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AutorenbildWalter Gasperi

Duell in der Sonne


Eine intensive Hassliebe, zwei ungleiche Brüder, ein tyrannischer Rancher-Vater, die grandiose Landschaft von Texas und eine berauschende Farbfotografie: Der Über-Western von King Vidor (Regie) und David O. Selznick (Produzent) ist in der ungekürzten Kinofassung und in brillanter Bildqualität bei Hansesound auf DVD und Blu-ray erschienen.


Als Gegenstück zum Kassenschlager "Vom Winde verweht" wollte Produzent David O. Selznick den 1946 gedrehten Western "Duell in der Sonne" anlegen. Er selbst schrieb zusammen mit Ben Hecht und dem Autor Niven Busch, dessen Vorlage erst zwei Jahre zuvor erschienen war, auch das Drehbuch.


Auf monumentales Kino stimmt schon die über zehnminütige Ouvertüre ein, die in der TV-Fassung fehlt. Zu Schwarzfilm ist die Filmmusik von Dimitri Tiomkin zu hören. Dieser Auftakt soll ein langsames Eintauchen in den Film ermöglichen, ehe ein Off-Erzähler zum Blick auf den von den Indigenen "Frauenfelsen" genannten Berg über die leidenschaftliche Hassliebe zwischen der Halbindigenen Pearl (Jennifer Jones) und dem Ranchersohn Lewt (Gregory Peck) informiert. In einer Rückblende wird ihre Geschichte erzählt.


Schon die erste Szene, in der Pearls indigene Mutter in einer Bar leidenschaftlich tanzt, anschließend sich mit einem Kunden in dessen Haus zurückzieht, wo beide von Pearls Vater erschossen werden, stimmt auf das Übermaß der Gefühle ein. Die HD Abtastung bringt die kräftigen Farben, die mit der Intensität der Gefühle korrespondieren, so richtig zum Leuchten.


Der Vater will keine Gnade für sich und nach dessen Hinrichtung reist Pearl zu dessen Cousine Laura Belle (Lillian Gish), die als Gattin eines mächtigen Ranchers (Lillian Barrymore) in Texas lebt.


Kräftige Gegensätze prallen hier mit den beiden Söhnen aufeinander: Dem zurückhaltenden und kultivierten Jesse (Joseph Cotton), der Jus studiert hat, steht der impulsive Lewt gegenüber. Während der feinfühlige Lewt den Charakter der Mutter geerbt hat, kommt Lewt nach dem Vater. Der eine treibt die Viehherden durch die Prärie und reitet Pferde zu, der andere bevorzugt eine Kutsche und setzt auf seinen Verstand.


Gleichzeitig steht Lewt damit für die alte Welt des Vaters, in der mit Körperkraft und Gewalt der Westen erobert wurde, während Jesse für die Zivilisation der Zukunft steht. So ist der Vater und mit ihm Lewt auch gegen jede Neuerung und beide wehren sich gegen den Eisenbahnbau, in dem sie eine Bedrohung ihrer Machtposition sehen: Ein Staat im Staat ist ihre Ranch und mit den zahlreichen Arbeitern unterhalten sie auch eine Privatarmee.


Ein klassisches Motiv des amerikanischen Western ist die Schilderung dieser Zeitenwende vom rauen Pioniergeist zur Zivilisierung des Westens. Am schönsten hat davon wohl John Ford in "The Man Who Shot Liberty Valance" (1962) erzählt.


Der Generationen- und Brüderkonflikt wird auch im Privaten spürbar: Wie der alte Rancher ein selbstherrlicher und rassistischer Patriarch ist, der weder seine Frau noch Pearl achtet, so behandelt auch Lewt Pearl quasi als Eigentum, will sie zwar als Geliebte, aber nicht als Ehefrau. Jesse dagegen legt Einfühlungsvermögen an den Tag und begegnet Pearl auf Augenhöhe.


Pearl mag den kultivierten jungen Mann zwar sichtlich, verfällt aber dem impulsiven Lewt. So entwickelt sich eine Hassliebe, die zwischen größter Leidenschaftlichkeit und erbitterter Feindschaft pendelt, bis sie in das titelgebende Duell mündet: Da mögen die Beiden zwar in markanter Felslandschaft aufeinander schießen, tödlich getroffen wird Pearl dennoch mit letzter Kraft durch den Sand in Richtung des sterbenden Lewt kriechen.


Eine Wurzel von Lewts Impulsivität und Leidenschaftlichkeit, aber auch für seine Übergriffigkeit und seinen Besitzanspruch auf Pearl kann man in seiner Frustration über die "Frauenarmut" in der Männergesellschaft des Westens sehen. Neben der Mutter Laura Belle bleibt Pearl nämlich lange Zeit die einzige Frau in diesem Film. Andererseits kann man in dieser toxischen Beziehung ähnlich wie im Film noir eine Spiegelung der erschütterten und gestörten Geschlechterbeziehungen durch den eben erst zu Ende gegangenen Zweiten Weltkrieg sehen.


In jeder Szene hat Regisseur King Vidor und Produzent David O. Selznick, dessen Einfluss auf die Regie schwer zu beurteilen ist, diesen Mix aus Western und Melodram als Film der übergroßen Gefühle inszeniert. Die Kamera von Lee Garmes, Harold Rosson und Ray Rennahan schwelgt in Totalen der weiten texanischen Landschaft. Die scharfen Gegensätze zwischen den Charakteren sorgen für innere Spannung, während auf der visuellen Ebene vom Duell in der Bar über die Explosion eines Zuges bis zu über die Prärie preschenden Wildpferden und Rindern große Bilder geboten werden.


Dazu kommen eine expressive Farbdramaturgie mit sensationellen Technicolorfarben. Da wird in den Grün, Gelb und Rot leuchtenden Blusen von Pearl immer wieder ihre Leidenschaftlichkeit nach außen gekehrt, während im Weiß von Jesses Verlobter Helen ihre Bürgerlichkeit spürbar ist. Dazu kommen immer wieder rot leuchtende Sonnenunter- und -aufgänge, bei denen sich am Horizont wie bei einem Scherenschnitt beispielsweise eine Kutsche und ein Reiter treffen, oder ein sternenübersäter tiefblauer Nachthimmel.


Mag das Auf und Ab der Beziehung zwischen Lewt und Pearl auch nicht nachvollziehbar sein und die einzelnen Problemfelder nicht wirklich intensiv ausgelotet werden, so wird doch spektakuläres Kino mit großen Schauwerten geboten. Kritisieren kann und muss man aus heutiger Sicht freilich die Darstellung der schwarzen Hausangestellten, die als geschwätzig und ausgesprochen einfältig gezeichnet wird. In dieser rassistischen Verzerrung ist "Duell in der Sonne" unübersehbar ein Produkt seiner Zeit.


An Sprachversionen bieten die bei Hansesound erschienene DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung aber keine Untertitel. Die Extras umfassen neben dem Trailer und einer Bildergalerie ein knapp zehnminütiges, nicht untertiteltes, aber gut verständliches Interview mit den Kindern von Gregory Peck über die Produktion von "Duell in der Sonne" und Pecks Wertschätzung von King Vidor, David O. Selznick und weiteren Mitarbeiter:innen.


Trailer zu "Duell in der Sonne"


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