Ein iranischer Ringer ist mit seiner Familie nach Schweden geflohen, doch hier belastet ihn nicht nur die Angst vor Abschiebung, sondern auch seine verdrängte Homosexualität: Mit einem großartigen Payman Maadi in der Hauptrolle gelang Milad Alami ein dichter und packender Sozialthriller, der eindringlich die Zerrissenheit des Protagonisten vermittelt.
Schon in seinem Langfilmdebüt "The Charmer" (2017) erzählte der 1982 im Iran geborene, in Schweden aufgewachsene und nun in Dänemark lebende Milad Alami in Form eines Thrillers packend von einem iranischen Flüchtling, der versucht in Dänemark Asyl zu bekommen. Strebte der Protagonist dort, sein Ziel durch die Heirat mit einer dänischen Frau zu erreichen, sieht Iman (Payman Maadi) hier im Ringen eine Chance.
Denn in der iranischen Heimat war er ein erfolgreicher Profisportler und Olympiateilnehmer, der aber nach einem Gerücht und einem gewalttätigen Übergriff auf einen Kollegen fliehen musste. Auch wenn Alami um dieses Gerücht lange ein Geheimnis macht, ist sofort klar, dass es um den Vorwurf der Homosexualität gehen muss, auf die im Iran die Todesstrafe steht.
Nach der kurzen Pre-Title-Sequenz im Iran befindet sich die Familie schon in einem nordschwedischen Flüchtlingsheim. Bewegend und wohl aus persönlichen Erfahrungen gespeist, schildert Alami ebenso realistisch wie nüchtern die beklemmende Situation mit wiederholter Verlegung in andere Flüchtlingsheime, räumlicher Enge, Gelegenheitsjob als Pizzalieferant und steter Angst vor drohender Abschiebung.
Nah dran an Iman, seiner schwangeren Frau (Marall Nasiri) und seinen beiden etwa acht- und zehnjährigen Töchtern ist der Film, kehrt mit bewegter Handkamera und schnellen Schnitten immer wieder die innere Erregung des etwa 50-Jährigen nach außen. Die verschneite, weite Winterlandschaft steigert das Klima der Beklemmung und Kälte, während das wiederkehrende Bild eines herumstreifenden Wolfes auf die Einsamkeit und Schweigsamkeit Imans verweist.
So sehr Alami aber auch auf diese Familie fokussiert, so macht er doch deutlich, dass dies kein Einzelschicksal ist, wenn er einmal Großaufnahmen von anderen Flüchtlingen einschneidet, wenn eine andere Familie die Wohnung von Iman übernimmt, oder Nachbarn den Abschiebungsbescheid erhalten.
Als Iman diese Familie in der Nacht in die Winterlandschaft fliehen sieht, beschließt er, um die Chancen auf eine Aufenthaltsbewilligung zu erhöhen, sich seinem Asylland als Ringer anzubieten, obwohl er seiner Frau geschworen hat, sich von diesem Sport zurückzuziehen.
Eindrücklich vermittelt Alami in den Ring-Szenen einerseits die Maskulinität dieses Sports, andererseits in den Duschszenen in langen Blicken auf die nackten Körper und die Berührungen bei Massagen die homoerotische Komponente. Bei den ersten Blicken des Schweden Thomas (Björn Elgerd) sieht man sein Begehren, spürt auch Imans Neigung, der diese aber immer wieder unterdrückt und Thomas mehrfach brutal zurückweist.
Durch die Konzentration auf Iman und seine Familie gelingt Alami so nicht nur ein intensives Bild der Situation von Flüchtlingen, sondern auch eine packende Auseinandersetzung mit einer brüchigen Männlichkeit. Denn so sehr Iman seine beiden Töchter auch liebt und die Familie erhalten will, so wenig lässt sich sein Begehren und seine sexuelle Orientierung auf Dauer unterdrücken.
Zwangsläufig muss es so zu Spannungen zwischen ihm und seiner Frau Maryam kommen, die sich nach einer Rückkehr in den Iran sehnt. Wie sehr ihr die Tätigkeit als Klavierlehrerin und Pianistin fehlt, die sie in ihrer Heimat ausübte und wieder ausüben könnte, spürt man, wenn sie bei einem Abend für Flüchtlinge mit Leidenschaft Klavier spielt. Im Asylland aber scheint sie kaum Chancen zu haben, ist auf den Hausfrauenberuf reduziert und ein Leben in einem gut eingerichteten schwedischen Einfamilienhaus entpuppt sich rasch als Traum, der die Fallhöhe zur Realität noch bitterer macht.
Getragen wird "Opponent – Motståndaren" dabei vom iranisch-amerikanischen Schauspieler Payman Maadi, der durch seine Rollen in Ashgar Farhadis Filmen "All about Elly" (2009) und vor allem "Nader and Simin – A Separation" (2011) bekannt wurde. Indem ganz aus dessen Perspektive erzählt wird und er in jeder Szene präsent ist, wird eindrücklich dessen Zerrissenheit und sein Versuch seine Homosexualität durch Homophobie zu verdrängen erfahrbar.
Mag man sich zunächst auch daran stören, dass Alami bei diesem packenden und immer großartig ambivalenten Sozialthriller kein Ende findet und auf eine vermeintliche Schlussszene noch eine zweite drauf setzt, so ist diese Vorgangsweise doch absolut schlüssig und verstärkt den Eindruck von Imans Zerrissenheit. Denn egal ob er sich für die Familie oder für seine Homosexualität entscheidet, Glück kann es für ihn scheinbar nicht geben, da er seine Neigung verdrängen oder auf seine Familie verzichten muss und auch eine Rückkehr in den Iran scheint unmöglich, wartet dort auf ihn doch entweder Gefängnis oder sogar die Todesstrafe.
Opponent - Motståndaren Schweden / Norwegen 2023 Regie: Milad Alami mit: Payman Maadi, Marall Nasiri, Björn Elgerd, Ardalan Esmaili, Arvin Kananian Länge: 119 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen
Trailer zu "Opponent - Motståndaren"
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