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  • AutorenbildWalter Gasperi

Dragged Across Concrete


(c) Universum Film

159 Minuten lang ist S. Craig Zahlers Cop-Thriller, aber mühelos hält der 46-jährige Amerikaner dank präziser und perfekt kontrollierter Inszenierung, Perspektivenwechsel und stark gespielten, ambivalenten Charakteren die Spannung hoch. – Ein Meisterwerk modernen Genre-Kinos, das im deutschsprachigen Raum nie in die Kinos kam, aber bei Universum Film nun immerhin auf DVD und Blu-ray erschienen ist.


Souverän legt Zahler, der sich mit dem Western „Bone Tomahawk“ und dem Gefängnisfilm "Brawl in Cell Block 99" einen Namen machte, mehrere Erzählfäden aus. Folgt er zunächst dem schwarzen Kleinkriminellen Henry (Tory Kittles), der soeben aus dem Gefängnis entlassen wurde, so schildert er anschließend, wie die Polizisten Ridgeman (Mel Gibson) and Lusaretti (Vance Vaughn) einen Drogendealer verhaften, um dann einen brutalen Überfall eines Maskierten auf eine Tankstelle zu zeigen. - Spannung entsteht schon hier durch die Frage, wie diese Ereignisse zusammenhängen und der Boden für die Haupthandlung wird damit auf beeindruckende Weise vorbereitet.


Problemlos verläuft zwar der Einsatz Ridgemans und Lusarettis, doch weil ihr brutales Vorgehen gefilmt wurde, werden sie wenig später vom Dienst suspendiert. Wie der kleinkriminelle Henry seiner Mutter, die sich aus Geldnot prostituiert, und seinem auf den Rollstuhl angewiesenen kleinen Bruder ein besseres Leben bieten möchte, möchte Ridgeman aus dem heruntergekommenen Viertel mit seiner an Multiple Sklerose leidenden Frau und seiner Tochter, die immer wieder auf dem Schulweg belästigt wird, in eine bessere Gegend ziehen. Lurasetti wieder möchte seiner sozial besser gestellten Geliebten mehr bieten.


So erklärt Zahler aus den sozialen Verhältnissen heraus die Handlungen seiner Protagonisten. Während John nämlich einen Job als Fahrer bei einem Verbrechen annimmt, will Ridgeman als Zivilperson einen Verbrecher – egal ob Drogendealer, Bankräuber oder Mörder – erpressen oder ihm die Beute abnehmen. Lusaretti wird mehr aus Loyalität zu seinem Partner als aus Überzeugung bei der Aktion mitmachen, die sie mit Henry und dem brutalen Tankstellen-Räuber und dessen Helfer zusammenführt.


Viel Zeit lässt sich Zahler für die einzelnen Szenen, setzt mehr auf die Zeichnung differenzierter und ambivalenter Charaktere als auf Action, hochspannend bleibt das dank konzentrierter Inszenierung, atmosphärisch dichter Einbettung ins Milieu und starken Schauspielern dennoch. Großartig harmonieren Mel Gibson als reaktionärer alternder Cop, der wegen seines immer wieder ungesetzlichen Durchgreifens nie befördert wurde, und Vince Vaughn als sein jüngerer Partner.


Lange und immer wieder schaut man ihnen beim Observieren der verdächtigen Person zu, gesprochen wird über ihre Sandwiches oder ihre Erfolgschancen. Vom weit gelegten Netz am Beginn führt Zahler so die Handlung immer enger, bis nach etwa einer Stunde eine Verfolgungsjagd einsetzt. Auch diese ist aber nicht von Action bestimmt, sondern von konzentriertem und unauffälligem Überwachen.


Brutale Szenen fehlen zwar nicht, werden aber kurz gehalten und teilweise auch ins visuelle Off verbannt, bis es auf einer verlassenen Tankstelle in einem nur von gelben Straßenlampen erhellten trostlosen Niemandsland zum Showdown kommt, bei dem aus den zwei gegnerischen Parteien plötzlich drei werden.


Spektakel bietet „Dragged Across Concrete“, der an die klassischen Thriller eines Sidney Lumet oder Don Siegel anknüpft, auch dabei keines, sondern beweist, dass für einen großen Film gerade kein hoher Body-Count und keine große Materialschlacht nötig sind.


Meisterhafter Aufbau, ein großartiger Mel Gibson, dem dieser immer wieder rechte Ideen vertretende Polizist sicher gelegen ist, die konzentrierte und kompromisslose Inszenierung mit ihren geschickten Perspektivenwechsel zwischen den beiden Cops und den Verbrechern sorgen durchgängig für Hochspannung. Gleichzeitig werden über die Handlung und die Charaktere ganz selbstverständlich auch Fragen von Verantwortung, von Freundschaft und Loyalität und schließlich von Vertrauen und Misstrauen verhandelt. – Großes Kino ist das, das für die große Leinwand gemacht ist, aber leider nur – oder: wenigstens immerhin – auf DVD und Blu-ray erschienen ist.


Diese bei Universum Film erschienenen DVD und Blu-ray bieten an Sprachversionen die englische Originalfassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können, sowie die deutsche Synchronfassung. Die Extras beschränken sich auf den Trailer und ein kurzes Featurette mit Statements von Zahler, Gibson und weiteren Mitarbeitern sowie einem Filmkritiker zur Bedeutung der Ambivalenz der Charaktere für die Stärke des Films.


Trailer zu "Dragged Across Concrete"



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