Anlässlich der Berlinale-Retrospektive, die schon für 2021 geplant war, aber erst heuer stattfinden kann, ist beim Münchner Verlag edition text + kritik schon vor einem Jahr eine Publikation erschienen, in der Rainer Rother in drei Essays die drei "leading comedians" Mae West, Rosalind Russell und Carole Lombard porträtiert.
Geschickt spielt schon das Cover des von der Deutschen Kinemathek herausgegebenen Buches mit zentralen Aspekten von Rainer Rothers Ausführungen. Wenn hier die Gesichter der drei Schauspielerinnen zu einem verschmolzen werden, dennoch jede in den drei Puzzleteilen ihre Individualität bewahrt, verweist dies einerseits auf das Verbindende, erinnert andererseits aber auch an Unterschiede.
Gemeinsam war Mae West, Rosalind Russell und Carole Lombard, dass sie große Komödiantinnen der Screwball-Komödie waren. Ganz auf die Zeit von 1932 bis zum frühen Tod Lombards durch einen Flugzeugabsturz 1943 konzentrieren sich so die Retrospektive und die Publikation. Drastisch eingeschränkt wurde die Freizügigkeit zwar ab 1934 durch den Hays Code, dennoch gelang es West, Russell und Lombard ihre Rollen selbst zu gestalten, sich gegen das Studiosystem zu behaupten und die Zensur zu unterwandern.
Differenziert arbeitet Rainer Rother in drei Essays die markanten Unterschiede, aber auch das Verbindende dieser drei Schauspielerinnen heraus. Nah bleibt der Autor dabei immer an den Filmen, entwickelt seine Darstellung aus detaillierten Filmbeschreibungen heraus. Gemeinsam sind dem Trio das Spiel mit Klischees und Geschlechterrollen sowie die Behauptung der Selbstständigkeit, ganz unterschiedlich gehen sie dabei aber vor.
Ein Unterschied liegt schon darin, dass Wests Filme meist in den 1890er Jahren spielen, die von Russell und Lombard dagegen in der Gegenwart der 1930er Jahre. West verkörperte dabei immer wieder den von Männern umworbenen Star, der mit offensivem Auftreten, für das das Wackeln der Hüften zentral war, die Blicke der Männer auf sich lenkte und diese mit scharfzüngigen One-Linern provozierte. Nie schlüpfte sie in andere Rollen, sondern inszenierte immer sich selbst und erfuhr mit der Zurschaustellung ihres Körpers vielfältige Rezeption von Salvador Dali bis zum Plattencover von "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" der Beatles.
Im Gegensatz dazu verkörperte Rosalind Russell, die sich ihre komödiantische Rolle in George Cukors "The Women" erkämpfen musste, stets die selbstbewusste Geschäftsfrau. Wie sie mit ihren Auftritten den Raum beherrschte und mit ihrem Blick arbeitete, arbeitet Rother ebenso heraus wie die körperliche Komik, mit der sie in der Nachfolge der Stummfilmkomiker steht. Zentral für die Rollen Russells, die immer wieder Journalistinnen spielte, ist die Selbstbehauptung in einer Männerwelt. Sie übernimmt männliche Verhaltensmuster und verbindet den Anspruch auf Selbstständigkeit mit Partnerschaft.
Während Russell für die selbstständige berufstätige Frau steht, strahlte Carole Lombard immer Eleganz aus, gab sich sehr sophisticated und stellte ihr Spielen immer wieder aus. Während West sich meist in geschlossener Kleidung und Pelzen präsentierte, wirken Lombards Figuren mit Negligé und Kleidern mit tief eingeschnittenem Rücken förmlich ausgepackt. Und im Gegensatz zum Beruf bei Russell steht bei ihr der Traum vom großen Reichtum im Zentrum, der sich in diesen klassischen Depressionskomödien nie ganz erfüllt.
Durchgängig zeigt Rother dabei auch auf, wie diese drei "leading comedians" mit Klischees spielten und sie auch brachen und weckt mit seinen detailreichen Filmbeschreibungen auch große Lust, diese teilweise wenig bekannten Filme zu entdecken.
Rainer Rother, No Angels: Mae West, Rosalind Russell, Carole Lombard, deutsch / englisch, Edition text + kritik, München 2021. 164 S., € 15, ISBN 978-3-96707-504-5
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