghalsigen Tour versucht, wieder zu fangen.


An Sprachversionen bieten die bei EuroVideo erschienene DVD und Blu-ray die englische Originalfassung, zu der Untertitel für Hörgeschädigte zugeschaltet werden können, sowie die deutsche Synchronfassung. Die Extras umfassen neben dem Trailer einen – allerdings nur englischsprachigen - Audiokommentar von Regisseur Scott Mann und Produzent James Harris, die ausführlichen Einblick in Produktion und Dreharbeiten bieten.


Dazu kommt ein – deutsch untertiteltes - sehr informatives 15-minütiges Making of, in dem in Interviews mit dem Regisseur und den Schauspielerinnen nicht nur Einblick in die Schwierigkeiten der Dreharbeiten in der Wüste und die Stunts geboten wird, sondern auch die Nachbearbeitung des Dialogs und der Mundbewegungen behandelt wird. Dies war nötig, um eine Jugendfreigabe zu erhalten, denn die Protagonistinnen hatten in ihren Dialogen viel zu oft das Wort Fuck verwendet.


Trailer zu "Fall - Fear Reaches New Heights"







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