Sébastien Lifshitz begleitet in seinem Dokumentarfilm die siebenjährige Sasha, die zwar als Junge geboren wurde, sich aber seit frühster Kindheit als Mädchen fühlt, und ihre Familie durch ein Jahr. – Eine sehr sensible, ruhige Annäherung, die differenziert und berührend die Belastungen für die Familie und die Anfeindungen herausarbeitet und für Toleranz plädiert.
Bei einem Psychologen berichtet die Mutter Sashas, dass ihr Kind schon als Zweijährige äußerte, dass es als Erwachsener ein Mädchen werden wolle. Nun sind fünf Jahre vergangen und Sasha geht in die zweite Klasse. Gerne würde sie auch in der Schule Mädchenkleider tragen, doch der Direktor verbietet das, die Klassenlehrerin diskriminiert Sasha wegen ihres Verhaltens und bei den MitschülerInnen findet sie kaum Anschluss: Den Mädchen ist Sasha zu männlich, den Buben wieder zu mädchenhaft.
Aber die Mutter berichtet auch von ihren Schuldgefühlen, fragt sich, ob sie für die sexuelle Identitätsstörung verantwortlich sei, weil sie sich während der Schwangerschaft ein Mädchen wünschte und enttäuscht war, als ihr mitgeteilt wurde, dass sie einen Jungen bekommen werde.
Kommentarlos begleitet Sébastien Lifshitz Sasha und ihre Mutter, die alles für ihr Kind tut, aber sich schon jetzt sorgt, dass sie wohl nie eine normale Jugend genießen kann, durch ein Jahr. Auf Rat des Psychologen suchen sie eine auf Geschlechtsidentitäten spezialisierte Kinderpsychiaterin in Paris auf. Wenn diese feststellt, dass Sasha kein Einzelfall ist, weitet sich dieser Dokumentarfilm vom individuellen Porträt zur prototypischen Schilderung. Die Psychiaterin stellt aber auch ein Attest für die Schule aus, in dem Sashas Geschlechtsidentitätsstörung beschrieben wird und betont wird, dass man sie als Mädchen die Schule besuchen lassen müsse.
Auch beim Balletttanz, den Sasha besucht, ist sie Anfeindungen durch eine neue Lehrerin ausgesetzt und wird aus dem Kurs ausgeschlossen. Gleichzeitig sieht man sie im Alltag mit ihrer Familie, beim Spiel im Garten oder auch beim Urlaub am Meer. Für sich ist Sasha glücklich, Eltern und Geschwister nehmen ihre Haltung ernst und akzeptieren sie völlig, so wie sie ist. Mindestens im gleichen Maße wie ein Porträt Sashas ist "Petite Fille" so ein Porträt dieser Familie, vor allem der Mutter, die wesentlich mehr Raum im Film einnimmt als ihr Kind.
Doch jede Begegnung mit anderen führt zu Belastungen und Kränkungen, da ihre sexuelle Identität für Unverständnis oder Ablehnung sorgt. So kauft sie zwar gerne Kleider oder auch einen Bikini ein, hat aber immer Angst davor im Geschäft ausgelacht zu werden, vor allem aber belastet sie der Schulbesuch. Aber auch eine Entwicklung wird sichtbar, wenn die Schule schließlich erlaubt, ihr in Mädchenkleidung den Unterricht zu besuchen, und Sasha auch erstmals andere Mädchen zu sich nach Hause einlädt.
Lifshitz und sein Kameramann Paul Guilhaume sind ganz auf Augenhöhe mit Sasha und ihrer Familie und begleiten sie mit größter Sensibilität und Einfühlungsvermögen. Großes Nahverhältnis und tiefes Vertrauen zwischen Filmemacher und Protagonisten wird im völlig natürlichen Auftreten der Familie spürbar. Trotz der Nähe wirkt hier nichts voyeuristisch, sondern geht durch den empathischen Blick nahe.
Gleichzeitig bewahrt dieser Dokumentarfilm dennoch Leichtigkeit, vermittelt auch die Lebensfreude Sashas, ihre Sehnsucht nach einem ganz normalen Leben und die Hindernisse, die eine heteronormative Gesellschaft dabei in den Weg legt. So ist "Petite Fille" nicht nur das einfühlsame Porträt eines Transgender-Mädchens, sondern auch ein leises und ruhiges, aber dennoch entschiedenes Plädoyer für mehr Toleranz und für einen Abbau tradierter heterosexueller Geschlechtsbilder.
Läuft derzeit im Skino in Schaan
Trailer zu "Petite Fille - Ein Mädchen"
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