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  • AutorenbildWalter Gasperi

Auerhaus


1983 ziehen vier Jugendliche in ein leerstehendes Haus in der Schwäbischen Provinz. – Mit großer Empathie für die stark gespielten Protagonisten und viel Gespür für die Stimmung dieser Zeit hat Neele Leana Vollmar Bov Bjergs 2015 erschienenen Bestseller verfilmt.


Mit Voice-over führt der Gymnasiast Höppner (Damian Hardung) in den Film ein und stellt begleitet von Bildern von Dorfladen, Pizzeria, Eisdiele, Kirche mit Friedhof, Gymnasium, das bezeichnenderweise nicht nach Albert Einstein oder einer anderen Berühmtheit benannt ist, sondern nur „Am Stadtrand“ heißt, und der Psychiatrischen Klinik Schwarzes Holz sein Heimatdorf vor. Aus jedem Bild spricht Ereignislosigkeit, Langeweile und eine Tristesse, die durch die kalte Winterstimmung noch verstärkt wird.


Kein Ort zum Bleiben ist das, sondern miefige Provinz, aus der man nur fliehen kann. Aber noch gehen Höppner (Damian Hardung), seine Freundin Vera (Luna Wedler), der Bauernsohn Frieder (Max von der Groeben) und die Geige spielende Streberin Cäcilia (Devrim Lingnau) aufs Gymnasium. Während Höppner plant dem Wehrdienst durch Flucht nach Berlin zu entkommen, begeht der unter Depressionen leidende Frieder einen Selbstmordversuch.


Nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie ziehen die vier Jugendlichen zusammen in das leerstehende Haus von Friders Großvater, um wenigstens etwas Freiraum zu haben. Dazu kommt bald noch die Pyromanin Pauline (Ada Philine Stappenbeck) und der Elektrikerlehrling Harry (Sven Schelker). – Eine ungleiche WG ist das, bald beginnt es auch in der Beziehung zwischen Höppner und Vera zu kriseln, während Cäcilia, die überhaupt nicht in diese Gruppe passt, sich für Höppner zu interessieren beginnt, bei Frider wiederum jederzeit ein weiterer Selbstmordversuch zu befürchten ist.


Nichts Spektakuläres passiert, Höhepunkte sind es schon, wenn Frider Höppner zeigt, wie man im Dorfladen unbemerkt Lebensmittel klaut oder den Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz, den sein Vater gespendet hat, umsägt. Lakonisch erzählt Vollmar, beschränkt sich darauf genau zu beobachten, drängt dem Zuschauer nichts auf.


Das Milieu und die Atmosphäre der Zeit beschwört sie mit gedeckten Farben, viel Musik aus dieser Zeit, ohne zu sehr auf abgegriffene Hits zu setzen, dem Laden, Schlaghosen, Frisuren und Tapeten bis hin zu Fahndungspostern von RAF-Terroristen, Plakaten von „Die Grünen“ oder zu „Atomkraft – Nein Danke“ sowie einer kurzen TV-Nachricht über den Nato-Doppelbeschluss ungemein überzeugend, gleichwohl nie aufdringlich. Tief kann der Zuschauer so in diese Zeit eintauchen, aus diesem Hintergrund heraus entwickelt Vollmar das Porträt dieser Jugend.


„Auerhaus“, dessen Titel eine Verballhornung des 80er Jahre Hits „Our House“ ist, überwältigt den Zuschauer nicht, schleicht sich aber langsam in sein Herz ein und bleibt dann umso stärker haften. Das liegt freilich auch an den großartigen jungen Schauspielern und Vollmars empathischem Blick auf sie.


Das sind eben keine coolen Typen, sondern sehr fragile und unsichere Teenager, die noch nicht so genau wissen, wie es weiter gehen soll. Da wollen sich weder Höppner noch Vera auf ihre Beziehung festlegen, sondern sie lässt sich lieber auch mal mit einem anderen ein, Cäcilia wiederum ist letztlich doch das anstehende Studium wichtiger als diese kleine, vielleicht auch nur vermeintliche Freiheit in dieser WG und Pauline und Frider scheinen nur die verordneten Tabletten vom Rückfall in Pyromanie und Suizidversuch abzuhalten.


An Witz fehlt es in „Auerhaus“ nicht, aber zunehmend macht sich doch eine Stimmung der Traurigkeit und der Melancholie breit. Kein nostalgischer Film über die 1980er Jahre ist das, sondern ein in dieser Zeit bestechend verankertes, aber zeitloses, sehr einfühlsames leises Drama über das schwierige Ende der Jugend, an dessen Ende nicht für alle ein Aufbruch in eine neue Lebensphase stehen wird.


Läuft derzeit im Cinema Dornbirn


Trailer zu "Auerhaus"



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