Eine Frau glaubt sich bei Zärtlichkeiten oder Sex in einen Panther zu verwandeln, der seinen Partner zerfleischt: Mit einem minimalen Budget von rund 140.000 Dollar gelang Jacques Tourneur ein atmosphärisch dichter Klassiker des subtilen Horrorfilms, der virtuos mit der Fantasie der Zuschauer*innen spielt. Bei Filmjuwelen ist das zeitlose Meisterwerk mit umfangreichem Bonusmaterial auf DVD und Blu-ray erschienen.
Nach einer ersten Blüte des amerikanischen Horrorfilms in den frühen 1930er Jahren mit den Universal-Produktionen "Dracula" (1931), "Frankenstein" (1931) und "The Mummy" (1932) erlebte das Genre in den frühen 1940er Jahren durch Val Lewtons für RKO produzierten Filme einen zweiten Höhepunkt.
Ganz anders war hier aber der Ansatz: Statt auf Spektakel setzte man auf alltägliche Geschichten, aus denen sich der Schrecken entwickelte, das Budget wurde auf maximal 150.000 Dollar beschränkt und die Filme durften nicht länger als 75 Minuten sein.
Zum Prototyp und einem der Meisterwerke dieser Filme wurde Jacques Tourneurs "Cat People", zu dessen Wirkung auch wesentlich Kameramann Nicolas Musuraca beitrug. Mit seiner fulminanten Schwarzweiß-Fotografie, bei der er virtuos mit Licht und Schatten arbeitete, erzeugte er durchgängig die beunruhigende Stimmung eines Film noir.
Ganz alltäglich beginnt "Cat People" mit der Begegnung eines Mannes und einer Frau in einem Zoo vor dem Pantherkäfig. Wenn freilich am Ende dieser Auftaktszene der Wind eine Zeichnung der Frau mit einem durchbohrten Panther gegen ein Gitter weht, deutet sich schon Unheil an. - Entscheidend für den Film ist dieses Spiel mit Andeutungen.
Rasch werden die serbische Modedesignerin Irena (Simone Simon) und der US-Ingenieur Oliver (Kent Smith) ein Paar. Weil Irena aufgrund einer alten Sage aus ihrer Heimat aber glaubt, sich bei einem Kuss in einen Panther zu verwandeln, der ihren Partner zerfleischt, hält sie Oliver auch nach ihrer Hochzeit auf Distanz. Unübersehbar ist dabei freilich, dass der Kuss für den Geschlechtsakt steht, der aufgrund der Zensur durch den Hays Code nicht thematisiert werden durfte.
Misogynie kann man "Cat People" in dieser Thematisierung von Penetrationsangst und der Verwandlung der Frau in eine wilde Raubkatze durch Sex vorwerfen, doch nicht übersehen sollte man, dass Tourneur in dem während des Zweiten Weltkriegs entstandenen Films auch mit der Fremdenangst der Amerikaner*innen spielt.
Trotz seiner Heirat wird Oliver seiner Arbeitskollegin und Freundin Alice nämlich erklären, dass er von Irena zwar fasziniert sei, sie aber nicht liebe. Dieser Außenseiterin stehen mit Oliver und Alice zwei Durchschnittsamerikaner gegenüber, die sich sukzessive näher kommen.
Dies schürt aber wieder die Eifersucht Irenas, die sich vom Pantherkäfig im Zoo magisch angezogen fühlt. Wie der Panther im Zoo lebt sie in ihrem inneren Gefängnis, aus dem sie nicht ausbrechen kann. So ist "Cat People" auch eine Studie der Einsamkeit und der Sehnsucht nach Nähe und Zärtlichkeit, die unerfüllt bleibt.
Durch die Konsultation eines Psychiaters sollen Irenas Ängste bekämpft werden. Mythenhaftes und Irrationales trifft so auf moderne Wissenschaft und gerade die Psychoanalyse hielt in den 1940er Jahren nicht nur mit "Cat People", sondern beispielsweise auch mit Hitchcocks "Spellbound" (1945) Einzug in Hollywood. Irenas Erzählungen über ihre Heimat will der Psychiater natürlich nicht glauben, sondern sieht dahinter traumatische Kindheitserfahrungen.
Auf Gewaltszenen verzichtet Tourneur bis kurz vor Ende und vertraut ganz auf das Spiel mit Andeutungen. Immer wieder setzt er so Irena in Bezug zu Katzen oder Raubtieren, wenn sie in ihrer Wohnung vor einem Gemälde mit einer Katze sitzt, in einem Museum ein Schiffsmodell mit einem Panther als Galionsfigur betrachtet, oder wenn nicht nur kleine Kätzchen, sondern auch eine ganze Tierhandlung auf ihre Nähe hysterisch reagiert.
Mehr Spannung und Schrecken als mit konkreter Darstellung erzeugt Tourneur mit diesen Andeutungen, durch die die Fantasie der Zuschauer*innen mobilisiert wird. Legendäre Meisterstücke sind in dieser Beziehung eine Szene, in der sich Alice von Irena einmal auf einer nächtlichen Straße und einmal im nächtlichen Swimmingpool ihrer Wohnanlage verfolgt fühlt.
Einzig mit Schnitten auf Alices Füße und dem Wechsel zwischen Schrittgeräuschen und Stille erzeugt Tourneur in der Straßenverfolgung Spannung, bis diese mit dem abrupten Auftauchen eines Busses gelöst wird. Und auch im Schwimmbad sieht man nur kurz einen Schatten an einer Wand, während sich im Pool die Angst und das Gefühl einer Bedrohung allein durch die Lichtreflexionen des Wassers an den Wänden entwickelt.
Selbst der finale Kampf wird nicht direkt gezeigt, sondern nur als Schattenspiel an der Wand, und meisterhaft schließt sich der Kreis zum Anfang, wenn "Cat People" am Ende nochmals zum Pantherkäfig zurückkehrt und auch die Zeichnung vom durchbohrten Panther wieder aufgenommen wird: Muss sich das oder die Fremde opfern, damit es ein Glück für das typische amerikanische Paar geben kann?
Nicht nur zeitlos ist dieser gerade mal 73 Minuten lange subtile, ganz im Alltag verankerte Horrorfilm, sondern hat mit den Jahren sogar noch an Wirkung gewonnen. Immer noch besticht die ökonomische Erzählweise, mit der in knappen Szenen die Handlung rasant vorangetrieben wird, und immer noch erzeugt die brillante Kameraarbeit von Nicolas Musuraca eine Atmosphäre, die "Cat People" zwischen Alltag und Albtraum, zwischen Realität und Irrsinn, zwischen alten Geschichten und moderner Welt pendeln lässt.
An Sprachversionen bieten die bei Filmjuwelen erschienene DVD und Blu-ray, die auch durch das gestochen scharfe Bild begeistern, neben der englischen Originalfassung, zu der deutsche Untertitel sowie englische Untertitel für Hörgeschädigte zugeschaltet werden können, auch die deutsche Synchronfassung.
Die Extras umfassen neben dem originalen und dem deutschen Trailer unter anderem zwei deutschsprachige Audiokommentare. Während Rolf Giesen kaum auf den Film an sich eingeht, sondern Hintergrundinfos über die Geschichte der Horrorliteratur, über Val Lewton und das 1982 entstandene Remake von Paul Schrader liefert, mischt Lars Dreyer-Winkelmann Hintergrundinformationen mit detaillierten Analysen einzelner Szenen. Der Kommentator bietet aber auch Einblick in die Geschichte des US-Horrorfilms vor Tourneurs Meisterwerk und deckt immer wieder Parallelen einzelner Bilder von "Cat People" zu anderen Filmen auf.
Dazu kommen ein Booklet mit einer ausführlichen und fundierten Analyse des Films von Roland Mörchen sowie deutsch untertitelte Interviews mit Jacques Tourneur und dem Kameramann John Bailey. Tourneur bietet in dem 1977 in Frankreich entstandenen Gespräch Einblick in seinen Weg zum Film ebenso wie in die Filmarbeit in Hollywood und im Allgemeinen, spricht aber auch über "Cat People" und seinen wenig bekannten Lieblingsfilm "Stars in my Crown" (1950).
Bailey dagegen, der bei Schraders Remake die Kamera führte, spricht in dem etwa 15-minütigen Interview ausführlich über die Arbeit der Film noir-Kameramänner John Alton und Nicolas Musuraca mit Licht und Schatten und vergleicht die Inszenierung von Verfolgungsjagd und Poolszene in Tourneurs Film mit der in Schraders Remake.
Trailer zu "Katzenmenschen - Cat People" (1942)
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