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AutorenbildWalter Gasperi

Carlito´s Way


Nach fünf Jahren Haft will der Gangster Carlito Brigante sein Leben ändern, doch seine Vergangenheit holt ihn ein: Brian De Palmas mit Al Pacino und Sean Penn großartig besetzter und visuell brillanter Gangsterfilm aus dem Jahr 1994 ist bei Studiocanal auf DVD und Blu-ray erschienen.


Während klassische Gangsterfilme vom Aufstieg zum großen Boss und dem finalen Fall erzählen, setzt der Mitte der 1970er Jahre spielende "Carlito´s Way" (1994) mit einem Berufungsprozess ein, bei dem der Puerto-Ricaner Carlito Brigante (Al Pacino) aufgrund eines Verfahrensfehlers nach fünf Jahren Haft entlassen wird, obwohl er zu 30 Jahren verurteilt war.


Die vorangehende Gangsterkarriere, die der Schriftsteller Edwin Torres, der Richter am New Yorks State Supreme Court war, im Roman "Carlito´s Way" schilderte, sparen Brian De Palma und Drehbuchautor David Koepp aus. Sie beschränken sich auf Torres´ zweiten Roman "After Hours", gaben dem Film aber den Titel des ersten Buches um Verwechslungen mit Martin Scorseses schwarzer Komödie "After Hours" (1985) zu vermeiden.


Am Beginn steht aber der Moment, in dem Carlito in der New Yorker Central Station niedergeschossen wird und tödlich getroffen auf einer Krankenbahre weggeschoben wird. Von dieser schwarzweißen Szene blendet De Palma mit einem Blick Carlitos auf eine bunte Werbung "Escape to Paradise" zurück und lässt den Protagonisten sich im Moment des Sterbens an seine letzten Lebensmonate erinnern. Im Voice-over begleiten so seine Gedanken und Erinnerungen auch immer wieder den Film und legen auch die Erzählperspektive fest.


Halten nicht nur der Richter und der Staatsanwalt, sondern auch die Zuschauer:innen Carlitos wortreiche Erklärung, dass er nach fünf Jahren Haft ein anderer Mensch sei und ein neues Leben beginnen wolle, zunächst für leeres Gerede, so wird langsam doch klar, dass der Ex-Gangster es ernst damit meint. Nichts mehr will er mit Drogenhandel zu tun haben, will mittels Beteiligung an einem Club genug Geld verdienen, um sich eine Autovermietung auf den Bahamas kaufen zu können.


Doch immer noch gibt es die alten Beziehungen, sodass ihn rasch die Vergangenheit einholt. Ein Verwandter nimmt ihn mit in einen Billardschuppen zu einem Drogendeal, der in einer blutigen Schießerei endet. Einer der Höhepunkt des Films ist diese Szene, in der De Palma seine Virtuosität demonstriert. Ruhig entwickelt er die Szene, steigert die Spannung, indem er die Explosion der Gewalt, die man schon früh ahnt, lange hinauszögert.


Großartig lässt Kameramann Stephen H. Burum mit Schwenks und Kreisbewegungen oder auch mit langen Kamerafahrten in dieses Hinterzimmer, aber auch in Carlitos Club eintauchen und beschwört mit Kostümen und Musik die Atmosphäre der 1970er Jahre.


Während Carlito immer wieder vom Ehrenkodex der Straße spricht, auch in der Haft einen Gangsterboss nicht verpfiffen hat, sich seinem Anwalt (Sean Penn) gegenüber verpflichtet fühlt und ihm bei einem Job hilft, mit dem er eigentlich lieber nichts zu tun haben möchte, scheint Loyalität sonst inexistent.


So versucht ein von der Polizei verwanzter "Freund" von ihm Informationen über seine Drogengeschäfte zu bekommen und auch sein korrupter Anwalt würde ihn ohne mit der Wimper zu zucken, ans Messer liefern, um den eigenen Kopf zu retten. Selbst ein von Carlito lange geförderter Kleingangster erweist sich hier schließlich als Verräter. – So erzählt "Carlito´s Way" auch von einem Wandel und einer Brutalisierung der Gangsterwelt, in der an die Stelle des klischeehaften alten Berufsethos rücksichtsloser Egoismus getreten ist.


Eindrücklich spielt Al Pacino die Titelfigur als einen Mann, der seinen Weg geht und seinen Traum verwirklichen will, aber in einer Welt, die sich während seiner Haftstrafe verändert hat, verloren wirkt. Zu seinem Traum gehört auch die Tänzerin Gail (Penelope Ann Miller), mit der er schon vor der Haftstrafe eine Beziehung hatte, die er nun wieder beleben will. Träumte diese freilich einst von einer Ballett- oder Musicalkarriere, so tanzt sie nun als Stripperin in einem Nachtclub.


Dem Zukunftstraum steht aber die Vergangenheit gegenüber, die den Ex-Gangster immer wieder einholt. Fulminanter Höhepunkt des Films ist dabei die rund 30-minütige Schlusssequenz, in der Carlito vor Mafiosos durch eine U-Bahnstation und eine U-Bahn zur Central Station flieht. Wie zuvor bei einem Anschlag in einem Hotel zieht De Palma hier alle Register seines Könnens und erzeugt mit Parallelmontage, Perspektivenwechsel und wiederholten Wendungen souverän höchste Spannung.


Auf der anderen Seite stehen freilich die vielen Klischees des Gangsterfilms, mit denen der Film arbeitet, und eine oberflächliche und vorhersehbare Handlung, der Ambivalenzen und Grauzonen fehlen. Über diese Schwächen können letztlich auch De Palmas virtuose Inszenierungskunst und die starken Schauspieler:innen nicht ganz hinwegtäuschen.


An Sprachversionen bieten die bei Studiocanal erschienene DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche Untertitel. Die Extras umfassen neben einem 35-minütigen Making of mit Interviews unter anderem mit Autor Edwin Torres, Drehbuchautor David Koepp, Regisseur Brian De Palma und Produzent Martin Bergman ein fünfminütiges Featurette mit Aussagen Brian De Palmas zum Film, ein ebenfalls fünfminütiges Promotion Featurette sowie den Originaltrailer und eine Sammlung von nicht verwendeten Szenen.


Trailer zu "Carlito´s Way"



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