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  • AutorenbildWalter Gasperi

Richard Jewell


Nach einem Bombenanschlag bei den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta steigt ein Sicherheitsmann zunächst zum Helden auf, wird aber bald von FBI und Medien selbst als Täter verdächtigt. – Clint Eastwood nutzt in seinem schnörkellos und kompakt inszenierten Drama die Geschichte Jewells zur Abrechnung mit Medien und Behörden, lässt aber Zwischentöne vermissen.


Mehrfach hat Clint Eastwood in den letzten Jahren Ereignisse der jüngeren Geschichte aufgearbeitet und amerikanische Helden gefeiert: in "Sully" (2016) den Piloten Chesley "Sully" Sullenberger, der 2009 eine Passagiermaschine auf dem Hudson River notwasserte, in "15:17 to Paris" (2018) drei Amerikaner, die 2015 einen terroristischen Anschlag auf den Thalys-Zug von Amsterdam nach Paris vereitelten.


In "Richard Jewell" fokussiert der Altmeister auf einem schwergewichtigen Sicherheitsmann (Paul Walter Hauser), der davon träumt Polizist zu werden. Mit knappen Strichen skizziert Eastwood die erste Begegnung Jewells mit dem Anwalt Watson Bryant (Sam Rockwell) im Jahr 1986, stellt dabei seinen Übereifer ebenso ins Zentrum wie bei einem anschließenden Job auf einem Uni-Campus, bei dem er in Studentenzimmer eindringt, um die Bewohner des unerlaubten Alkoholgenusses zu überführen oder auch auf dem Highway unerlaubte Alkoholkontrollen durchführt.


Beeindruckend ist, wie kompakt Eastwood erzählt, wie konsequent er sich auf seinen Protagonisten konzentriert und in wenigen Minuten, unterstützt von dem stark spielenden Paul Walter Hauser, diesen zunächst nicht unbedingt sympathischen Protagonisten charakterisiert.


Mit einem Schnitt springt der Film zu den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta, bei denen Jewell wieder als Sicherheitsmann arbeitet. Mit großer Übersicht inszeniert Eastwood die zwei Open-Air-Konzertabende im Centennial Olympic Park, bei denen Jewell eingesetzt wird, wechselt zwischen der Showbühne, auf der Kenny Rogers auftritt, dem Sicherheitspersonal, der Journalistin Kathy Scruggs (Olivia Wilde) und der begeisterten Menge.


Geschickt wird die Ahnung einer nahenden Katastrophe beschworen und damit Spannung aufgebaut, doch das Schlimmste kann Jewell schließlich verhindern, indem er einen verdächtigen Rucksack auf Sprengstoff überprüfen lässt und die Menge mit seinen Kollegen anschließend zurückdrängen kann.


Die Explosion kann nicht verhindert werden, doch durch Jewells Einsatz gab es "nur" zwei Tote und 100 Verletzte. Rasch machen die Medien ihn zum Helden, doch wenig später bringt das FBI die Theorie vom frustrierten weißen Einzeltäter auf, der selbst die Tat beging, um endlich einmal im Mittelpunkt zu stehen. Als Verhöre folgen und auch die Medien Jewell als vermutlichen Täter auf den Titelseiten präsentieren, bittet er Bryant um juristischen Beistand.


Der Einzelfall dient Eastwood als Vorlage, um exemplarisch einen aufrechten Amerikaner zu porträtieren, der sich als Vertreter von Recht und Ordnung sieht und dessen Glaube an die Polizei letztlich auch durch seine Erfahrungen nicht gebrochen wird. Wie den wortkargen Helden im Western wird mit der Behörde, die auch hinterhältige Tricks anwendet, um Jewell die Schuld zuzuschieben, diesem Underdog eine scheinbar übermächtige Behörde gegenübergestellt.


Noch mehr als mit dem Polizeiapparat rechnet Eastwood aber mit den sensationsgierigen Medien ab, die eine Hetzjagd gegen Jewell starten und das Haus, in dem er mit seiner Mutter (Kathy Bates) wohnt, belagern. Schwer zu ertragen ist dabei die Zeichnung der Journalistin Scruggs, der unterstellt wird für Informationen einem FBI-Agenten sexuelle Dienste angeboten zu haben. Wie Jewell zum Helden aufgebaut wird, werden auf der anderen Seite alle Register gezogen, um Scruggs zum Feindbild zu machen. Heftige Kritik erntete Eastwood folglich auch für diese verzerrte Zeichnung der 2001 verstorbenen Journalistin.


Diese Schwarzweißmalerei schwächt die Kraft des in der ersten Hälfte gerade durch die nüchtern-sachliche Inszenierung und den sehr reduzierten Musikeinsatz so packenden und druckvollen Films. Zwischentöne und Ambivalenzen, die andere Filme Eastwoods so schillernd machen, findet man hier keine, klar gezogen sind die Grenzen. Was "Richard Jewell" in der zweiten Hälfte am Laufen hält ist so das Zusammenspiel von Hauser und Sam Rockwell in der Rolle seines ziemlich heruntergekommenen Anwalts. Potential hat der Kampf dieser beiden Underdogs gegen die Behörden, doch ausgeschöpft wird dieses nicht.


Denn trotz des Ernstes der Lage kommt auch immer wieder Witz auf, wenn sich beispielsweise Jewell nie an die Vorgaben Bryants hält oder das FBI – auch das wohl eine krasse Überzeichnung – auch Tupperdosen, Staubsauger und Unterwäsche der Mutter (Kathy Bates) aus der Wohnung mitnimmt, um diese zu überprüfen.


Auch diese Mutter ist mit Kathy Bates trefflich besetzt, aber auch ihr wird kaum Raum gelassen, um ihrer Figur mehr Profil zu verleihen. So souverän Eastwoods Inszenierung ist, so sicher agiert das Ensemble – allein das Drehbuch bleibt in Handlungsführung und Figurenzeichnung zu eindimensional.


Läuft derzeit in den Schweizer und Liechtensteiner Kinos - ab 2. Juli in den österreichischen und deutschen Kinos


Trailer zu "Richard Jewell"



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