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  • AutorenbildWalter Gasperi

The Happiest Man in the World


Asja sucht die Liebe bei einem Speed-Dating, doch die Begegnung mit Zoran macht bewusst, wie präsent in Sarajevo die Folgen des Krieges immer noch sind: Mit starken Schauspieler:innen, virtuoser Kameraarbeit von Virginie Saint Martin und kompakter Inszenierung gelang Teona Strugar Mitevska ein dichtes Drama über Trauma, marternde Schuldgefühle und die Sehnsucht nach Vergebung.


Mit "God Exists, Her Name is Petrunya" gelang Teona Strugar Mitevska vor vier Jahren ein Film, der nicht nur bei der Berlinale gefeiert wurde, sondern auch in den Arthouse-Kinos reüssierte. Bissig rechnete die Nordmazedonierin darin mit der patriarchalen Gesellschaft ihrer Heimat und der Macht der orthodoxen Kirche ab.


Schauplatz ihres neuen Films ist Sarajevo, in dem Einschusslöcher an einer Hausfassade signalisieren, dass die Folgen des Krieges auch mehr als zwei Jahrzehnte nach Kriegsende noch präsent sind – freilich nicht nur die materiellen Folgen, sondern auch die psychischen, wie sich bald zeigen wird.


Hautnah folgt die sehr bewegliche Handkamera von Virginie Saint Martin der gut 40-jährigen Juristin Asja (Jelena Kordić Kuret) zu einem Businesshotel, in dem sie an einem Speed-Dating teilnehmen will. Schon vorher hat sie per Internet mit dem etwa gleich alten Zoran (Adnan Omerović,) vereinbart, dass sie gemeinsam an einem Tisch sitzen wollen.


Zwei Frauen im Leopardenkleid leiten die Partnervermittlungs-Veranstaltung. Sie führen die Teilnehmer:innen in ein Konferenzzimmer des hässlichen Betonklotzes. Hier soll das Dating stattfinden, zu dem mit etwas Verspätung auch Zoran eintrifft.


Im Hintergrund bleiben die anderen Teilnehmer:innen wie eine verwitwete Frau mittleren Alters, eine Muslima mit Schleier, eine Frau mit Hündchen oder eine jüngere Frau, die offen erklärt, dass es für sie vor allem um Sex geht. Wirkliches Profil gewinnen diese Nebenfiguren kaum, tragen aber nicht unwesentlich zum stimmigen Gesamtbild bei.


Mit einfachen Fragen zur Lieblingsfarbe und zur bevorzugten Tages- und Jahreszeit beginnt das Speed-Dating, doch bald kommt auch die Einstellung zu anderen Ethnien und Religionen oder zu Homosexualität dazu. Rasch wird spürbar, dass den verheirateten Zoran nicht die Sehnsucht nach Liebe, sondern schwere Schuldgefühle zur Teilnahme an dieser Veranstaltung bewegten.


Erzählt er zunächst von wiederholten Selbstmordgedanken, wird er Asja bald auch nach einer Kriegsverletzung und dem Datum des Vorfalls befragen und sich selbst als Schütze zu erkennen geben, der als 16-jähriger von den serbischen Truppen eingezogen wurde.


In hartem Schuss-Gegenschuss-Verfahren lässt Mitevska in Großaufnahmen die Gesichter der beiden am Tisch sitzenden Menschen aufeinanderprallen. In Detailaufnahmen der Augenpartie wird Asjas zunehmende Verstörung und auch Wut spürbar und bald lösen die Schilderungen Zorans auch kurze Flashbacks an die traumatische Kriegszeit aus.


So statisch in diesen Szenen die Kamera ist, so bewegt ist sie danach wieder bei einem Ballspiel oder bei einem Tanz. Wie in dieser visuellen Gestaltung, die trotz der räumlichen Beschränkung nie das Gefühl eines Theaterfilms aufkommen lässt, Gegensätze aufeinanderprallen, so durchziehen diese den Film auch auf der inhaltlichen Ebene. Denn einerseits verspricht die Veranstaltung schon mit ihrem Titel "Liebesglück", andererseits brechen hier Kriegstraumata durch, und ein harmonischer Tanz wird von heftigen Konfrontationen zwischen Asja und Zoran kontrastiert.


Bestechend aufgebaut ist das Drehbuch von Mitevska und Elma Tataragić, die eigene Erfahrungen verarbeitete. Kompakt wird die Handlung vorangetrieben. Dichte entwickelt "The Happiest Man in the World", dessen Titel pure Ironie ist, aber auch durch die konsequente Einhaltung der klassischen Einheiten von Zeit und Ort. Denn ganz auf diesen einen Tag des Speed-Datings und das Businesshotel als Schauplatz beschränkt sich Mitevska. Gleichzeitig weitet sich mit dem Blick von der Terrasse auf den riesigen Kriegsfriedhof von Sarajevo wieder die Perspektive und macht bewusst, dass hier am Einzelschicksal von den traumatischen Erfahrungen vieler Bewohner:innen der Hauptstadt Bosniens-Herzegowinas erzählt wird.


Mitevskas zentrales Kapital sind aber schließlich ihre beiden Hauptdarsteller:innen. Mit spürbarer Leidenschaft spielen Jelena Kordić Kuret und Adnan Omerović. Sie vermitteln die psychische Verfassung Asjas und Zorans dadurch so intensiv, dass man 90 Minuten gespannt verfolgt, wie sie sich aneinander reiben, verzweifelt bekämpfen, sich aber auch einander nähern.

The Happiest Man in the World Nordmazedonien / Dänemark/ Belgien / Slowenien / Kroatien / Bosnien und Herzegowina 2022 Regie: Teona Strugar Mitevska mit: Jelena Kordić Kuret, Adnan Omerović, Labina Mitevska, Ana Kostovska, Ksenija Marinković, Izudin Bajrović Länge: 95 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos - ab 30.3. im Skino Schaan und ab 2.4. im Kinok St. Gallen.


Trailer zu "The Happiest Man in the World"



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