Das Filmarchiv Austria ruft mit der Filmreihe "Sennenkino" (3. bis 18. Oktober) die schwierige Situation der Bergbauern in Erinnerung und lässt mit dem Eintauchen in eine entschleunigte Welt auch über Lebensstile, Nahrungsmittelproduktion und den Wert von Lebens- und Naturräumen reflektieren.
Einen Klassiker über den Wandel des Lebens der Bergbauern schuf der Innerschweizer Filmemacher Fredi Murer schon 1974 mit seinem Dokumentarfilm "Wir Bergler in den Bergen sind eigentlich nicht schuld, dass wir da sind". Darin stellte Murer dem natürlich gebliebenen Maderanertal das touristische Schächental, in dem die Bauern mit Fabrikarbeit ihr Einkommen aufbessern müssen, und das Tal der Göschenenalp, in dem das Dorf einem Stausee weichen musste, gegenüber.
Zwölf Jahre später schuf Murer mit der in einer noch unberührten Bergbauernwelt spielenden inszestuösen Liebesgeschichte "Höhenfeuer" (1986) einen Höhepunkt des Neuen Schweizer Films, während er nochmals vier Jahre später im Dokumentarfilm "Der grüne Berg" (1990) im schweizerischen Engelbergtal Gegner und Befürworter eines geplanten Endlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle zu Wort kommen ließ.
Intensiv eintauchen in diese entschleunigte und ursprüngliche Welt lassen die Filme Erich Langjahrs, der in den 1990er Jahren zum großen Dokumentaristen des Schweizer Bergbauernlebens und seines langsamen Verschwindens wurde. Während er in "Sennenballade" (1996) minutiös und mit geduldigem Blick ein Jahr im Leben einer Schweizer Bauernfamilie dokumentiert, begleitet er in "Hirtenreise ins dritte Jahrtausend" (2002) zwei Schäfer bei ihren Wegen durch die Schweiz.
Der Ablauf der Jahreszeiten gibt dabei sowohl "Sennenballade" als auch "Hirtenreise" ihre Struktur. Der sesshaften Lebensweise der Bauernfamilie in "Sennenballade" steht aber das halbnomadische Leben der Wanderhirten in "Hirtenreise" gegenüber, die vom Mittelland im Sommer auf die Alpen Graubündens und Uris wechseln. Die bäuerliche Arbeit verklärt Langjahr dabei nie, aber in der Schilderung des harmonischen, meditativen Lebens wird gezielt ein Gegenmodell zur Schnelllebigkeit und Hektik unserer Zeit entworfen.
Nicht weniger genau und geduldig beobachtend, die ruhigen Bilder für sich sprechen lassend und den Kommentar aufs nötigste reduzierend, fängt Langjahr auch in "Das Erbe der Bergler" (2006) den Alltag der letzten Wildheuer im Innerschweizer Muotatal mit der Kamera ein. Mag die Moderne dabei mit einem Hubschrauber, einem Motorrad oder Roller-Skates auch nur kurz aufblitzen, so ist doch in jedem Bild spürbar, dass hier eine untergehende Welt und aussterbende Traditionen nochmals in Bildern festgehalten werden. Langjahr idealisiert weder das Alte noch lamentiert er über dessen Verschwinden, sucht aber nach Möglichkeiten der Synthese, des Bewahrens auf der einen Seite und der Aufnahme von Neuem auf der anderen.
Drücken den Filmen Murers und Langjahrs Männer den Stempel auf, so kennzeichnet Jacqueline Veuves "Chronique paysanne en Gruyère" (1990) ein stärkeres Interesse für die Rolle der Frau bei der Berglandwirtschaft. Aber auch der Off-Kommentar der Protagonisten unterscheidet diesen Film von den kommentarlosen Beobachtungen ihrer männlichen Kollegen.
Während Murer, Langjahr und Veuve auf die Schweiz fokussieren, bietet Robert Schabus in "Alpenland" (2022) in sechs Momentaufnahmen Einblick in das Spannungsfeld von Tradition und Moderne im Alpenraum. Den um die Existenz kämpfenden Bergbauern in Kärnten steht dabei der hemmungslose Bauboom und die Umweltzerstörung in Garmisch-Partenkirchen und einer lombardischen Kleinstadt, in der das Kleingewerbe und das alte Handwerk gepflegt werden, eine Retorten-Skistation in Frankreich gegenüber.
Der idyllischen Schweiz in Allan Dwans Familienfilm "Heidi" (1937), in dem der Kinderstar Shirley Temple die Hauptrolle spielt, steht mit Michael Kochs "Drii Winter" (2022) ein raues Drama in archaisch wuchtiger Landschaft gegenüber, das weniger auf der harten bäuerlichen Arbeit als vielmehr auf der Ausgrenzung eines Flachländers und einer tragischen Liebesgeschichte fokussiert.
Grundlegend scheint für Filme über die Bergbauernwelt, dass sie selbst auch in den langsamen Lebensrhythmus dieses abgeschiedenen Kosmos eintauchen und ihn vermitteln. So lässt sich auch Michael Pilz in seinem zweiteiligen und insgesamt fünfstündigen Dokumentarfilm "Himmel und Erde" (1982) viel Zeit, um das Leben im steirischen Bergdorf St. Anna zu dokumentieren.
Der modernen Welt enthoben mögen diese Filme sein, doch werfen diese Blicke auf eine traditionelle Lebensweise und deren Verschwinden auch die Frage nach unserer Lebensweise auf, fragen nach dem Umgang mit der Natur und mit Traditionen, stellen Abgeschiedenheit, Entschleunigung und körperliche Arbeit der modernen, von Bürojobs bestimmten städtischen Welt gegenüber. – Im Blick auf das, was verschwindet oder was schon verschwunden ist, wird so nicht nur die Frage aufgeworfen, was wir bewahren und retten wollen, sondern auch, wie wir leben wollen.
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