top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

69. Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg: Starkes Streaming-Angebot


Alles war für die 69. Auflage des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg (12.11. – 18.11. 2020) vorbereitet, doch aufgrund des Teil-Lockdowns, ist eine physische Ausgabe nicht möglich. Ein Großteil des vielversprechenden Programms kann aber vom 12. bis 22.11. - zumindest innerhalb Deutschlands - gestreamt werden. - Eine Vorschau.


27 Jahre – von 1992 bis 2019 – leitete Michael Kötz das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg, nun präsentiert sich die renommierte Veranstaltung nicht nur mit einem neuen Team um Sascha Keilholz und neuem Internetauftritt, sondern auch hinsichtlich des Programms werden neue Akzente gesetzt.


Corona-bedingt muss das Präsenzfestival entfallen, doch während der elf Festivaltage (12. - 22.11.) kann ein Großteil des Programms auf expanded.iffmh.de - hier sind auch die Tickets erhältlich - gestreamt werden. Vielfalt verspricht schon der Umstand, dass Filme aus 86 Ländern eingereicht wurden, 14 davon, die Hälfte von Regisseurinnen, konkurrieren im Wettbewerb "On the Rise" um den mit 25.000 Euro dotierten International Newcomer Award für die beste Regie und den mit 10.000 Euro dotierten Rainer Werner Fassbinder Award für das beste Drehbuch.


Nur erste bis dritte Regiearbeiten sind für diese Sektion zugelassen, dennoch finden sich hier Filme, die schon auf anderen Festivals auf große Beachtung stießen. Begeistert aufgenommen wurde beispielsweise in Venedig der indische Musikerfilm "The Disciple", abgeräumt bei der Preisverleihung beim Filmfestival von San Sebastian hat dagegen Dea Kulumbegashvilis Langfilmdebüt "Beginning".


Gespannt sein darf man auch auf "My Mexican Bretzel", in dem die Spanierin Nuria Giménez Lorang mit einer Mischung von Archivmaterial und Tagebuch-Zitaten die Geschichte eines Paares erzählt. Der Texaner Cooper Raiff spielt dagegen in seinem Regiedebüt "Shithouse" souverän mit Klischees und den Konventionen der College-Komödie. Beide Filme empfehlen sich auch durch die Auszeichnungen bei renommierten Festivals wie Rotterdam bzw. dem South by Southwest Film Festival in Austin, Texas.


Der Iraner Abbas Amini stellt mit "The Slaughterhouse" einen Thriller vor, der auf die Schattenseiten der iranischen Gesellschaft blickt, die Brüder Gianluca und Massimiliano De Serio knüpfen dagegen mit ihrer Schilderung der Landwirtschaft Süditaliens in "Una Promessa" an den Neorealismus an. Einen satirischen Blick auf die türkische Lokalpolitik bietet Ercan Kesal mit seinem Debüt "You Know Him", während die Chinesin Zhang Qi in "Single Cycle" eine Geistergeschichte entwickelt.


Mit Igor Polevichkos "Get It Right" feiert in diesem Rahmen ein Panorama der russischen Gesellschaft ebenso Deutschlandpremiere wie mit Diana Montenegro Garcias "Longing Souls" ein Spielfilm über das Leben als Frau in Kolumbien. Auch eine Weltpremiere fehlt in diesem Wettbewerb mit Saskia und Ralf Walkers von der Improvisation lebendem Spielfilm "Der Siebzehnte" ("Come Closer") nicht. Außer Konkurrenz läuft "This is not a Burial, it´s a Resurrection", in dem der aus Lesotho stammende Lemohang Jeremiah Mosese eine moderne Legende aus dem Süden Afrikas erzählt.


Grenzen gesprengt werden sollen mit der Sektion "Pushing the Boundaries", in der auch Filme von renommierten Regisseuren nicht fehlen. Thomas Vinterberg ist hier mit "Another Round / Druk" vertreten, in dem der Däne von einem Alkoholexperiment von vier Lehrern erzählt. Fréderic Wiseman, der Großmeister des Direct Cinema, durchleuchtet dagegen in seinem fast fünfstündigen "City Hall" moderne Stadtpolitik und –verwaltung am Beispiel von Boston, während der Koreaner Hong Sangsoo mit dem bei der Berlinale preisgekrönten "The Woman Who Ran" einen weiteren täuschend einfachen und doch großartig gesponnenen Frauenfilm vorlegt.


Aber auch auf neue Filme vom Philippino Lav Diaz, der sich in "Genus, Pan" ein weiteres Mal mit den Mythen und der Geschichte seines Heimatlandes beschäftigt, und vom Belgier Lucas Belvaux, in dessen "Home Front" bei einer Geburtstagsfeier Erinnerungn an den Algerienkrieg hervorbrechen, darf man sich freuen.


Neben diesen Meistern fehlen aber auch spannende, noch unbekannte FilmemacherInnen nicht. So präsentiert die Mexikanerin Yulene Olaizola mit ihrem im tropischen Regenwald angesiedelten "Tragic Jungle" ("Selva Tragica") laut Programmheft eine Meditation über Begehren, Angst und Besitz. Ihr Landsmann Nicolás Pereda porträtiert dagegen in "Fauna" mit Situationskomik die soziale Lage in Mexiko.


Aber auch für junge Filmfans wird mit einem Kinderfilmfest einiges geboten. Auf Disney und Co. kann Mannheim-Heidelberg dabei freilich getrost verzichten und zeigt stattdessen den französischen Animationsfilm "Marona´s Fantastic Tale", in dem eine Mischlingshündin auf ihr Leben zurückblickt, oder entführt mit Pawo Choyning Dorjis "Lunana: A Yak in the Classroom" nach Bhutan. Neben neuen Filmen wird aber auch die Möglichkeit geboten, Klassiker wie Hark Bohms "Nordsee ist Mordsee" oder Jacques Doillons "Ponette" zu entdecken oder wieder zu sehen.


Ganz im Zeichen von Klassischem steht schließlich die Retrospektive, die sich unter dem Titel "Le deuxième Souffle" dem französischen Kino von 1968 und der folgenden Jahre widmet. Die Debüts von Maurice Pialat und Nelly Kaplan finden sich unter dem Dutzend Filme dieser Sektion ebenso wie mit "La maman et la putain" und "Jeanne Dielman" legendäre Werke von Jean Eustache und Chantal Akerman.


Weitere Informationen finden sie auf der Homepage des Festivals.

bottom of page