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AutorenbildWalter Gasperi

Black Light – Panorama des Black Cinema des 20. Jahrhunderts


Killer of Sheep (Charles Burnett, 1977)

Die Retrospektive des heurigen Locarno Film Festivals bietet mit 38 Lang- und 7 Kurzfilmen einen Einblick in die Geschichte des afrikanischen Filmschaffens in den USA und Europa. Der Bogen spannt sich von den 1920er Jahren bis zur Jahrtausendwende und umfasst auch einige Filme weißer Regisseure. - Auszüge der Retrospektive werden im Herbst im Filmpodium Zürich und im Kino Rex in Bern zu sehen sein.


David Wark Griffith prägte 1915 mit seinem rassistischen „The Birth of a Nation“ das Bild des gewalttätigen Afroamerikaners. Weitgehend auf Verbrecher auf der einen Seite und auf fürsorgliche, aber nicht besonders intelligente Hausangestellte auf der anderen Seite waren Afroamerikaner in der Folge im Hollywood-Kino bis in die 1950er Jahre reduziert.


Für die Rolle einer solchen Haushälterin in „Gone With the Wind“ wurde Hattie McDaniel 1940 als erste Afroamerikanerin mit einem Oscar (für die beste Nebendarstellerin) ausgezeichnet, musste aber gleichwohl bei der Preisverleihung mit ihrem afroamerikanischen Begleiter an einem eigenen Tisch sitzen. Erst 24 Jahre später gewann mit Sidney Poitier (für seine Darstellung in „Lilies on the Field“) wieder ein Afroamerikaner einen Oscar – dieses Mal für die beste männliche Hauptrolle. Als beste Hauptdarstellerin wurde als erste Afroamerikanerin Halle Berry 2002 für „Monster´s Ball“ ausgezeichnet, der Regie-Oscar ging noch NIE an einen Afroamerikaner.


Abseits von Hollywood gab es aber schon in der Stummfilmzeit ein afroamerikanisches Filmschaffen. Pionier war hier Oscar Micheaux, der zwischen 1919 und 1944 bei 44 Spielfilmen Regie führte. Sein 1920 gedrehter „Within Our Gates“, der vermutlich der älteste erhaltene Film eines Afroamerikaners ist, entstand als Reaktion auf Griffiths „The Birth of a Nation“ und besticht immer noch in der „ungeschminkten Darstellung der alltäglichen Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen der schwarzen US-Bevölkerung“ (filmdienst.de). Gezeigt wurden diese Filme allerdings nicht in öffentlichen Kinos, sondern in segregierten Kirchen und Schulen.


Zehn Jahre später benutzte der Brite Kenneth MacPherson in dem in einer kleinen Grenzstadt spielenden „Borderline“ (1930) ein Eifersuchtsdrama zwischen einem schwarzen und einem weißen Paar, um explizit Fragen der sexuellen Identität und zwischenrassiger Beziehungen zu thematisieren. Der Franzose Jean Gremillon verhandelte dagegen in „Dainah la métisse“ (1931), von dem nur 51 Minuten erhalten sind, die Beziehungen zwischen Klassenverhältnissen und Rassismus.


Wie bei Micheauxs Filmen handelt es sich auch bei Spencer Williams´ „The Blood of Jesus“ (1941) um einen klassischen „Race Film“, der weitgehend innerhalb der afroamerikanischen Community spielt und die Diskriminierung der Schwarzen thematisiert. Im Mittelpunkt des für nur 5000 Dollar unabhängig gedrehten Films steht hier eine junge Afroamerikanerin, die im Koma träumt, dass sie vom Teufel verführt wird und in der sündigen Stadt vom rechten Weg abkommt.


In den 1950er Jahre begann auch das weiße Hollywood im Zuge des Militärdiensts vieler Afroamerikaner im Zweiten Weltkriegs und der Bürgerrechtsbewegung den Rassismus und die Diskriminierung der Afroamerikaner zu thematisieren. Joseph Mankiewicz prangerte in „No Way Out“ („Der Hass ist blind“, 1950) packend den Rassismus an und Stanley Kramer plädierte in „The Defiant Ones“ („Flucht in Ketten“, 1958) engagiert für den Abbau von Vorurteilen.


Zum Vorzeige-Afroamerikaner wurde Sidney Poitier, der als kultivierter Arzt („No Way Out“, „Guess Who’s Coming to Dinner“; Stanley Kramer, 1967) oder intelligenter Polizist ("In the Heat of the Night“; Norman Jewison, 1967) immer wieder seine weißen Gegenüber ihre rassistischen Vorbehalte überdenken lässt.


Der gesellschaftliche Aufbruch in den späten 1960er Jahren schlug sich auch nicht nur im afroamerikanischen Filmschaffen, sondern auch im afrikanischen Filmschaffen in Europa nieder. Während der Senegalese Ousmane Sembene in „La noire de…“ von einem afrikanischen Kindermädchen erzählte, das in Frankreich an der Demütigung durch die Arbeitgeberin zerbricht, und Jean Rouch in „Petit à petit“ (1970) durchaus mit Humor einen Afrikaner in Paris auf die westliche Großstadt-Zivilisation blicken ließ, entwickelte sich in den USA mit den „Blaxploitation“-Filmen erstmals auch ein kommerziell erfolgreiches afroamerikanisches Kino.


Initialzündung für diese Bewegung war Melvin Van Peebles unabhängig produzierter Sensationserfolg „Sweet Sweetback´s Baadasssss Song“ (1971). Anhand der Geschichte von Sweetback, der unschuldig in die Fänge der rassistischen Polizei gerät, bietet Van Peebles einerseits Einblick in das Leben der Schwarzen in einem US-Ghetto, ruft aber auch gleichzeitig zum Rassenkampf auf. Auch formal revoltiert Van Peebles mit Handkamera, Reißschwenks, Splitscreen und Farbverfremdungen gegen die Hollywood-Regeln, während die meisten anderen „Blaxploitation“-Filme sich dieser bedienten.


Diese meist billig produzierten Filme wollen unterhalten und bieten deshalb viel Gewalt und Sex, leben auch vom ausgiebigen Einsatz von Soul- und Funk-Musik, transportieren aber gleichzeitig emanzipatorische Themen. Sie vermitteln einen realistischen Einblick in die afroamerikanische Kultur, beschwören die Ursprünglichkeit und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Black Community und stellen coole schwarze Detektive und selbstbewusste abgebrühte Drogendealer in den Mittelpunkt. Beispiele dafür sind der Privatdetektiv John Shaft in Gordon Parks gleichnamigem Film (1971) oder ein Drogendealer in Gorndon Parks Jr. „Superfly“ (1972). Die schwarzen Männer sind hier wahre Sexprotze, die Weißen oft Bösewichte, schlaff und dumm.


Aber auch die stereotypen Geschlechterrollen wurden auf den Kopf gestellt und in Filmen wie „Coffy“ (Jack Hill, 1973), „Foxy Brown“ (Jack Hill, 1974) oder "Cleopatra Jones" (Jack Starrett, 1973) schlagkräftige Frauen präsentiert, die sich für Unrecht, das an ihnen begangen wurde, rächen.


Parallel zu dieser Mitte der 1970er Jahre schon wieder abebbenden Welle entwickelte sich die so genannte „L. A. School“, die sich nicht an Hollywood orientierte, sondern nach eigenen, mehr auf orale Traditionen ausgerichtete Erzählformen suchte. Wichtigste Vertreter dieser Bewegung waren Charles Burnett, der in dem schwarzweißen und auf grobkörnigem 16mm-film gedrehten „Killer of Sheep“ (1977) mit dokumentarischem Gestus den Alltag eines jungen Afroamerikaners, der in einem Schlachthaus arbeitet, schilderte und Julie Dash. Dash erzählte in ihrem um 1900 spielenden „Daughters of the Dust“ (1991) von einem Familienfest auf der Insel Ibo Landing, die im 17. und 18. Jahrhundert als Zwischenstation für Sklaven aus Afrika diente, arbeitete dabei aber statt mit einer durchgehenden Story mit einer nicht linearen, assoziativen Erzählweise.


Zur Galionsfigur des amerikanischen Black Cinema stieg aber in den 1980er Jahren Spike Lee auf. Schon mit seinem Debüt „She´s Gotta Have It“ (1986), in dem er formal frei von einer Afroamerikanerin erzählte, die zur Befriedigung ihrer Wünsche drei Liebhaber gleichzeitig benötigt, gelang ihm der Durchbruch. Rassenkonflikte thematisierte er erst im folgenden „Do the Right Thing“ (1989), widmete sich in der Folge bis zu „BlacKkKlansman“ (2018) immer wieder dem amerikanischen Rassismus, reüssierte aber auch mit Filmen abseits dieser Thematik wie „Summer of Sam“ (1999), „25th Hour“ (2002) oder „Inside Man“ (2006).


Die frühen Filme Lees können auch zur Welle der so genannten "Hood-Filme" der 1990er Jahre gezählt werden. An die Stelle des Funk und Soul der Blaxploitation-Filme trat hier Hip-Hop, statt mit Genremustern zu arbeiten fokussierten sie auf dem tristen Leben im Ghetto mit Arbeitslosigkeit, Drogen und alltäglicher Gewalt. Während das Blaxploitation-Kino starke Helden präsentierte, sind die Hood-Filme meist pessimistisch und erzählen vom Scheitern ihrer meist jugendlichen Protagonisten. Eine Ausnahme bildet hier John Singletons „Boyz n the Hood“ (1991), in dem parallel die Lebensgeschichte zweier Jugendlicher erzählt wird und Vernunft und Bildung als Ausweg aus dem Kreislauf von Gewalt präsentiert werden.


Trailer zu "Boyz n the Hood"



Quellen: Christen, Thomas, Black Cinema in the USA. In: Christen, Thomas / Blachet, Robert (Hg.), New Hollywood bis Dogma 95, S. 75 - 93, Schüren Verlag, Marburg, 2008

Hoffstadt, Stephan, Black Cinema. In: Reclams Sachlexikon des Films, S. 78-80, Reclam Verlag, Stuttgart, 2002

Schneider, Markus, Von Micheaux bis Lee - Vom Klischee über die soziale Anklage zum Mainstream, The Titte 04/10

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