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  • AutorenbildWalter Gasperi

Das blutrote Kleid - In Fabric


In Peter Stricklands zwischen Mystery und schwarzem Humor pendelndem Spielfilm entwickelt ein rotes Kleid ein Eigenleben. Bei Koch Films ist das visuell betörende Werk, das sich in der Bildsprache auch am klassischen Giallo orientiert, auf DVD und Blu-Ray erschienen.


Wenn ein Springmesser aufgeklappt und ein blutrotes Kleid aus einem Karton ausgepackt wird, wecken die lange Klinge und die Farbdramaturgie sogleich Assoziationen an den italienischen Giallo. Messer werden in der Folge aber weitgehend außen vor bleiben und auch den für dieses Subgenre des Horror- und Kriminalfilms obligatorischen psychopathischen Mörder wird man vergebens suchen. Den Stempel aufdrücken wird Peter Stricklands viertem Kinofilm aber das leuchtend rote Kleid.


Irritation löst der 48-jährige Brite mehrfach mit eingeschnittenen, teilweise schwarzweißen Fotos von Menschenmassen aus, die Straßen überqueren, und offensichtlich in ein Kaufhaus drängen. Losgelöst von der in den 1990er Jahren spielenden Handlung sind diese Bilder, sollen aber auf den Kaufrausch verweisen.


Im Mittelpunkt der Handlung steht zunächst die schwarze britische Bankangestellte Sheila (Marianne Jean-Baptiste). Nachdem sie von ihrem Mann verlassen wurde, lebt die etwa 50-Jährige allein mit ihrem Sohn. Der Umstand, dass dieser eine Freundin hat, und wenig Hoffnung besteht, dass ihr Mann zu ihr zurückkehrt, weckt auch bei ihr das Interesse nach neuer Männerbekanntschaft. Bald knüpft sie über eine Annonce Kontakt und kauft fürs erste Date im Ausverkauf der Modeboutique das titelgebende Kleid.


Irritation kann schon die ziemlich eigenwillige Verkäuferin mit osteuropäischem Akzent (Fatma Mohamed) auslösen und bald entwickelt das Kleid auch wirklich ein Eigenleben. Bildet sich bei Sheila zunächst ein unerklärlicher Ausschlag, spielt bald auch die Waschmaschine verrückt und auch ein Hund reagiert überaus aggressiv auf das Kleidungsstück, das zudem nachts durchs Haus zu schweben und im Kleiderkasten zu rotieren scheint. Gleichzeitig scheint das Kaufhauspersonal und im Speziellen die Verkäuferin in dieses Geschehen involviert, quasi per Telepathie das Kleid zu dirigieren und mit hexenhaftem Ritual die Menschen ins Kaufhaus zu locken.


Intensiv beschwört Strickland auch den Reiz dieser traditionellen Kaufhäuser mit dem haptischen Kaufvergnügen und der Interaktion zwischen Verkäuferin und Käufer, das heutzutage zunehmend vom Online-Handel verdrängt wird. Gleichzeitig scheint er aber mit den wiederkehrenden Angeboten beim Ausverkauf und der Kauflust der Menschen auch den Materialismus kritisieren zu wollen.


Zunehmend aggressiver scheint das Kleid zu agieren, auch das Model, das das Kleid ursprünglich trug, soll durch ein mysteriöses Unglück ums Leben gekommen sein. So wenig freilich dieses aufgeklärt wird, so wenig werden auch Erklärungen für das mörderische Eigenleben des Kleides geboten. Parallel dazu wird Sheila in ihrer Bank auch mehrfach zu unangenehmen Mitarbeitergesprächen geladen und von ihren Vorgesetzten schikaniert, bis die Handlung mit einem neuen Besitzer des Kleides neu einsetzt, sich aber bald wieder ähnliche Folgen zeigen.


Wirklich Neues bringt diese zweite Geschichte nicht, sondern scheint wie angefügt, um Spielfilmlänge zu erreichen, dennoch folgt man Stricklands Film dank eigenwilliger Figuren und origineller Szenen gespannt und interessiert bis zum Schluss.


Kein Zufall ist es wohl auch, dass zweimal Träume erzählt werden, denn "Das blutrote Kleid" scheint auch selbst mehr der Struktur eines Alptraums als einem rationalen Handlungsverlauf zu folgen. Mit seinem Einfallsreichtum und seinem Gespür für Details und unterstützt von seiner Kostümbildnerin Jo Thompson beschert Peter Strickland dem Publikum so ein Kinoerlebnis, das zwar kaum wirklich zu entschlüsseln ist, das mit seiner betörenden visuellen Gestaltung und seinem Mix aus Mystery und schwarzem britischem Humor aber sehr wohl unterhält und nachwirkt.


An Sprachversionen verfügen die bei Koch Films erschienene DVD und Blu-ray über die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie über Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen neben dem deutschen und dem englischen Trailer sowie einer Zusammenstellung entfallener Szenen Interviews mit der Kostümbildnerin Jo Thompson und Regisseur Peter Strickland, der auch über seine Motivation für diesen Film spricht.


Trailer zu "Das blutrote Kleid - In Fabric"



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