Ein lustvoll aufspielendes Ensemble und eine schwungvolle Inszenierung machen Armando Iannuccis Verfilmung von Charles Dickens´ autobiographischem Roman zu einem kurzweiligen Vergnügen.
Dreimal wurde Charles Dickens´ zuerst zwischen 1848 bis 1850 als monatliche Fortsetzungsgeschichte erschienener Bildungsroman in der Stummfilmzeit verfilmt, 1935 dann nochmals von George Cukor, danach aber nur noch als Fernsehfilm und Fernsehserie. Verwundert das zunächst angesichts der Berühmtheit der Vorlage, so erscheint es bei näherem Hinsehen als logisch, denn nur schwer lässt sich die ausufernde Handlung, die sich von der Geburt des Titelhelden bis zu seinem Durchbruch als Schriftsteller spannt, in einen zweistündigen Film pressen.
Rückblickend lässt Armando Iannucci seinen Copperfield (Dev Patel) in einem Theater dem Publikum über sein Leben erzählen. Rasch setzt hier eine Rückblende zur Geburt des Protagonisten ein, bei der auch der erwachsene Copperfield präsent ist und das Geschehen kommentiert. Schon in dieser ersten Szene sorgen ebenso schnelle wie geschliffene Dialoge und markante Figuren wie Copperfields Mutter oder dessen Tante Betsey Trotwood (Tilda Swinton) für Schwung.
In elliptischer Erzählweise überspringt Iannucci immer wieder mehrere Jahre, zeichnet knapp die glückliche Kindheit mit der alleinerziehenden Mutter, die von der schweren Zeit unter dem strengen und kalten Stiefvater Mr. Murdstone (Darren Boyd) und dessen herzloser Schwester (Gwendoline Christie) abgelöst wird. Aufwärts geht es in der Folge für den jungen Copperfield zwar bald wieder, doch der Wechsel von Glück und Leid wird sich fortsetzen.
Das Bedrückende der Viktorianischen Zeit mit der Not des hochverschuldeten Mr. Micawber oder dem Elend der Kinderarbeit in der Flaschenfabrik, in die David von seinem Stiefvater gesteckt wird, wird aber in der schwungvollen Inszenierung nicht spürbar. Ins Witzige wird hier reale Not gewendet, wenn Micawber versucht sich mit allerhand Tricks seinen Gläubigern zu entziehen oder Copperfield sich von den Strafen des brutalen Vorgesetzten in der Firma nicht einschüchtern lässt und schließlich lustvoll Flaschen auf den Boden wirft.
Keine Sozialkritik wird hier geübt, sondern Lebensfreude will Iannucci mit seinem Arsenal praller Figuren und der leichthändigen Inszenierung beschwören. Erinnerungen an die märchenhaften Filme von Jean-Pierre Jeunet wecken dabei Szenen am Meer im zum Haus umgebauten Boot der Familie Peggotty, spielerisch leicht werden auch mehrfach Film-im-Filmszenen eingebaut, die den Blick auf eine Nebenhandlung öffnen.
Das ist mit Verve und großem Einfallsreichtum inszeniert und sorgt mit prächtiger Ausstattung für visuellen Genuss. Mit großer Spielfreude agiert auch das ganze Ensemble, das von einem großartigen Dev Patel in der Hauptrolle angeführt wird. Allerdings lassen das hohe Erzähltempo und die kurzen Szenen auch kaum Raum, um die Figuren und Konflikte differenzierter und tiefer auszuleuchten. Auch der hinterhältige Anwaltsangestellte Uriah Heep (Ben Wishaw), der Copperfields Tante mit seinen Betrügereien um ihr Hab und Gut bringt, gewinnt so zu wenig Profil.
Kurzweiliges Vergnügen bietet so diese rasante Szenenfolge, aber es fehlt doch die emotionale Tiefe. Nicht einsichtig ist letztlich auch die multiethnische Besetzung. Der Inder Dev Patel mag ja noch als David Copperfield durchgehen, aber wieso sein weißer Studienfreund Steerforth eine schwarze Mutter hat, erschließt sich nicht, sondern irritiert nur.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos. - z.B. im Kinok in St. Gallen und im Skino in Schaan. Ab 24.9. in den österreichischen und deutschen Kinos.
Trailer zu "The Personal History of David Copperfield"
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