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  • AutorenbildWalter Gasperi

A Quiet Passion


In ruhigen Bildern zeichnet der Brite Terence Davies das Leben der amerikanischen Dichterin Emily Dickinson (1830 – 1886) nach. Bei Studio Hamburg Enterprises ist das konzentrierte Biopic, das auch Dickinsons Gedichten viel Raum lässt, auf DVD erschienen.


Mit spröden, aber intensiven Filmen wie den autobiographischen "The Terence Davies Trilogy" (1983) und "Distant Voices, Sill Lives" (1988) oder der Edith Warthon-Verfilmung "The House of Mirth" (2000) erwarb sich der 1945 geborene Terence Davies trotz seines schmalen Werks den Ruf eines der bedeutendste Regisseure nicht nur des britischen Kinos. Sein strenger Stil erinnert an die Filme von Robert Bresson oder Jean-Marie Straub / Danièle Huillet und auch in seinem Biopic über die amerikanische Dichterin Emily Dickinson (1930 - 1886) verzichtet Davies auf alles Überflüssige.


Schon in den ersten statischen Einstellungen stellt er das Streben nach Unabhängigkeit der 17-Jährigen Emily der Gesellschaft gegenüber. Isoliert steht sie am Mount Holyoke Female Seminary zwischen zwei Gruppen von Mitschülerinnen. Während die eine Gruppe glaubt, Gott gefunden zu haben, die andere hofft noch zu ihm zu finden, zeigt sie wenig Interesse daran und stellt ihre Individualität in den Mittelpunkt. Unerträglich ist ihr die Schule und bald wird sie von ihrem Vater und ihren Geschwistern abgeholt.


Schon bei einem Konzert in der Oper in Boston werden ihr Interesse für Kunst, aber auch ihr Scharfsinn und ihr unabhängiges Denken sichtbar. Nur diese Szene und die einleitende Schulszene spielen außerhalb des Anwesens der Familie Dickinson, danach wird man sie nur noch im Landhaus bei Amherst, Massachusetts und hin und wieder im Garten sehen.


Abgesehen von einer kurzen Tanzszene verzichtet Davies auch ganz auf Ballszenen, die sonst für die in dieser Zeit und in diesem Milieu spielenden Kostümfilme typisch sind. Scharfsinnige und durchaus auch von Witz durchzogene, an Jane Austen-Verfilmungen erinnernde Dialoge mit ihrem Vater, ihrer Schwester, einer ebenfalls liberal denkenden Bekannten oder ihrer Schwägerin stehen im Zentrum. Zunehmend bissiger und bitterer, auch immer wieder verletzend werden diese Wortgefechte aber, als die Eltern sterben, sie eine Affäre ihres verheirateten Bruders erzürnt und sie schwer an einem Nierenleiden erkrankt, an dem sie schließlich am 15. Mai 1886 im Alter von 56 Jahren stirbt.


In ruhigen, perfekt kadrierten Einstellungen, in denen jede Kamerabewegung wohlüberlegt ist und einen deutlichen Akzent setzt, spannt Davies den Bogen von etwa 1847 bis zum Tod Dickinsons. Unaufgeregt deckt er die patriarchalen Strukturen auf, durch die die Frauen in ein enges Korsett gezwängt werden und ihnen jede künstlerische Fähigkeit abgesprochen wird.


Nur sieben ihrer 1775 Gedichte werden so zu ihrer Lebenszeit veröffentlicht, diese zudem anonym, da Frauen als Dichterinnen nicht akzeptiert wurden. Zudem ändert der Herausgeber zur heftigen Empörung Emilys, ohne sie zu fragen, die Interpunktion. Neben einem verheirateten Pastor, zu dem Emily auch tiefere Gefühle hegt, erkennt einzig ein jüngerer Mann deren Qualität, doch sie zeigt sich diesem Bewunderer, als er sie besucht, nicht und vertreibt ihn mit bissigen Kommentaren.


Kaum einmal zeigt Davies seine Protagonistin beim Schreiben, für das sie wegen der Ruhe vor allem die Nacht nutzte, lässt ihre Gedichte aber immer wieder aus dem Off einsprechen. Raum erhält so die Poesie, in der sich Gefühle und Gedanken der Dichterin spiegeln. Gleichzeitig macht speziell die Einbettung des Amerikanischen Bürgerkriegs den minimalistischen Ansatz von "A Quiet Passion" deutlich: Auf Schlachtszenen verzichtet Davies nämlich und blendet nur mehrere Fotos von Schlachtfeldern wie Gettysburg ein, bei denen Inserts an die Zahl der Gefallenen erinnern.


Ein wunderbar kontrollierter und beherrschter Film, dessen Erzählrhythmus perfekt mit dem stillen und zurückgezogenen Leben der von "Sex of the City"-Star Cynthia Nixon großartig gespielten Protagonistin korrespondiert, ist Davies so gelungen. Zweifellos Geduld verlangt dieses Biopic damit vom Zuschauer, entwickelt aber durch seine Konzentriertheit zunehmend bewegende emotionale Kraft.


An Sprachversionen verfügt die bei Studio Hamburg Enterprises erschienene DVD über die englische Original- und die deutsche Synchronfassung, aber leider über keine Untertitel. Extras gibt es keine.


Trailer zu "A Quiet Passion"




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