Ein Tag ohne Frauen (The Day Iceland Stood Still)
- Walter Gasperi

- 5. Juni
- 3 Min. Lesezeit

Pamela Hogan zeichnet nicht nur den Weg zum großen isländischen Frauenstreik am 24. Oktober 1975 nach, sondern feiert auch die Kraft weiblicher Solidarität, die den Weg zur Gleichberechtigung ebnete: Ein gleichermaßen historischer wie Mut machender und zudem sehr unterhaltsamer Dokumentarfilm.
Heute ist Island laut Global Gender Gap Report das Land mit der weltweit größten Geschlechtergleichheit. 1980 stellte die Insel mit Vigdís Finnbogadóttir die erste demokratisch gewählte Staatspräsidentin der Welt und mit einem Anteil von 48% stellen die Frauen im Parlament fast gleich viele Abgeordnete wie die Männer.
Immer noch muss freilich um völlige Gleichberechtigung gekämpft werden, doch während um 1970 Frauen noch erklärt wurde, dass Frauen weder Kapitän noch Anwältin werden können und Frauen nur als Witwen in den Bauernverband aufgenommen wurden, sind heute 70% der Absolvent:innen der Universität Island weiblich und stehen 2025 erstmals Frauen an der Spitze aller öffentlichen und privaten Universitäten, der Regierungskoalitionsparteien und des Stadtrats von Reykjavik.
Eine wichtige Rolle spielte bei dieser Entwicklung der Frauenstreik, der am 24. Oktober 1975 stattfand. An diesem Tag sollten alle isländischen Frauen ihre Hausarbeit ebenso wie die Arbeit in Banken, in Fischfabriken, Telefonzentralen oder auf Bauernhöfen ruhen lassen, um gegen die Ungleichheit zu protestieren. Bis dahin erhielten Frauen nämlich nicht nur in allen Bereichen für die gleiche Arbeit weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen, sondern blieben auch weitgehend von Führungspositionen ausgeschlossen.
In Form eines Countdowns zeichnet die US-Amerikanerin Pamela Hogan mit Interviews mit damaligen Aktivistinnen, Archivmaterial und ebenso einfachen wie verspielten Animationen die Entwicklung zu diesem Protesttag nach. Wird zunächst Einblick in die Benachteiligung der Frauen in allen Lebensbereichen geboten, so wird anschließend der wachsende Widerstand der von internationalen Bewegungen inspirierten feministischen Gruppe der sogenannten "Rotstrümpfe" dokumentiert.
Einfallsreich wurde dabei beispielsweise gegen eine Misswahl protestiert, die die Aktivistinnen bissig in Bezug zu einer Viehschau stellten. Aber der Blick auf die Männer, über die eine Aktivistin sagt: "Wir liebten unsere chauvinistischen Schweine. Wir wollten sie nur ein wenig verändern!", wird nie aggressiv und gehässig, sondern bleibt immer liebevoll spöttelnd.
Mit Witz wird so auch die Hilflosigkeit der Männer aufgedeckt, die sich am 24. Oktober 1975 für einmal selbst um die Kinder kümmern und für sie kochen mussten. Vor allem aber wird die Macht der Solidarität der Frauen gefeiert. Denn analog zum Slogan der Arbeiterschaft "Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will" stand hier schließlich ganz Island still, als sich 90% der Frauen einen Tag freinahmen und sich in Reykjavik bei der größten Demonstration, die der Inselstaat je erlebte, versammelten: Flüge mussten gestrichen werden, Schulen blieben geschlossen und auch das Telefonnetz brach zusammen.
Nur die größte Tageszeitung des Landes wurde gedruckt, weil die Herausgeber die Frauen mit dem Argument, dass sie groß über den Streik berichten werden, überzeugen konnten, in diesem Bereich auf eine Arbeitsniederlegung zu verzichten.
Ein echtes Feelgood-Movie ist dieser gerade mal 70 Minuten lange Dokumentarfilm mit dieser mit Leidenschaft erzählten Erfolgsgeschichte und der liebevollen Verspottung der ohne Frauen ziemlich hilflosen Männer. Da stört es auch kaum, dass formal wenig aufregendes Kino geboten wird. Im Grunde dominieren nämlich Talking Heads der gealterten Aktvistinnen, zu denen auch die ehemalige Staatspräsidentin Vigdís Finnbogadóttir zählt, während Archivbilder Zeitfeeling evozieren und mit den Animationen die Erzählungen ebenso charmant wie fantasievoll visualisiert werden.
Hier geht es nicht um ein großes künstlerisches Kinoerlebnis, sondern um ein Ereignis, das mit seiner lustvollen Nachzeichnung ansteckend wirken und der nachkommenden Generation Mut machen soll. Das Ziel Vertrauen in die Kraft weiblicher Solidarität zu wecken und Mut zu machen, Widerstand gegen Ungleichheit zu leisten und sich aufzulehnen, erreicht Hogan mit ihrem Film, der anlässlich des 50. Jahrestags des großen isländischen Frauenstreiks entstand, auf jeden Fall.
Ein Tag ohne Frauen (The Day Iceland Stood Still)
Island / USA 2024 Regie: Pamela Hogan
Dokumentarfilm mit: Guðrún Erlendsdóttir, Ágústa Porkelsdottir, Vigdís Finnbogadóttir, Guðni Th. Jóhannesson Länge: 71 min.
Läuft jetzt in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.
Spielboden Dornbirn (Open Air): Do 3.7., 21.30 Uhr
Poolbar Festival, Feldkirch (Open Air im Reichenfeld): Mi 17.7., 21 Uhr
Trailer zu "Ein Tag ohne Frauen - The Day Iceland Stood Still"




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