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  • AutorenbildWalter Gasperi

Das Licht, aus dem die Träume sind – Last Film Show


Ein indischer Junge träumt davon, Filmregisseur zu werden: Eine in kräftige Farben und warmes Licht getauchte, nostalgische Hommage ans Geschichtenerzählen und ans Kino, die auch melancholisch dem Ende des analogen Kinos nachtrauert.


Man spürt in jeder Szene, wie sehr "Das Licht, aus dem die Träume sind" von autobiographischen Erfahrungen und der Kinoleidenschaft seines Regisseurs Pan Nalin inspiriert sind. Sein Alter Ego ist der neunjährige Samay und wie Samays Vater war auch Nalins Vater Teeverkäufer an einer Eisenbahnstation.


Samay lebt mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner kleinen Schwester in einem Dorf im indischen Bundesstaat Gujarat. Am Anfang zieht er noch mit Pfeil und Bogen durch die Felder oder spielt am Bahngleis. Doch dann nimmt der Vater die Familie mit ins Kino der nächsten Stadt. Im Grunde lehnt er als Angehöriger der Kaste der Brahmanen solche Freizeitvergnügen ab, doch da ein religiöser Bollywood-Film über die Göttin Kali gezeigt wird, macht er eine Ausnahme. Für Samay wird dieser Kinobesuch zum Initiationserlebnis. Fest steht für ihn danach, dass er selbst einmal Filme machen will.


Lieber schwänzt er so in der Folge die Schule und besucht das Kino. Begeistert verfolgt er Abenteuer- und Actionfilme, doch dann wird er rausgeworfen, weil er sich ohne Ticket in den Saal geschlichen hat. Doch der Filmvorführer Fazal nimmt ihn in seine Kabine und lässt ihn gegen Abgabe von Samays Lunchbox die Filme anschauen.


Zur Filmleidenschaft kommen damit – Ritesh Batras "Lunchbox" lässt grüßen - die leckeren Speisen, die die Mutter von Samay zubereitet und beides bietet Gelegenheit für ein sinnlich-warmherziges Kinostück. An harter sozialrealistischer Schilderung der prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen der indischen Unterschicht ist Nalin nicht interessiert, vielmehr feiert er in kräftigen, warmen Farben und lichtdurchfluteten Bilder nostalgisch das Kino und das Leben.


Schon bei dem ersten Kinobesuch spielt Nalin dabei gekonnt mit der Doppelung von Filmerlebnis im Film und unserem Blick auf dieses Geschehen. Detailreich schildert er auch die Arbeit in der alten Vorführkabine mit dem Wechsel, Zusammenkleben und Einlegen der Filmrollen. Wenn gegen Ende der alte Projektor verschrottet, eingeschmolzen und zu Löffeln verarbeitet und die Filmrollen zu Plastikarmreifen eingekocht werden und durch Laptop und kleinen Beamer ersetzt werden, lässt dies nicht nur Samay, sondern auch das Kinopublikum bittersüß spüren, was durch die Modernisierung verloren geht.


Nicht nur kahl und steril wirkt nun die Vorführkabine, sondern vor allem fehlen nun die haptischen Filmstreifen. Doch der gewiefte Junge genießt nicht nur im Kino die Filme, sondern geht bald auch dazu über mit seinen Freunden in einem verlassenen Haus mit einem handgetriebenen Vorführgerät, das aus einer Fahrradfelge hergestellt wird, Leintuch und live zum Bild erzeugten Geräuschen Vorführungen zu organisieren.


Ärger muss das freilich geben, denn die Filmrollen klaute man aus einem Lager, sodass bei Kinovorführungen dann immer wieder Passagen fehlten. Nicht genug, dass Samay so kurzzeitig in einer Jugendstrafanstalt landet, wird er nach Entlassung auch wieder einmal vom strengen Vater mit dem Rohrstock verprügelt. Doch auch dieser wird schließlich die große Leidenschaft seines Sohnes akzeptieren.


Nicht nur über die Geschichte erzählt Nalin aber von der Faszination des Kinos, sondern auch über die Inszenierung. So vermittelt er einerseits in den Bildern (Kamera: Swapnil S. Sonawane), wie Licht und Schatten entscheidend für einen Film sind, andererseits lässt er Samay auch immer damit spielen, wenn er mit bunten Glasscherben Lichteffekte erzeugt, die Welt durch eine grüne Glasflasche betrachtet oder mit Spiegeln spielt.


Und auch seinen Vorbildern erweist er seine Reverenz. Unübersehbar Hommage an "2001 – Odyssee im Weltraum" ist so eine Szene, die nicht nur mit Richard Strauß´ "Also sprach Zarathustra" unterlegt ist, sondern in der sich auch Licht und Farben wie bei Kubricks Klassiker auf Samays Gesicht spiegeln. Reminiszenz an Palins Lieblingsfilm "Stalker" von Andrej Tarkowski scheint dagegen wiederum eine Szene zu sein, in der Samay und seine Freunde eine Draisine benützen.


Aber auch übers Erzählen einer Geschichte, das der Filmvorführer als zentrale Aufgabe eines Films bezeichnet, wird reflektiert. Denn einerseits entwickelt Samay über Bildchen auf leeren Streichholzschachteln die Fähigkeit Geschichten zu erzählen, andererseits erweist sich Nalin selbst mit seinem Film als klassischer Geschichtenerzähler. So schafft er auch mit dem von Bhavin Rabari wunderbar natürlich und mit Leidenschaft gespielten Samay eine starke Identifikationsfigur, aus deren Perspektive der ganze Film erzählt wird.


Mit diesem Protagonisten und seinem leuchtenden Blick auf die Kinoleinwand, auf der sich vielfältige, bald dramatische, bald humoristische Geschichten abspielen, überträgt sich die Kinoleidenschaft direkt auf die Zuschauer*innen und lassen spüren, was für ein wunderbarer Platz des gemeinsamen Träumens das Kino ist.


Das Licht, aus dem die Träume sind – Last Film Show Indien / USA / Frankreich 2021 Regie: Pan Nalin mit: Bhavin Rabari, Bhavesh Shrimali, Richa Meena, Dipen Raval, Paresh Mehta, Vikas Bata Länge: 112 min.



Läuft ab Freitag, 26.9. in den österreichischen Kinos, z.B. im Feldkircher Kino Rio


Trailer zu "Das Licht aus dem die Träume sind - Last Film Show"




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