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Blue Sun Palace

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 10. Mai
  • 3 Min. Lesezeit
"Blue Sun Palace": Die Einsamkeit chinesischer Migrant:innen in New York
"Blue Sun Palace": Die Einsamkeit chinesischer Migrant:innen in New York

Constance Tsang beschwört in ihrem feinfühligen Langfilmdebüt berührend die Verlorenheit und Einsamkeit chinesischer Migrant:innen in New York: Ein ebenso leises wie atmosphärisch dichtes Kleinod, das durch seine ruhige Erzählweise und seinen genauen Blick auf Alltägliches Intensität gewinnt.


Nah dran ist die Kamera von Norm Li an den Gesichtern von Didi (Haipeng Xu) und Cheung (Lee Kang-sheng), wenn sie im Restaurant Hühnchen essen. Immer wieder schwenkt sie von ihm zu ihr und wieder zurück. Auf Schnitte verzichtet Constance Tsang und erzeugt dadurch von Anfang an einen langsamen Erzählrhythmus.


Auch in der Folge dominieren Großaufnahmen, während der Hintergrund vielfach unscharf ist. Einerseits erzeugt die Debütantin dadurch ein Gefühl der Nähe und Intimität, andererseits wirken die Protagonist:innen dadurch aber auch eingesperrt und in ihrer Welt isoliert.


Verstärkt wird dieses Gefühl durch wiederholte Blicke durch Türrahmen und enge Gänge sowie die kleinen Zimmer in dem Massagesalon, den Didi mit ihrer Freundin Amy (Ke-Xi Wu) und zwei weiteren Exilchinesinnen in Queens, New York betreibt, und in dem sie auch lebt. Groß ist die Kluft zwischen diesem Leben und dem Traum der beiden Freundinnen von einem Restaurant am Strand bei Baltimore, auf den ein Foto in Didis Zimmer verweist.


Dazu kommen die körnigen Bilder des auf 16-mm-Film gedrehten Langfilmdebüts, die mit ihren gedämpften Farben und der Dominanz von Grau- und Blautönen die melancholische Stimmung steigern. Mehr als auf die Entwicklung einer dramatischen Handlung setzt die chinesisch-amerikanische Autorin, Regisseurin und Pädagogin, die sich von den Erfahrungen ihrer von China nach New York emigrierten Eltern inspirieren ließ, auf Atmosphäre und die genaue Beobachtung von Details und Alltäglichem.


Viel Zeit lässt sie sich so nicht nur für den Restaurantbesuch von Didi und Cheung, sondern auch für ein Abendessen der vier im Massagesalon lebenden Freundinnen, eine chinesische Neujahrsfeier oder die Handgriffe bei der sanften Massage der ausschließlich männlichen Kundschaft.


Doch der Alltag der Frauen ist bedrückend. Ein Schild "No Sexual Services" am Eingang des kleinen Massagesalons verweist darauf, dass sie wohl immer wieder darum gebeten oder dazu gedrängt werden, und wenn die männlichen Kunden zu wenig bezahlen, lässt man sie meist ohne großen Widerspruch ziehen. Rechte scheinen die Migrant:innen hier keine zu haben, verhalten sich lieber ruhig und unauffällig.


Auch das zarte Glück, das sich für Didi mit der Romanze mit Cheung entwickelt, wird durch einen tragischen Zwischenfall jäh abgewürgt. Aber auch der aus Taiwan stammende Cheung wird im Big Apple nicht heimisch. Immer wieder erinnern ihn Anrufe seiner ihm entfremdeten Ehefrau und der schon erwachsenen Tochter an die alte Heimat, die er aufgrund eines Konkurses verlassen hat. Nähe sucht er nun zu Amy, doch diese sucht nach einer neuen Orientierung in ihrem Leben.


Da mag "Blue Sun Palace" am Ende auch ans Meer führen, das in Filmen immer wieder Weite und Befreiung verspricht, und es wird auch eine Totale der brandenden Wellen geben, doch ganz am Schluss wird dann doch wieder die Großaufnahme eines nur vom Schein eines Feuerzeugs erhellten Gesichts stehen, die wieder Enge und Verlorenheit beschwört.


Getragen wird diese leise, aber dichte Evokation der Befindlichkeit von chinesischen Migrant:innen und ihrer tiefen Sehnsucht in der Fremde eine neue, auch emotionale Heimat zu finden neben der ebenso ruhigen wie genauen Inszenierung von Tsang von den wunderbar zurückhaltenden Hauptdarsteller:innen. In den langen Einstellungen wird ihnen viel Raum gelassen, um die Gefühle der Charaktere zu vermitteln. Spürbar macht so nicht nur Ke-Xi Wu die tiefe Sehnsucht Amys nach einem anderen Leben, sondern auch Kang-sheng Lee, der schon als Stammschauspieler Tsai Ming-Liangs immer wieder schweigsame einsame Männer spielte, macht Cheungs Einsamkeit, aber auch dessen Sehnsucht nach Nähe und einer Beziehung erfahrbar.


 

Blue Sun Palace

USA 2024 Regie: Constance Tsang mit: Ke-Xi Wu, Kang-sheng Lee, Haipeng Xu, Damien Brown, Lily Gao, Janet Hsieh Länge: 117 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.


Trailer zu "Blue Sun Palace"


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