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AutorenbildWalter Gasperi

Aufregend vielseitig: Der britische Regisseur John Boorman

Point Blank (John Boorman, 1967)

Die Filme John Boormans lassen sich auf keinen Nenner bringen, spannen sich vom Neo-Noir Point Blank" (1967) bis zum Ritterfilm "Excalibur" (1981) und vom Abenteuerfilm "Deliverance – Beim Sterben ist jeder der Erste" (1972) bis zur smarten Agentenkomödie "The Tailor of Panama" (2001). Das Österreichische Filmmuseum widmet dem 91-jährigen Briten bis 17. Oktober 2024 eine Retrospektive.


Seine Kindheit im London des Zweiten Weltkriegs verarbeitete der am 18. Januar 1933 nahe der englischen Hauptstadt geborene John Boorman 1987 in "Hope and Glory". In einer Mischung von Witz und Trauer, von Drama und Komödie erzählte er darin aus den Augen eines Zehnjährigen vom Überleben einer Familie während der deutschen Bombenangriffe.


Ganz andere Töne schlug Boorman, der 2022 von Queen Elizabeth zum Ritter geschlagen wurde, dagegen in seinem dritten Spielfilm "Hell in the Pacific" ("Die Hölle sind wir", 1968) an, in dem sich der Amerikaner Lee Marvin und der Japaner Toshiro Mifune als zwei auf einer unbewohnten Pazifikinsel gestrandete Soldaten heftige Auseinandersetzungen liefern, ehe sie doch die verinnerlichte Feindschaft überwinden und das gemeinsame Überleben in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen.


Wie hier spielen auch in anderen Filmen Boormans nicht nur der Konflikt zwischen Menschen, sondern auch das Verhältnis zur Natur und Zivilisationskritik eine zentrale Rolle. Ihre Männlichkeit beweisen wollen so vier Amerikaner in "Deliverance" ("Beim Sterben ist jeder der erste", 1972), indem sie mit Kanus einen wilden Fluss hinunterfahren, ehe dieser einem Staudamm zum Opfer gefällt. Doch bald sehen sie sich nicht nur Naturgefahren ausgesetzt, sondern auch von aggressiven Hinterwäldlern bedroht.


Zivilisationskritik übte der Brite aber auch mit "The Emerald Forest" ("Der Smaragdwald", 1985), in dessen Zentrum der sechsjährige Sohn eines Bauingenieurs steht, der auf mysteriöse Weise im brasilianischen Regenwald verschwindet und zehn Jahre bei den Indigenen aufwächst, ehe er wieder auf seinen Vater trifft.  


Das Interesse für mythisch-archaische Welten kennzeichnet aber auch Boormans grandiose Verfilmung der Artus-Sage in "Excalibur" (1981). Getragen werden diese Beschwörungen fantastischer Naturlandschaften dabei immer auch von der herausragenden Kameraarbeit von Alex Thomson bei "Excalibur", Philippe Rousselot bei "The Emerald Forest", Vilmos Zsigmond bei "Deliverance" und Conrad Hall bei "Hell in the Pacific".


Ganz anders sahen dagegen die filmischen Anfänge Boormans aus, der wie David Lean außerhalb jeder britischen Filmtradition steht und weder mit dem Free Cinema eines Tony Richardson und Karel Reisz noch dem Sozialrealismus eines Mike Leigh und Ken Loach etwas gemein hat.


Nach dem Besuch einer Jesuitenschule und einem Job als Filmkritiker für Film und Radio arbeitete er zunächst als Filmeditor und drehte dann Dokumentationen fürs BBC Bristol. Sein Spielfilmdebüt "Catch Us If You Can" ("Fangt uns, wenn ihr könnt!", 1965) gilt noch als Nachbau des Beatles-Films "A Hard Day´s Night" (1964) mit den Dave Clark Five, ehe ihm die Bekanntschaft mit Lee Marvin den Sprung nach Hollywood ermöglichte.


Mit Marvin als betrogenem Gangster, der Rache üben will, gelang Boorman mit "Point Blank" (1968) ein Prototyp des Neo Noir, in dem er kühn mit Zeit-Raumsprüngen experimentierte. Rückschläge blieben im Werk des Briten aber nicht aus. Eine in den frühen 1970er Jahren geplante Verfilmung von J.R.R. Tolkiens "Lord of the Rings" scheiterte aufgrund finanzieller Schwierigkeiten. Andererseits konnte Boorman auf die bei diesen Vorbereitungen gewonnenen Erfahrungen bei der Arbeit an "Excalibur" zurückgreifen.


Mit "Leo the Last" (1969) gewann Boorman zwar den Regiepreis in Cannes, doch beim Publikum floppte die Tragikomödie um einen von Marcello Mastroianni gespielten Aristokraten, der die Not der Armen beheben will. Aber auch die schrille Science-Fiction-Dystopie "Zardoz" (1974) verstörte mehr als Begeisterung hervorzurufen, belegt aber andererseits auch die Vielseitigkeit des Briten.


Hatte er das Angebot "The Exorcist" (William Friedkin, 1973) zu drehen noch ausgeschlagen, so nahm er beim Sequel "Exorcist II: The Heretic" (1977) an, doch der Erfolg blieb aus. Stärker von seiner gesellschaftskritischen und politischen Seite zeigte er sich dann in den späten 1980er und den 1990er Jahren mit der Satire "Where the Heart Is" ("Die Zeit der bunten Vögel", 1989), in dem er ironisch den Kapitalismus kritisiert, und im Thriller "Beyond Rangoon" (1995), in dem Boorman aus der Perspektive einer amerikanischen Ärztin von der totalitären Diktatur in Myanmar und dem Volksaufstand von 1988 erzählt.


Auf einen Gangster und Volkshelden Irlands, wo Boorman seit 1969 lebt, fokussierte er dagegen mit dem Biopic "The General" (1998), in dem in großartigen Schwarzweißbildern Aufstieg und Fall Martin Cahills (1949 – 1994) nachgezeichnet wird.


Leichtere Töne schlug er wieder mit der Agentenkomödie "The Tailor of Panama" (2001) an, in dem Pierce Brosnan auch lustvoll sein James Bond-Image persiflieren konnte, während er in "In My Country" (2003) auf die Arbeit der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission nach Ende des Apartheid-Regimes blickt.


Nach Irland kehrte er mit "The Tiger´s Tail" (2006) zurück. Darin übt er anhand der Geschichte eines erfolgreichen Bauunternehmers, dessen Position und Identität durch die Begegnung mit einem unheimlichen Doppelgänger sukzessive zerbröckelt, Kritik an einer kapitalistisch-egoistischen Gesellschaft und der sich verschärfenden Kluft zwischen Reich und Arm.


Nochmals an seinen größten Erfolg "Hope and Glory" knüpfte er dagegen mit seinem letzten Film "Queen and Country" (2014), in dem er die Geschichte der Familie seines autobiographischen Meisterwerls von der Kriegszeit in die 1950er Jahre weitererzählt.



Weitere Informationen zur Retrospektive im Österreichischen Filmmuseum finden Sie hier.



Trailer zu "Excalibur"





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