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  • AutorenbildWalter Gasperi

Zeugin der Anklage


Dank stringenter Inszenierung, überraschender Wendungen und herausragender Schauspieler*innen immer noch packend: Billy Wilders klassisches Gerichtsdrama nach einem Theaterstück von Agatha Christie ist bei Capelight Pictures auf DVD und als 2 Disc Limited Collector's Edition in einem Mediabook (Blu-ray + DVD) erschienen.


Nur vier Jahre nach der Uraufführung von Agatha Christies Theaterstück, das wiederum auf einer 1925 erschienenen Kurzgeschichte der britischen Krimiautorin beruht, verfilmte Billy Wilder 1957 diese Vorlage. Der Impuls ging dabei von Marlene Dietrich aus, die Wilder auf Christies Stück aufmerksam machte und selbst hier einen ihrer stärksten Auftritte hat.


Die Herkunft des Films vom Theater ist kaum zu übersehen. Abgesehen von zwei kurzen Rückblenden beschränkt sich der Film auf wenige Räume und folgt einer klassischen Akteinteilung. Der Vorspann stimmt schon auf den britischen Gerichtssaal als Hauptschauplatz ein, doch die Handlung setzt in Wohnung und Büro des Anwalts Sir Wilfried (Charles Laughton) ein.


Eine Paraderolle ist der grantige ältere Mann für den britischen Schauspieler Charles Laughton. Nach einem Herzinfarkt frisch aus dem Krankenhaus entlassen, liefert er sich komödiantische Auseinandersetzungen mit seiner Pflegerin Miss Plimsoll (Elsa Lanchester), die ihn nicht nur von Zigarren und Cognac, sondern auch von nervenaufreibenden Fällen fernhalten will. Auch Elsa Lanchester, die im Privatleben mit Laughton von 1929 bis zu dessen Tod 1962 verheiratet war, kann hier als fürsorgliche Pflegerin brillieren.


Nicht nur die Herzkrankheit des Anwalts, sondern auch die Pflegerin wurde von Wilder gegenüber dem Theaterstück ergänzt, um dem Film mehr Pfiff zu geben und auch durch Witz aufzulockern. Bald stellt sich im Haus von Sir Wilfried aber auch ein Kollege mit dem jüngeren Handelsvertreter Stephen Vole (Tyrone Power) ein, der befürchten muss des Mordes an einer reichen Witwe angeklagt zu werden.


Sir Wilfried, der den Unschuldsbeteuerungen des sympathischen Mannes glaubt, will zunächst den Fall einem Kollegen übergeben. Als aber Voles deutsche Gattin (Marlene Dietrich) auftritt und ihn mit ihrer Kälte irritiert, und Vole zudem verhaftet wird, übernimmt er doch.


Auf die Büroszene folgt so eine kürzere Szene im Gefängnis, in der Vole von seiner ersten Begegnung mit seiner Gattin kurz nach Kriegsende in Hamburg erzählt. Dominiert wird der Film aber vom Prozess, der mehr als die Hälfte der 112 Minuten einnimmt. Nur noch für eine zentrale Szene verlässt "Zeugin der Anklage" so den Gerichtssaal.


Im Zentrum stehen dabei nicht die Auseinandersetzungen zwischen Verteidiger und Ankläger, sondern die Verhöre der Zeugen. Für Spannung und Witz, sorgt schon, wie Sir Wilfried die Aussagen des Inspektors und der Haushälterin der Ermordeten zerpflückt, ehe der Auftritt von Christine Vole als Zeugin der Anklage – und eben nicht der Verteidigung – den Höhepunkt und überraschende Wendungen einleitet. Bis zum abrupten Finale setzt Wilder dabei immer noch eins drauf, sodass die Spannung und die Überraschungen sukzessive gesteigert werden.


Visuell bietet so ein Gerichtsdrama wenig. Wilder verzichtet auf Spielereien, inszeniert schnörkellos und stringent, baut auf die Wendungen des Stücks und seine großartigen Schauspieler*innen. Vor allem Laughton sieht man das Vergnügen an, mit der er diesen ebenso mürrischen wie brillanten Anwalt spielt. Eine wunderbar eisige Performance liefert dagegen Marlene Dietrich ab, die sich nicht in die Karten blicken lässt und die mit ihrem Auftritt in einer Bar in der Hamburger Rückblende auch Erinnerungen an ihren Durchbruch mit Josef von Sternbergs "Der blaue Engel" weckt.


An Sprachversionen bieten die bei Capelight Pictures erschienene DVD sowie das Mediabook die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen neben dem Kinotrailer ein rund 15-minütiges, zwischen Deutsch und Englisch wechselndes und englisch untertiteltes Interview Volker Schlöndorffs mit Billy Wilder. Ausführlich spricht Wilder darin über Dietrichs Wunsch der Verfilmung und die Bedeutung der Konstruktion für einen Film, der er hier die inhaltliche Unglaubwürdigkeit gegenüberstellt.


Ein weiteres, etwa zehnminütiges deutsch untertiteltes Featurette widmet sich Charles Laughton. Simon Callow spricht darin nicht nur über Laughtons künstlerische Vielfalt in den 1950er Jahren von seinem Regiedebüt mit "The Night of the Hunter" bis zu seinen Broadwayauftritten, sondern auch über dessen Homosexualität und das sichtliche Vergnügen, mit dem er in "Zeugin der Anklage" Sir Wilfried verkörperte. Das Mediabook – nicht aber die DVD – bietet als weitere Extras ein 24-seitiges Booklet sowie eine Hörbiographie zu Billy Wilder.


Trailer zu "Zeugin der Anklage"


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