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  • AutorenbildWalter Gasperi

Der unverhoffte Charme des Geldes - The Fall of the American Empire


Was macht ein sozial eingestellter Kapitalismuskritiker, wenn ihm plötzlich zwei Taschen voll Geld in die Hände fallen? – Leichthändig mischt der Frankokanadier Denys Arcand Heist-Movie, Komödie und bissige Gesellschaftskritik zu einem hinreißenden Kinostück.


Schon vor 33 Jahren hat Denys Arcand in „Der Untergang des amerikanischen Imperiums“ den Zerfall der Werte in der westlichen Wohlstandsgesellschaft bissig kritisiert. Ging es dort vor allem um Sex und Liebe, so wurden 2003 in dem mit dem Oscar ausgezeichneten „Die Invasion der Barbaren“ ausgehend vom Sterben eines Protagonisten die gesellschaftlichen Verhältnisse kommentiert. Nun fokussiert Arcand auf der Rolle des Geldes in unserer Gesellschaft und rechnet mit Gier und Egoismus ab.


Im Mittelpunkt steht Pierre-Paul (Alexandre Landry). Der Mittdreißiger hat einen Doktor in Philosophie, arbeitet aber lieber als Kurier für einen Paketdienst. Mehr verdient er bei diesem Job als ein Lehrer, Karriere können seiner Meinung nach sowieso nur dumme und hinterhältige Menschen machen, intelligente und moralisch integre Leute können dagegen die Lügen des Kapitalismus nicht überzeugend vertreten und scheitern deshalb.


Statt nach oben schaut er nach unten, geht an keinem Obdachlosen vorbei, ohne ein paar Cent in deren Becher zu werfen und arbeitet ehrenamtlich bei einer Organisation für Bedürftige. Doch dann wird er Zeuge eines Banküberfalls, bei dem zwei Gangster erschossen, einer verletzt fliehen kann, die zwei prall mit Geld gefüllten Sporttaschen aber zurücklassen muss. Pierre-Paul zögert nicht lange und verstaut die Taschen in seinem Lieferwagen, doch was kann man mit der heißen Ware machen, nach der bald nicht nur die Polizei, sondern auch die Mafia sucht?


Immerhin kann er sich nun mal das Luxuscallgirl Camille (Maripier Morin), das sich im Beruf nach der hochgebildeten Zeitgenossin von Sokrates und Perikles Aspasia nennt und Racine zitiert, leisten. Das steigert aber nicht nur den Verdacht der Polizei, kostet ein Stelldichein mit der Dame doch zwei Monatslöhne von Pierre-Paul, sondern zudem verliebt sich der arme, aber gebildete Schlucker, der immer wieder mit Zitaten von Aristoteles, Wittgenstein, Kant, oder Mark Aurel um sich wirft, unsterblich in Camille.


Sie wohnt in einer Luxuswohnung und bezeichnet sich als oberflächlich, er wird ihr den Blick für die zahlreichen Obdachlosen öffnen, die es in Montreal gibt und die sie nicht wahrnimmt, weil sie immer mit Chauffeur unterwegs ist. Immer wieder rückt Arcand die Obdachlosen, am stärksten betroffen sind Inuit und Indianer, vor U-Bahnstationen und Hauseingängen ins Bild, macht das große soziale Gefälle bewusst und wird ihnen auch den Filmschluss mit einer Abfolge von Großaufnahmen widmen.


Weil freilich Polizei und Mafia hinter Pierre-Paul her sind, muss das Geld möglichst unauffällig irgendwie angelegt werden. Wie gerufen kommt hier, dass ein Ex-Biker (Rémy Girard), der im Gefängnis ein Finanzstudium absolvierte, soeben aus dem Knast entlassen wird. Und auch die Kontakte Aspasias zu einem Top-Banker, der als Experte für Geldanlagen im Ausland gilt, können nicht schaden.


Ganz auf der Seite der Underdogs ist natürlich der Zuschauer. Ein Vergnügen ist es zu verfolgen, wie leichthändig Denis Arcand zwischen den Aktionen Pierre-Pauls, der Polizisten und der Mafia, die bei der Suche nach dem Geld nicht zimperlich vorgeht, wechselt. Souverän hält der Quebecer die Erzählfäden in der Hand und mischt spielerisch leicht Spannung und Witz und spart in den treffsicheren Dialogen auch nicht mit bissiger Kapitalismuskritik.


Dem allgemeinen Egoismus und der Gier stellt er das philanthropische Denken Pierre-Pauls gegenüber, das auch auf Camille abfärben wird. Wird sie zunächst noch ihren Luxus präsentieren und von exklusiven Urlauben auf Dubai und in der Karibik erzählen, wird sie schließlich auch das Herz für die sozial Schwachen entdecken. Unterschwellig schwingt dabei freilich immer auch die Frage mit, was den Menschen letztlich glücklich macht.


Ein Märchen ist das, aber eines mit dem Herz am richtigen Fleck und auch die herrlich unkonventionellen, treffend besetzten und von einem blendend harmonierenden Ensemble lustvoll gespielten Protagonisten tragen nicht unwesentlich zum Vergnügen bei, das dieser Film trotz seiner Länge von 127 Minuten bereitet.


Läuft derzeit im Kinok in St. Gallen

Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 4.9., 20 Uhr FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 18.9., 18 Uhr + Do 19.9., 19.30 Uhr LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 25.9., 19 Uhr


Trailer zu "Der unverhoffte Charme des Geldes"



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