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  • AutorenbildWalter Gasperi

La Gomera - Verpfiffen und verraten


Ein rumänischer Polizist hat sich mit der Mafia eingelassen, doch seine Chefin hat dies durchschaut, instrumentalisiert den Polizisten bei den Ermittlungen gegen einen anderen Verbrecher. Aber jeder spielt bei Corneliu Porumboius lakonischem Spiel mit Krimi- und Film noir-Motiven sein eigenes Spiel.


Auf das Spielerische von Corneliu Porumboius sechstem Spielfilm stimmt schon die Eröffnungsszene ein, in der die Schifffahrt des Polizisten Cristi (Vlad Ivanov) von Teneriffa nach La Gomera musikalisch von Iggy Pops „The Passenger“ begleitet wird. Dass die junge Frau (Catrinel Marlon), die er dort trifft ausgerechnet Gilda heißt, ist natürlich wieder eine Anspielung auf Charles Vidors Film noir-Klassiker „Gilda“. Wie diese von Rita Hayworth gespielte femme fatale setzt auch Porumboius Gilda auf ihre Verführungskünste und wickelt Cristi um den Finger. Passend zu ihrer erotischen Ausstrahlung trägt sie bei ihrem ersten Auftritt folglich auch ein leuchtend rotes Kleid und ist das Insert dieses „Gilda“ betitelten Kapitels in leuchtendes Rot getaucht.


Cristi soll auf La Gomera die Pfeifsprache der indigenen Bevölkerung lernen, um sich so in Bukarest verständigen zu können, ohne dass die Polizei über die omnipräsenten Überwachungskameras seinen Gesprächen folgen kann. Weil er auch auf La Gomera bespitzelt wird, muss er sein Handy sogleich abschalten. Neben Gilda trifft er hier auch Paco und Kiko, die alle in die kriminellen Machenschaften verwickelt sind.


Dass diese Gangster nicht zimperlich sind, zeigt sich, als ihr Pfeiftraining in einer leeren Fabrikhalle von einem Filmemacher, der Locations für seinen nächsten Film sucht, gestört wird. Schüsse im Off deuten an, dass diese Störung dem Filmemacher nicht gut bekam.


Gleichzeitig setzt sich damit aber auch wieder Porumboius metafilmisches Spiel fort, das später mit dem Besuch eines Kinos, in dem John Fords „The Searchers“ läuft, aber auch mit dem rumänischen Krimiklassiker „Ein Kommissar klagt an“ im Fernsehen weitergetrieben wird, während das Thema des permanenten Abhörens natürlich an Francis Ford Coppolas „The Conversation“ erinnert, aber auch die berühmte Dusch-Szene aus Hitchcocks „Psycho“ wird zitiert und variiert.


Das Spiel mit der Sprache und die Verwendung von Pfeifsprache erinnert wiederum an Porumboius eigenen Film „Police, Adjective“, andererseits wird aber auch mit dem Wort „verpfeifen“ gespielt. Während die Pfeifsprache der heimlichen Weitergabe von Nachrichten dient, geht es nämlich gleichzeitig immer wieder darum, dass Leute verpfiffen - also verraten - werden.


Denn einst hat der Matratzenfabrikant Zsolt, der als Geldwäscher für große Drogenhändler gilt und 30 Millionen Euro in seiner Fabrik versteckt haben soll, seinen Bruder wegen Drogenkonsums verpfiffen, nun sitzt er selbst im Knast, weil er verpfiffen wurde, und gleichzeitig verpfeift Cristi die Mafiosi gegenüber seiner Chefin Magda, da sie ihn mit ihrem Wissen über seine Bestechlichkeit unter Druck setzt.


So spielt hier jeder ein doppeltes Spiel, zu allererst natürlich Porumboiu selbst, wenn er Film noir-Muster nutzt, um mit dem Kino zu spielen, seine Figuren auch in ein ehemaliges Filmstudio führt und mit einen Showdown in einem Park – wieder im Off – ebenso wie mit einem billigen Motel als Unterschlupf mit klassischen Film Locations arbeitet.


Auch die Chronologie wirbelt der Rumäne dabei durcheinander, schneidet in den Aufenthalt auf La Gomera frühere Ereignisse in Bukarest und wechselt immer wieder die Perspektive zwischen Polizei und Gangstern sowie dem sich auf beiden Seiten bewegenden Cristi. Gegliedert wird „La Gomera“ durch Kapitel, die jeweils mit dem Namen der Figur, die im Folgenden im Zentrum stehen wird, überschrieben sind.


Lustvoll spielt Porumboiu aber auch mit der Musik, denn es bleibt nicht bei Pops „The Passenger“, sondern im Motel läuft auf einem alten Plattenspieler immer Opernmusik wie die Baccarole aus Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“, auf La Gomera ertönt mal ein spanischer Schlager und auch Carl Orffs Carmina Burana sind mal zu hören oder Weills „Ballade von Mackie Messer“. Vollends zum Spiel wird schließlich das Finale im Singapurer „Garden of Bay“ mit der „Garden Rhapsody“, bei der der Donauwalzer in den Radetzky-Marsch und schließlich in den Cancan aus Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ übergeht und im Rhythmus der Musik die von Neonlicht erhellten Türme in unterschiedlichen Farben aufleuchten.


Die auf Spannung ausgerichtete Dramaturgie klassischer Krimis unterläuft der Rumäne dabei gezielt, dekonstruiert gewissermaßen den Film noir und macht die Bausteine und Muster in trocken-lakonischer Erzählweise sichtbar. Raffiniert ist das konstruiert und durchsetzt mit einigem Witz, andererseits bringt das Spielerische auch eine Kälte mit sich, bleibt der Zuschauer distanziert, ist zwar gespannt, welche Wendung als nächstes folgt, baut aber kaum eine emotionale Beziehung zu den Figuren auf, die als Marionetten in der Hand des Regisseurs erscheinen.


Läuft derzeit im St. Galler Kinok FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: 22.4. + 23.4.


Trailer zu "La Gomera - Verpfiffen und verraten"



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