Darling (1965)
- Walter Gasperi
- vor 6 Stunden
- 3 Min. Lesezeit

John Schlesinger zeichnet in seinem mit drei Oscars ausgezeichneten Drama mit einer famosen Julie Christie in der Hauptrolle den Aufstieg eines selbstsüchtigen Models nach. – Bei Studiocanal ist der 1965 entstandene Klassiker in 4K-Restaurierung auf Blu-ray und 4K-UHD erschienen.
Wenn der Film mit dem Plakatieren einer Werbung einsetzt, gibt John Schlesinger schon das Thema vor. Wie hier mit dem hübschen Gesicht eines Models, bei dem die Kamera auf die Mund- und Augenpartie fokussiert, das Bild einer hungernden afrikanischen Kindes überklebt wird, erzählt auch "Darling" im Kern vom schönem äußeren Schein und glänzender Oberfläche, hinter der sich innere Leere und Verlorenheit verbergen.
Mehrfach kommt am Rand auch das Gefälle zwischen der in Luxus lebenden westlichen Welt und den Ländern des Südens ins Spiel und bissig wird auch die Arroganz der Europäer:innen angeprangert, wenn bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung junge Afrikaner mit Allongeperücken die reiche weiße Gesellschaft bedienen.
Im Zentrum steht aber der Aufstieg des Models Diana Scott (Julie Christie). Retrospektiv erzählt die junge Frau in einem Interview ihre Geschichte, führt mit ihrem Voice-over in den Film ein und kommentiert auch später mehrfach das Geschehen. Wie dabei immer wieder ihre Anmerkungen im Widerspruch zu dem stehen, was auf der Bildebene und im Dialog erzählt wird, charakterisiert sie schon als Lügnerin.
In der Rückblende lernt sie über ein TV-Interview, in dem sie zu den Einstellungen junger Menschen zu bürgerlichen Konventionen befragt wird, den Reporter Robert (Dirk Bogarde) kennen. Aus Freundschaft wird Liebe und Robert verlässt seine Familie ebenso wie sie ihren Mann, den sie für unreif hält. Doch bald wendet sie sich Miles (Laurence Harvey) zu, der in der Werbebranche arbeitet und ihr auch eine Filmrolle vermitteln kann. Doch auch in dieser Beziehung wird Diana nicht glücklich und sucht bald wieder ein neues Abenteuer.
Ganz aus der Perspektive der in jeder Szene präsenten Protagonistin erzählt Schlesinger. Zusammen mit seinem Kameramann Kenneth Higgins zeichnet er in brillanten tiefenscharfen Schwarzweißbildern das Porträt dieses selbstsüchtigen Models. Gleichzeitig wird dieses aber in das Bild einer sinnentleerten, hedonistischen Gesellschaft eingebettet, die an Federico Fellinis "La dolce vita" oder auch an die Filme Michelangelo Antonionis erinnert. Überraschend offen für die 1960er Jahre wird dabei nicht nur von Sex-Parties und Abtreibung, sondern auch von Homosexualität erzählt.
Mag aber Diana, für deren Verkörperung Julie Christie mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, auch sukzessive aufsteigen und von einer kleinen Wohnung in ein luxuriöses Appartement und schließlich sogar in ein italienisches Landschloss umziehen, ihr Glück findet sie dennoch nicht. Dem äußeren Luxus, der in der großartigen Ausstattung von Raymond Simm und den mit einem Oscar ausgezeichneten Kostümen von Julie Harris sichtbar wird, steht ihre innere Leere gegenüber.
Keinen Moment kann Diana für sich sein, braucht immer Gesellschaft, um sich ja nicht mit ihrer Persönlichkeit auseinandersetzen zu müssen. Meisterhaft spielt Schlesinger so auch durchgängig mit Spiegeln, die die Frage nach dem Selbstbild aufwerfen.
Von exklusiven Londoner Parties mag sie ihr Weg nach Paris und dann nach Italien führen, doch ihre ganze Verlorenheit wird schließlich spürbar, wenn sie im riesigen Speisesaal des italienischen Schlosses allein zu Abend isst. In einer langen, ungeschnittenen Kamerafahrt zeigen Schlesinger und sein Kameramann, wie sie sich beim Gang durch die luxuriös ausgestatteten Zimmer auszieht, bis sie nackt vor dem Spiegel ihres Schlafzimmers steht.
Keine Sympathieträgerin ist diese Protagonistin, die alle Menschen nur benützt, aber unfähig zu echter Liebe scheint. Dennoch kann sie einem nicht zuletzt dank der bestechenden Inszenierung Schlesingers, der detailreich diesen Charakter herausarbeitet, und des intensiven Spiels von Julie Christie am Ende leidtun.
An Sprachversionen bieten die bei Studiocanal erschienene Blu-ray und 4K UHD die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche Untertitel und englische Untertitel für Hörgeschädigte. Als Extras gibt es – jeweils deutsch untertitelt – ein dreiminütiges Interview mit Sofia Coppola über ihre Wertschätzung des Films, ein 15-minütiges Interview mit Frederic Raphael über seine Arbeit am Drehbuch, ein knapp 30-minütiges Feature über die Arbeit der Kostümbildnerin Julie Harris sowie ein fünfminütiges Interview mit Regisseur John Schlesinger. Dazu kommen mehrere Bildergalerien, der originale Kinotrailer und der Trailer von 2025 sowie ein Booklet, in dem ausführlich Entstehung und Inhalt des Films nachgezeichnet werden.
Trailer zu "Darling"
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