Weil sich tragische Schicksale gut verkaufen, wird eine angeblich todkranke, in Wahrheit aber kerngesunde junge Frau medial gepusht. Die bissige, 1937 gedrehte Screwball-Komödie, in der William A. Wellman mit der Sensationsgier der Medien ebenso wie mit der Sensationslust der Leserschaft und Publicity-Rummel abrechnet, ist bei Schröder Media auf DVD erschienen.
In Inserts wird New York nicht nur als Welthauptstadt der Wolkenkratzer, sondern auch als Metropole der Betrüger, in der die Wahrheit nichts zählt, vorgestellt.
Schon in der Exposition wird dieser Befund mit einem vermeintlichen Sultan belegt, der ein neues Bürogebäude für die Tageszeitung Morning Star finanzieren will, sich aber als einfacher Schuhputzer entpuppt.
Weil der Starreporter Wally Cook (Fredric March) auf diesen Betrüger reingefallen ist, wird er zum Verfasser von Nachrufen degradiert. Wie er aber verbal vermittelt, wie man aus einer kurzen Notiz über eine tödlich an einer Radiumverseuchung erkrankte junge Frau eine sensationelle Story machen muss, überzeugt seinen Chef und er schickt Cook nach Vermont, um über die junge Frau zu recherchieren.
Großstadt trifft so auf Provinz, in der die Bevölkerung wenig gesprächsbereit ist. Wie die Befragten auf Cooks Fragen nur mit „und ob“ und „wohl kaum“ antworten, wird er selbst auch bald diese Ausdrucksweisen übernehmen. Immerhin trifft er auf die gesuchte Hazel Flagg (Carole Lombard), doch deren Tränen deutet er falsch. Glaubt er, dass sie über den nahen Tod betrübt ist, weint sie vielmehr, weil sie soeben von ihrem Arzt erfahren hat, dass sie gar nicht krank ist und sie nun aufgrund Geldknappheit doch nicht die geplante letzte Reise nach New York machen kann.
Konsequent spielen William A. Wellman und Drehbuchautor Ben Hecht, der eine Kurzgeschichte von James H. Street adaptierte, mit solchen Missverständnissen. Sie sind der Motor der Handlung. Flagg verschweigt jedenfalls Cook gegenüber, dass sie nicht krank ist, denn er nimmt sie mit nach New York. Dort kann er ausführlich über ihr tragisches Schicksal berichten, während sie die Stadt genießen kann, segeln geht, im Madison Square Garden einen Boxkampf besucht, bei dem auch nur mit Täuschung gearbeitet wird, oder in einem Tanzlokal als tapfere Heldin präsentiert wird.
Als Hazel dort volltrunken zusammenbricht, wird dies wieder als Zeichen ihres schlechten Gesundheitszustands gedeutet. Die ganze Stadt scheint von ihrem Schicksal gerührt, doch bei ihr kommen langsam Gewissensbisse auf, weil sie sich in Cook verliebt. Auch ein vorgetäuschter Selbstmordversuch, mit dem sie aus New York verschwinden will, wird selbstverständlich wieder falsch interpretiert, doch irgendwann muss die Täuschung doch auffliegen. Wollen aber die Getäuschten vom Zeitungschef über Bürgermeister bis zu diversen Organisationen, die mit Hazel als Aushängeschild viel Öffentlichkeit und Unterstützung fanden, wirklich, dass die Wahrheit publik wird?
Passend zum journalistischen Thema hat William A. Wellman diese Screwball-Komödie, in der bissig mit der Sensationspresse aber auch mit deren Leserschaft und dem Publicity-Rummel abgerechnet wird, ebenso trocken wie temporeich inszeniert. Keine Nebengeschichten gibt es, jede Szene hat ihre Funktion, sodass Wellman mit kompakten 75 Minuten auskommt.
Geschliffen sind die Dialoge von Ben Hecht und bestens harmonieren Fredric March und Carole Lombard in den Hauptrollen. Vor allem Lombard dreht richtig auf und agiert mit unübersehbarer Spielfreude. Die Technicolorfarben des vom legendären David O. Selznick produzierten Films, der 1954 von Norman Taurog mit Jerry Lewis und Dean Martin in den Hauptrollen unter dem Titel „Living It Up“ („Patient mit Dachschaden / Der sympathische Hochstapler“) neu verfilmt wurde, sind allerdings schon etwas verblasst.
Dafür beweist Wellman Einfallsreichtum und ein Gespür für visuellen Witz, wenn er in einer Einstellung filmt, wie Cook in der Abteilung für Nachrufe permanent durch Kollegen auf vielfältigste Weise bei seiner Arbeit gestört wird. Hinreißend umgeht er auch die strengen Regeln des Hays-Code, wenn er eine Liebesszene sich hinter einem Holzverschlag abspielen lässt und man nur Dialog und Geräusche hört, sich vorstellen muss, was das Pärchen so treibt.
An Sprachversionen bietet die bei Schröder Media erschienene DVD, deren Bildqualität nicht berauschend, aber passabel ist, die englische Original- und die deutsche Synchronfassung. Untertitel fehlen ebenso wie Extras.
Trailer zu "Denen ist nichts heilig - Nothing Sacred"
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