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AutorenbildWalter Gasperi

Harriet – Der Weg in die Freiheit


Kasi Lemmons erzählt in ihrem Historienfilm von der Afroamerikanerin Harriet Tubman, die Mitte des 19. Jahrhunderts Sklaven half aus den Südstaaten in den Norden und nach Kanada zu fliehen. – Eine starke Geschichte um eine beeindruckende Frau, aber selbst Cynthia Erivos leidenschaftliche Verkörperung der Protagonistin kann nicht über die flache und allzu konventionelle Inszenierung hinwegtäuschen.


Harriet Tubman (ca. 1820 – 1913) gehört in den USA zu den afroamerikanischen Ikonen. Als Sklavin geboren war sie nach ihrer Flucht nicht nur als Flüchtlingshelferin tätig, sondern engagierte sich nach Aufhebung der Sklaverei im Jahre 1865 auch leidenschaftlich in der amerikanische Frauenbewegung.


Nach ihrem Tod geriet Tubman zwar weitgehend in Vergessenheit, doch Kinderbücher riefen ab den 1960er Jahren ihr Leben wieder in Erinnerung. Um diese zu festigen, beschloss die Obama-Regierung 2016 Tubmans Konterfei auf einem neuen 20-Dollar-Schein zu zeigen, unter der Trump-Regierung wurde dies aber wieder verschoben. Kasi Lemmons zeichnet in ihrem Biopic nicht Tubmans langes Leben nach, sondern beschränkt sich auf deren Tätigkeit als Fluchthelferin.


Zunehmend unerträglich wird für die junge Minty Ross (Cynthia Erivos) Mitte des 19. Jahrhunderts die Situation als Sklavin auf einer Plantage in Maryland. Als der Plantagenbesitzer (Joe Alwyn) sie auch noch verkaufen will, um seinen finanziell angeschlagenen Betrieb zu retten, flieht sie allein und schlägt sich bis ins 100 Meilen entfernte Philadelphia durch.


Eine ganz andere Welt mit freien und kultivierten Afroamerikanern lernt sie hier kennen und wird auch in das Netzwerk "Underground Railroad" eingeführt, das Sklaven im Süden befreit und bei der Flucht in den Norden begleitet. Bald wird Minty, die sich nun im Gedenken an ihre Mutter Harriet nennt, auch selbst aktiv, begibt sich mehrfach auf die gefährliche Reise in den Süden und befreit unter Einsatz ihres Lebens zunächst vor allem ihre Familienmitglieder.


Beeindruckend ist nicht nur die Protagonistin, sondern natürlich auch diese Geschichte, bei der weibliche und afroamerikanische Emanzipation untrennbar verknüpft sind. Mit Leidenschaft spielt auch die britische Schauspielerin und Sängerin Cynthia Erivos diese engagierte Frau, die auch bei einer politischen Versammlung in Philadelphia entschlossen ihre Stimme erhebt und den Norden auffordert sich weiterhin für die Befreiung der Sklaven einzusetzen.


Ein großer Film hätte aus diesem Stoff werden können und müssen, aber die Inszenierung von Lemmons ist allzu flach und konventionell. Da schwelgt der Film nicht nur immer wieder in Landschaftstotalen mit Sonnenauf- und -untergängen, sondern permanent dreht auch die Musik auf, um Emotionen zu schüren.


Routiniert wird zwar die Geschichte erzählt, Langeweile kommt angesichts der Handlungsfülle nicht auf, aber leider wird auch nichts vertieft. Ganz an der Oberfläche bleibt "Harriet", allzu einfach wird auch die gesellschaftliche Realität auf den Antagonismus von Harriet und ihren einstigen Besitzer verkürzt. Raum, um komplexere Charaktere zu schaffen, wird den Schauspielern kaum geboten, statt Ambivalenzen, die für Reibung und Spannung sorgen könnten, dominiert Schwarzweißmalerei mit einer hagiographischen Feier der Titelheldin. In Form eines schönen Bilderbogens folgt so Szene auf Szene, aber auf einen richtigen Höhepunkt steuert dieses Drama nie zu.


Zumindest problematisch ist auch der religiöse Kontext, der eingeflochten wird, wenn Harriet - wie Jeanne d´Arc – betont, von göttlichen Visionen geleitet zu werden. Immer wieder sieht sie in bruchstückhaften, in blaues Licht getauchten Szenen Dinge voraus oder traumatische Erinnerungen steigen in ihr auf. Verstärkt wird diese religiöse Komponente dadurch, dass sie sich als Fluchthelferin "Moses" nennt und auch mit dem Spiritual "Go Down Moses" die Sklaven zur Flucht aufruft. Arg prätentiös wird hier die Analogie zur biblischen Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Knechtschaft durch Moses hergestellt.


Gut gemeint ist "Harriet" somit zwar und hat das Herz am rechten Fleck, doch während die Tubman eine herausragende Persönlichkeit war, bleibt dieses Biopic von Anfang bis Ende ausgesprochen durchschnittlich.


Läuft derzeit in den österreichischen und deutschen Kinos - in Vorarlberg im Metrokino Bregenz, Cinema Dornbirn und Kinothek Lustenau


Trailer zu "Harriet - Der Weg in die Freiheit"



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