Im frühen 19. Jahrhundert versucht das westafrikanische Königreich Dahomey, gestützt auf seine Agojie genannten Kriegerinnen, seine Unabhängigkeit gegenüber dem Nachbarreich zu bewahren und sich vom Sklavenhandel zu lösen. – Verpackt in einen actionreichen Historienfilm verknüpft Gina Prince-Bythewood weibliche und afrikanische Selbstermächtigung.
Ein Vorspann informiert über die politische Situation im Westafrika des Jahres 1823: Das Königreich der Dahomey, das heutige Benin, ist bedroht durch Angriffe eines benachbarten Reiches, das die Gefangenen an europäische Sklavenhändler verkauft.
Historische Tatsache ist, dass dieses Reich rund 260 Jahre bestand und erst Ende des 19. Jahrhunderts von französischen Truppen erobert wurde. Auch die Tributpflicht gegenüber dem Nachbarreich der Oyo ist belegt.
Das letzte Bollwerk gegen diese Feinde ist die von Nanisca (Viola Davis) angeführte weibliche Kriegertruppe der Agojie, die sogleich auch beim Angriff auf ein feindliches Lager ihre Kampfkraft beweist. Nicht zimperlich ist Gina Prince-Bythewood in diesen und späteren Kampfszenen. Hautnah ist die Kamera Polly Morgans am Geschehen, vermittelt auch ungeschönt die Brutalität der Kämpfe, bei denen Blut spritzt und Köpfe rollen.
Der geachteten Stellung dieser Kriegerinnen steht die Unterdrückung der anderen Frauen in der patriarchalen Gesellschaft gegenüber. Vermittelt wird diese am Beispiel der jungen Nawi (Thuso Mbedu), die ihr Vater verheiraten will. Doch Nawi widersetzt sich, wird verstoßen und sucht im Palast Zuflucht, wo sie unter die Kriegerinnen aufgenommen wird.
Eine klassische Entwicklungsgeschichte beginnt damit mit Trainingskämpfen, die an Stanley Kubricks "Spartacus" erinnern, bis hin zu einem abschließenden Wettkampf und einem Aufnahmeritual. Vorbereitung ist das freilich nur für echte Kämpfe, in denen sich die Frauen bewähren müssen.
Klassische Mythen-Motive baut Prince-Bythewood mit der Herkunft Nawis ein, die an Romulus und Remus oder auch Ödipus erinnent, aber auch die Agojie, die hier zu Jungfräulichkeit und Ehelosigkeit verpflichtet sind, erinnern natürlich an die mythischen Amazonen.
Wie Prince-Bythewood am Beispiel von Nawi von Befreiung einer Frau aus patriarchalen Zwängen erzählt, so erzählt sie mit dem Kampf Naniscas nicht nur gegen den feindlichen Stamm, sondern mehr noch gegen die europäischen Sklavenhändler auch von einer Vision und einem Kampf für ein selbstständiges und geeintes Afrika.
Nanisca stellt sich dabei auch gegen die Praxis Dahomeys, sich durch den Verkauf Kriegsgefangener an Sklavenhändler Reichtum zu erwerben, und fordert stattdessen Ausbau der Landwirtschaft, speziell der Palmölproduktion. - Auch hier verarbeitet der Film historische Fakten.
Wie bei Nawi das individuelle Schicksal auf die Unterdrückung der Frau im Allgemeinen verweist, so wird bei Nanisca der Kampf für die Gemeinschaft mit einem individuellen Trauma und einer privaten Rache verbunden.
Gerade durch die dichte, aber nie aufgesetzte Verbindung des Öffentlichen mit dem Privaten entwickelt "The Woman King" seine Kraft. Nicht nur die junge Nawi entwickelt sich dabei, sondern auch Nanisca steigt von der Kriegerin bis zur Woman King auf, die gleichberechtigt neben dem König sitzt - andererseits aber immer noch ein "King" und keine "Queen" ist, also in ihrer Rolle quasi männlich sein muss.
Doch nicht nur gut kommen hier die Frauen weg, denn den solidarischen Kämpferinnen wird eine der Ehefrauen des Königs gegenübergestellt. Diese ist einzig an einem Luxusleben und Macht interessiert und versucht intrigant im Hintergrund die Fäden zu ziehen und ihren Ehemann zu manipulieren.
Pathos darf bei diesem Lobgesang auf unabhängige und kämpferische Frauen freilich nicht fehlen und kritisieren kann man auch, dass eine afrikanische Geschichte mit den Mitteln des amerikanischen Blockbusterkinos erzählt wird. Doch unbestritten ist, dass erst diese Strategien "The Woman King" ermöglichen, ein breites Publikum zu erreichen.
Erzähltechnisch unterscheidet Prince-Bythewoods historischer Actionfilm nämlich nichts von Mel Gibsons "Braveheart". Ridley Scotts "Gladiator" oder auch von Wolfgang Petersons "Troja", doch die massive Frauen-Power, die hier aufgefahren wird, und der afrikanische Aufstand gegen die europäischen Ausbeuter, die am Rand bleiben, aber eine wichtige Kontrastfolie und einen Reibebaum bilden, verleihen "The Woman King" doch einen ganz eigenen Dreh.
Kraft entwickelt der Film aber auch durch die starke Besetzung. Angeführt von einer großartigen Viola Davis, die auch als Koproduzentin fungierte, agieren die weitgehend unbekannten Schauspieler*innen absolut überzeugend und unterstützen mit ihrem engagierten Spiel den feministischen und antikolonialistischen Impetus entscheidend.
The Woman King USA /Kanada 2022 Regie: Gina Prince-Bythewood mit: Viola Davis, Thuso Mbedu, Lashana Lynch, Sheila Atim, John Boyega, Hero Fiennes Tiffin, Jordan Bolger, Jimmy Odukoya Länge: 126 min.
Läuft derzeit in den Kinos
Trailer zu "The Woman King"
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