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  • AutorenbildWalter Gasperi

Wald


Inspiriert von Doris Knechts Roman "Wald" erzählt Elisabeth Scharang von einer Journalistin, die nach einem traumatischen Erlebnis in ihr Heimatdorf in der niederösterreichischen Provinz zurückkehrt: Stark gespielt und atmosphärisch dicht gefilmt von Jörg Widmer leidet der Film an Klischees und inhaltlicher Zerrissenheit.


Wohlgemerkt nur "inspiriert" von Doris Knechts gleichnamigem Roman ist Elisabeth Scharangs Spielfilm. Gemeinsam sind Film und Roman der Rückzug einer Frau in ein abgelegenes Haus. Auslöser dafür ist im Film ein Terroranschlag, der zwar anonymisiert wird, sich aber unübersehbar an der Bluttat vom 2. November 2020 in Wien orientiert.


Traumatisiert von diesem Ereignis, das erst später in einem kurzen Flaschback fragmentarisch angeschnitten wird, kehrt die Journalistin Marian (Brigitte Hobmeier) von Wien in die niederösterreichische Provinz zurück, in der sie aufgewachsen ist. Eindrücklich vermittelt Scharang mit Wechsel von Zug zu Autostoppen und Fußweg, wie lang dieser Weg ist, der auch ein Weg zurück in die Jugend und damit zu den Wurzeln ist.


Dicht evoziert Kameramann Jörg Widmer auch die herbstliche Stimmung der ländlichen Landschaft mit See, Wald und halbverfallenem Haus der Mutter und Großeltern. Wenn Marian in der Abgeschiedenheit zu sich finden will, erinnert das an die Abgeschlossenheit des Schauplatzes in Julian Pölslers Verfilmung von Marlene Haushofers Roman "Die Wand".


Stark ist "Wald" dabei in der Schilderung dieser Zurückgezogenheit im weitgehend visuellen Erzählen und dem Verzicht auf Dialoge. Doch sehr klischeehaft wird es, wenn Marian ins Dorfgasthaus geht oder auf ihre Jugendfreunde Gerti (Gerti Drassl) und Franz (Johannes Krisch) trifft. Da stößt sie einerseits mit einem bärtigen Macho-Bauern zusammen, der sie provoziert, andererseits auf ihre Jugendfreundin, die immer unter ihrem gewalttätigen Vater gelitten hat, dennoch das Dorf nie verlassen hat und sich nun um ihre alten Eltern kümmert.


Bis in Einstellungen hinein scheint Scharang auch Götz Spielmanns "Revanche" zu zitieren, der auch von einer Bewegung von der Stadt aufs Land erzählt, aber eine ganz andere Intensität entwickelt. Scharang verliert sich dagegen in einer wenig fokussierten Erzählweise.


Denn das Trauma des Anschlags verliert rasch an Gewicht und die seit ihrer Abreise vor Jahren gestörte Beziehung zu ihren einstigen Bekannten tritt ins Zentrum. Feindseligkeiten brechen durch, doch selbstverständlich wird es auch zur Lösung der Spannungen kommen. – Kitsch trieft dabei, wenn nach der Vermittlung des frostigen Klimas durch die verschneite Landschaft zur Lösung der Probleme das Eis taut.


Nicht genug damit muss Scharang im Finale aber selbstverständlich auch wieder den Bogen zu Marians Trauma schlagen, das sich auch zu lösen scheint. – Wie die Konfliktlösung mit den Jugendfreunden kommt aber auch diese Traumabewältigung so abrupt und überraschend, dass sie reine Behauptung bleibt und nie nachvollziehbar wird.


Vorwerfen kann man das Scheitern des Films dabei weder Kameramann Jörg Widmer noch den Schauspieler:innen. Mit großem Einsatz spielt Brigitte Hobmeier Marian, noch beeindruckender ist Gerti Drassl, die die Verbitterung Gertis über ein ungelebtes Leben eindrücklich erfahrbar macht, und gewohnt souverän agiert Johannes Krisch als Franz.


Doch schwer trägt der Film an Scharangs Drehbuch mit seinen Klischees von einer männlich dominierten, rauen Provinz, in der man selbstverständlich immer wieder zum Schnaps greift, und dem Aufwärmen einer schon x-mal thematisierten Rückkehr ins Heimatdorf. Wo Understatement wichtig wäre, strebt hier jedes Bild nach Bedeutung und statt organisch wirkt die Handlungsentwicklung immer wieder gezwungen und verkrampft. Plump wirkt auch, wie der Gegensatz zwischen Marian und Dorf aufgebaut wird, wenn der einfachen Landbevölkerung die mit schickem Mantel und Rollkoffer durch die Gegend stapfende Städterin gegenübergestellt wird.


So mag man "Wald" dank seiner schauspielerischen und visuell-atmosphärischen Qualitäten durchaus eine gewisse Zeit gespannt folgen, doch je mehr Handlung Scharang hineinpresst und die Konflikte zu lösen beginnt, desto zäher wird dieses Drama. Kein Ende will dieser Film finden, bis wirklich alles gelöst und die Welt wieder heil ist.



Wald Österreich 2023 Regie: Elisabeth Scharang mit: Brigitte Hobmeier, Gerti Drassl, Bogdan Dumitrache, Johannes Krisch Länge: 109 min.



Spielboden Dornbirn: Fr 8.12. + Sa 16.12. - jeweils 19.30 Uhr


Trailer zu "Wald"


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