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  • AutorenbildWalter Gasperi

Elemental


Das Pixar-Team um Regisseur Peter Sohn hat wiederum eine durch Farbenreichtum, visuelle Gestaltung und Detailliebe Staunen erregende Welt geschaffen, doch die Geschichte um die vermeintlich unmögliche Liebe zwischen einem Feuermädchen und einem Wasserjungen ist doch etwas dünn und bewegt sich zu sehr in vertrauten Bahnen.


Wie gewohnt beginnt auch der 27. Pixar-Langfilm mit einem kurzen Vorfilm. "Carl´s Date" knüpft an den Erfolgsfilm "Oben" an: Eine Einladung einer Bekannten verunsichert den Witwer Carl und erst auf Drängen seines Hundes, der auch Tipps gibt, kann er sich überwinden, zu dem Date zu gehen.


Als bewussten Kontrapunkt zum Hauptfilm scheint dieser Einstieg angelegt. Denn ist hier die Handlung eng gehalten und beschränkt sich auf Carl und seinen Hund sowie Carls Haus als Schauplatz, so setzt "Elemental" auf visuelle Überfülle und großen Figurenreichtum.


An Fritz Langs "Metropolis" erinnert die futuristische Stadt Element City mit ihren Wolkenkratzern, überfüllten Straßen, mächtigen Kanälen und mit Luftschiffen am Himmel. Detailreichtum und Farbenrausch, an denen man sich nicht sattsehen kann, können hier die Animationsspezialist:innen entfesseln.


Die aktuelle Flüchtlings- und Migrationsthematik kommt dabei mit der Familie des Feuermädchens Ember ins Spiel. Nach einer Naturkatastrophe aus ihrer Heimat geflohen, leben sie mit Landsleuten im Viertel Feuerstadt und betreiben hier ein Gasthaus und Laden mit dem Namen "Feuerstelle". Weil ihre Eltern alles für Ember gegeben haben, wagt der Teenager nicht zu gestehen, dass sie eigentlich nicht das Geschäft der Eltern übernehmen will, sondern will sich in die ihr zugedachte Rolle fügen.


Außer Frage steht dabei freilich, dass der Film mit Ember auch das Publikum auffordern wird, die eigenen Neigungen und Wünsche zu entdecken und diesen zu folgen und sich nicht in Rollenvorgaben zu fügen. – Eine klassische Selbstfindungsgeschichte erzählt "Elemental" so, bei der Ember vom Wasserjungen Wade unterstützt wird.


Ein klassischer Gegensatz wird mit diesen beiden Figuren aufgebaut. Da stehen sich nicht nur das lodernde Rot Embers und das Blassblau Wades einander gegenüber, sondern auch ihrem unkontrollierten, immer wieder explodierenden Temperament, seine Gutmütigkeit und Emotionalität, durch die er immer wieder rasch in Tränen ausbricht.


Neu sind somit die Figuren und das Setting, altbekannt die Geschichte, die im Kern erzählt wird. So folgt auf die Wut Embers auf Wade, der als städtischer Kontrolleur den väterlichen Betrieb schließen will, eine langsame Annäherung, von der der Vater Embers wiederum nichts erfahren darf, sind die Wassermenschen für ihn doch ein Feindbild.


Reale soziale Gegensätze übertragen Sohn und sein Team auf die Fantasiewelt, wenn die migrantische Familie Embers der Unterschicht angehört, Wades Wasserfamilie dagegen in einer Luxus-Wohnung lebt. Im Fantasiegewand wird so nicht nur von der Überwindung scheinbar unüberwindbarer realer sozialer Gegensätze und von Vorurteilen erzählt, sondern auch wie sich die gegensätzlichen Figuren gegenseitig helfen und stützen können und wie nur durch Zusammenarbeit Gefahren gebannt werden können.


So ist die Handlung doch etwas dürftig und letztlich bringt auch die Verschiebung der Figuren auf die Ebene der Elemente rein einen visuellen, aber keinen erzählerischen Mehrwert. Bildstarke Gegensätze generieren nicht nur Ember und Wade, sondern auch die watteweichen weißen Luftfiguren wie Gale oder die braunen Erdlinge. Vor allem letztere gewinnen aber kaum Profil, während Gale nicht nur als Fan bei einem Air-Ball-Spiel in einem riesigen Stadion einen starken Auftritt hat.


Aber gerade auch dieses Sportevent zeigt das erzählerische Problem von "Elemental", denn nichts trägt diese Szene zur Handlung bei, sondern dient einzig dem spektakulären Effekt. Nicht wirklich geklärt wird im Grunde auch, wieso Feuerstadt immer wieder von Überflutungen bedroht wird, einzig als Movens für die Handlung scheinen diese zu dienen.


Mit der starken gesellschaftlichen Relevanz, die "Wall E" (2008) ausstrahlte, der bewegenden Emotionalität von "Oben" (2009) oder der aufregenden inhaltlichen Vielschichtigkeit von "Alles steht Kopf" ("Inside Out", 2015) kann "Elemental" so nicht mithalten. Berührende Momente fehlen zwar nicht und auch Wortspiele sorgen immer wieder für – wenn auch harmlosen - Witz, aber zu formelhaft ist letztlich die Geschichte und der unbestreitbare visuelle Reichtum bietet anders als bei Filmen wie "Wall E" oder "Alles steht Kopf" rein ein optisches Spektakel, hat aber kaum zwingende inhaltliche Funktion.


Dieses Problem zeigt sich schon beim Titel und den Hauptfiguren: Die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft werden hier zwar ins Treffen geführt, aber da hätte man genauso gut "reale" Figuren und Ethnien nehmen können. Dass Pixar mit den vier Elementen spielt, resultiert wohl einzig aus dem Umstand, dass dadurch mit starken farblichen Gegensätzen, unterschiedlichen Temperamenten und Fähigkeiten gespielt werden kann.


Elemental USA 2023 Regie: Peter Sohn Animationsfilm Länge: 102 min.


Läuft derzeit in zahlreichen Kinos.


Trailer zu "Elemental"


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