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AutorenbildWalter Gasperi

Und der Zukunft zugewandt


1952 ist die DDR noch jung, doch der Druck des Regimes auch auf überzeugte Kommunisten ist schon massiv. Dies bekommt auch Antonia Berger zu spüren, dennoch bleibt sie bei ihrer Überzeugung. – Bernd Böhlichs Inszenierung ist zwar bieder und fernsehmäßig, aber eine großartige Alexandra Maria Lara in der Hauptrolle macht diese Schwäche zumindest teilweise wett.


Mehrfach arbeiteten sich deutsche Filmemacher in den letzten 15 Jahren an der Geschichte der DDR ab. Florian Henckel von Donnersmarck zeichnete in seinem Oscar-Sieger „Das Leben der Anderen“ (2006) ein beklemmendes Bild vom Stasi-Terror, Lars Kraume fokussierte in „Das schweigende Klassenzimmer“ (2018) auf der Zivilcourage einer Schulklasse und staatlicher Repression und Bully Herbig erzählte zuletzt in „Ballon“ (2019) packend von der Flucht einer Familie aus dem Arbeiter- und Bauernstaat im Jahr 1979.


Wie Kraume in „Das schweigende Klassenzimmer“ blickt auch Bernd Böhlich, der vor allem als Regisseur einiger Folgen von „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ sowie von Fernsehfilmen bekannt ist, auf die 1950er Jahre. Aufbauend auf Berichten von Zeitzeugen erzählt der 63-jährige Regisseur, der selbst in der DDR aufwuchs, von der 40-jährigen Antonia Berger (Alexandra Maria Lara), die 1938 mit der Agitationsgruppe Kolonne Links nach Moskau reiste, dort aber bald mit ihren Kollegen verhaftet und in ein sibirisches Arbeitslager deportiert wurde.


Zehn Jahre lebt sie 1952 schon dort, hat eine Tochter, die ihr Mann, der im benachbarten Männerlager untergebracht ist, nicht besuchen darf. Als er dies trotzdem versucht, wird das als Fluchtversuch gedeutet und er wird erschossen.


In der jungen DDR hat man diese aufrechten Kommunisten fast vergessen, doch als sich ein junger Funktionär für ihre Freilassung einsetzt, trifft Antonia mit zwei Freundinnen bald wieder in ihrer Heimat ein. Freundlich werden sie empfangen, man beschafft ihnen eine Wohnung und eine passende Arbeit, gleichzeitig werden sie aber auch gezwungen mit Unterschrift zu versichern, ihre Erfahrungen in der Sowjetunion zu verschweigen und nichts von den dortigen Lagern zu erzählen. Angst herrscht bei den Behörden, dass diese Aussagen den noch nicht gefestigten Staat in seinen Grundfesten erschüttern könnten.


Während eine Freundin Antonias heftig dagegen protestiert, akzeptiert sie diese Maßnahme, denn sie glaubt immer noch an den Sozialismus, sieht im stalinistischen Terror eine durch eine Einzelperson bedingte Fehlentwicklung.


Alles scheint besser zu werden, denn ihre kranke Tochter genest, im Arzt Konrad (Robert Stadlober) findet sie eine neue Liebe, doch eindringlich vermittelt Böhlich andererseits, wie Antonia an der Selbstverleugnung zu zerbrechen droht. Spürbar wird das vor allem in einem kurzen Besuch bei ihrer Mutter, die von Swetlana Schönfeld, die selbst in einem sowjetischen Gulag geboren wurde, gespielt wird: Teils freut sich die Mutter zwar, die Tochter nach 14 Jahren Trennung wiederzusehen, macht ihr aber auch heftige Vorwürfe, dass sie sich nie gemeldet, nie geschrieben habe, obwohl es in der Sowjetunion sicher auch Briefmarken gebe. Stumm muss Antonia diese Vorwürfe anhören, kann nichts erwidern.


Doch nicht nur dieses Schweigegebot belastet ihr Leben, denn zunehmend muss sie erkennen, dass es im Arbeiter- und Bauernstaat keine Freiheit gibt, Parteiziele, die mit Phrasen wie „Wahrheit ist, was unserer Sache nützt“, „Wo gehobelt wird, fallen Späne“, „Revolution ist kein Wusnchkonzert“ oder „Vor uns liegt die Zukunft, nicht die Vergangenheit“ bekräftigt werden, über allem stehen. – Und dennoch glaubt Antonia weiter an diesen Staat und bleibt entsprechend dem der Nationalhymne der DDR entnommenen Titel der Zukunft zugewandt.


Zweifellos sorgfältig, aber auch etwas bieder und fernsehmäßig erzählt Bernd Böhlich von diesem Frauenschicksal. Zu großem Kinoformat schwingt sich dieses Drama nie hoch, ist doch zu kunstgewerblich, wenn mit blassen und dunklen Farben, stimmiger Ausstattung und kalter und kahler Winterstimmung die Atmosphäre dieser freudlosen und bedrückenden Welt evoziert wird. Auch muss man sich angesichts der Konsequenz – oder auch Penetranz -, mit der hier jeder blaue Himmel und warme Sonnenstrahl aus dem Bild verbannt ist fragen, ob denn in der DDR auch Jahreszeiten und Sonne abgeschafft wurden. Das Streben nach Beschwörung einer bestimmten Atmosphäre siegte hier wohl über die Realität und stört letztlich den Gesamteindruck.


Zumindest teilweise werden diese Schwächen aber durch eine bis in die Nebenrollen hinein punktgenaue Besetzung und vor allem eine großartige Alexandra Maria Lara in der Hauptrolle wettgemacht. Bewegend vermittelt sie, wie Antonia an diesem System zerbricht, wie sie dem Kommunismus nicht abschwören will, da sie seit Jugendtagen dafür kämpfte. Der Mauerfall 1989, den sie in einer allzu knappen, mehr notdürftig als überzeugend eingefügten Rahmenhandlung im Fernsehen verfolgt, ist folglich für sie auch kein freudiges Ereignis, sondern zementiert das Scheitern ihrer Träume vom Kommunismus – und damit auch ihres Lebens.


Läuft ab Donnerstag in den österreichischen Kinos (Cinema Dornbirn)


Trailer zu "Und der Zukunft zugewandt"



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