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  • AutorenbildWalter Gasperi

Master Cheng in Pohjanjoki

Aktualisiert: 15. März 2021


Ein chinesischer Koch bleibt mit seinem etwa sechsjährigen Sohn bei der Suche nach einem alten Bekannten in einem nordfinnischen Dorf hängen. - Mit warmherzigem Blick und Gespür für die weite Landschaft erzählt Mika Kaurismäki in seinem Feelgood-Movie, wie die kleine Dorfgemeinschaft vom Fremden und seiner Kochkunst profitiert.


Mit Totalen einer Seenlandschaft und endlosen Wäldern wird die Handlung mit den ersten Einstellungen in Nordfinnland verankert. In Parallelfahrt folgt die Kamera durch die Wälder einem Bus, bis an einer Haltestelle ein Chinese und sein etwa sechsjähriger Sohn aussteigen.


Wie bei einem klassischen Western-Beginn kommen so zwei Fremde in ein nordfinnisches Dorf und wie dort der erste Weg zum Saloon führt, führt er hier in den Diner. Auch die neugierigen Blicke der Einheimischen und die Frage des Fremden nach einem Mr. Fongtron erinnern an das Western-Genre.


Doch niemand kann Cheng (Chu Pak Hong) weiterhelfen, die Wirtin Sirrka (Anna-Maija Tuokko) bietet ihm aber, da es im Dorf kein Hotel gibt, ein Zimmer in ihrem Haus an. Wie vorhersehbar ist, dass sich hier über kurz oder lang eine Liebesbeziehung entwickeln wird, so deutet auch ein Alptraum Chengs schon an, was mit seiner Frau passiert ist.


Absehbar ist auch, dass im Diner, in dem es täglich Püree mit Wurst gibt, das nicht gerade den Appetit anregt, bald der chinesische Koch in der Küche stehen wird und mit seinen Speisen Touristen ebenso wie Volksschüler und Bewohner des Pflegeheims begeistern wird.


Wenn die Handlung im Großen aber wenig Neues bietet, muss ein Film mit Details punkten. Da ist es zunächst einmal – zumindest bis gegen Ende – Mika Kaurismäkis trockene Erzählweise und der gleichzeitig empathische Blick auf seine Protagonisten. Nicht nur Cheng und sein Sohn, der ständig am Smartphone spielt, sondern auch die Wirtin Sirrka sind hier Verlorene, die von ihren Erfahrungen gezeichnet sind und erst wieder zum Glück finden müssen.


Ein fixer Bestandteil sind freilich auch die Kochszenen, mit denen Cheng nicht nur die Gäste im Diner, sondern auch das Publikum erfreut. Spezielle Fischsuppen werden ebenso serviert wie Rentier mit Kräutern oder vegetarische Speisen. Hier geht es selbstverständlich nicht nur ums Essen, sondern philosophisch um die heilende und glückbringende Kraft von verschiedenen Speisen, um wärmende Speisen für den Winter und kühlende für den Sommer, um aufputschende für den Lethargischen und entspannende für den Hyperaktiven und auch gegen Regelschmerzen weiß Cheng Rat.


Liebevoll arbeitet Kaurismäki die kulturelle Differenz heraus, stellt nicht nur den massigen und wortkargen Finnen den eher kleinen und schmächtigen Chinesen, sondern mehr noch der bodenständig finnischen Lebensweise das ganzheitliche Denken des Gastes gegenüber, der auch mit seinen Tai-Chi-Übungen Ruhe ausstrahlt.


Gleichzeitig lernt aber auch Cheng lockerer zu werden, wenn er mit zwei alten Einheimischen eine Sauna oder mit Sirrka eine Tanzveranstaltung besucht. Und natürlich wird langsam auch der verstockte Sohn sich aus seiner Zurückgezogenheit lösen und Spielgefährten finden.


Kaurismäki weiß aber auch um den Reiz der nordfinnischen Landschaft, in der er die Handlung verankert. Zur Hommage an diese Gegend wird „Master Cheng“ in den großen Totalen der weiten Hochebenen, in denen er Cheng und seinen Sohn mehrfach isoliert und so ihre Einsamkeit und Trauer visualisiert, gleichzeitig aber auch Cheng deren Stille loben lässt, die in scharfem Kontrast zum Lärm seiner Heimatstadt Shanghai stehe.


Bruchlinien gibt es hier kaum, Homophobie klingt nur kurz an, wenn ein alter Finne erklärt, dass heterosexuelle weiße Finnen solche Speisen nicht essen, er bald aber umschwenkt. Das Auftauchen von zwei Polizisten deutet auch schon früh an, dass Cheng noch von behördlicher Seite Gefahr drohen wird, doch sicher kann man sein, dass schließlich alle Probleme gelöst werden.


Zu glatt und zu sehr auf die Verbreitung von Wohlgefühl ist diese zarte Komödie damit angelegt, zieht sich gegen Ende auch und gleitet in Kitsch ab, aber die sympathischen Figuren, die humanistische Grundhaltung und die Art, wie unaufdringlich, aber plastisch herausgearbeitet wird, wie sich Kulturen gegenseitig bereichern und wie man vom Fremden lernen kann, nimmt dennoch für dieses waschechte Feelgood-Movie ein.


Wird am 2.6. im Rahmen der LeinwandLounge in der Remise Bludenz gezeigt


Trailer zu "Master Cheng in Pohjanjoki"



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