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  • AutorenbildWalter Gasperi

Giallo - Verstörende Farb- und Klangwelten


Profondo rosso (Dario Argento, 1975) (c) Stadtkino Basel

Die italienischen Thriller der 1960er und 1970er Jahre, in denen die spektakuläre Inszenierung eines Mordes und ein Rausch aus Farben wichtiger sind als logischer Handlungsaufbau, genießen bei vielen Cineasten Kultstatus. Das Österreichische Filmmuseum lädt bis 24. Oktober mit rund 40 Filmen zu einem Streifzug durch dieses Subgenre des Thrillers ein.


Nicht mehr als „Gelb“ lautet die Übersetzung von „Giallo“. Die Bezeichung bezieht sich auf die knallgelben Einbände der Kriminalromane, die ab 1929 im Mailänder Verlag Mondadori erschienen. Meist handelte es sich dabei um Übersetzungen englischer Autoren und die deutschen Edgar-Wallace-Filme der 1960er Jahre gelten ebenso als wichtige Inspiration für den „Giallo“ wie Alfred Hitchcocks „Psycho“.


Den prototypischen Giallo drehte Mario Bava 1963 mit dem noch schwarzweißen „La ragazza che sapeva troppo“ („Das Mädchen, das zuviel wusste“), dem er ein Jahr später mit „Sei donne per l´assassino“ („Blutige Seide“) folgen ließ, in dem er auch effektvoll die Farbe einsetzte.


Vielfach gleich aufgebaut sind die Gialli, wichtiger als die Handlung sind die Inszenierung einzelner Szenen, Details und das Spiel mit Farbe, Licht und Musik. Als grundlegende Giallo-Motive gelten folgende Elemente (Marcus Stiglegger, Grenzüberschreitungen. Exkursionen der Filmgeschichte, S. 136f.; krimiserien.de):

- Die Hauptfigur wird zunächst unschuldig in ein Verbrechen verstrickt. - Der Mörder, bei dem es sich oft um eine Frau handelt, ist meist schwarz gekleidet, trägt Handschuhe und Hut. - Die Morde werden durch die Inszenierung mit exzentrischer Lichtregie, greller Farbdramaturgie und eindringlichem Sound-Design zu dramaturgischen Höhepunkten stilisiert und werden oft an düsteren oder bizarren Orten wie Kunstgalerien oder in betont modernem Ambiente begangen.


Die Taten, die oft aus der subjektiven Perspektive des Mörders geschildert werden, werden vielfach mit phallischen Hieb- und Stichwaffen ausgeführt, durch die eine sexuelle Komponente ins Spiel kommt. Ermittlerin ist dabei nicht ein Polizist, sondern vielmehr die zivile Hauptfigur, die sich vielfach auch einer verdrängten Erinnerung stellen muss.


Oft hängt auch das Motiv des Mörders, der erst am Ende entlarvt wird und nicht unbedingt aus dem engeren Personenkreis stammt, mit einem traumatischen Erlebnis in der Vergangenheit zusammen.


Neben Mario Bava stieg Ende der 1960er Jahre Dario Argento zum zweiten großen Meister des Giallo auf. Dieser interessierte sich noch weniger als Bava für konventionelle Plots, sondern rückte die kinematographischen Effekte in den Vordergrund und nutzte die Handlung als Spielwiese für formale Experimente. Zu seinen Meisterwerken zählen neben „Suspiria“ (1977) „Profondo rosso“ (1975), „Inferno“ (1980) und „Tenebre“ (1982).


Nicht durch die Handlung, die vielfach diffus bleibt, packen diese Filme, sondern durch die Konzentration auf den filmischen Ausdruck, das teilweise fast abstrakte, aber ungemein intensive Spiel mit Licht, Farbe und Klangwelten, das verstört und Albträume auslösen kann.


Nicht ohne Folgen blieb die in den späten 1970er Jahren abebbende Welle des Giallo für das Weltkino. Der amerikanische Slasher-Film, den John Carpenter mit „Halloween“ 1978 begründete, ist ebenso davon beeinflusst wie Brian de Palmas „Dressed to Kill“ (1980) oder Quentin Tarantinos „Death Proof“ (2007).


Und auch in Europa erlebte der Giallo, der in seiner Blütezeit zwar kommerziell erfolgreich war, aber nicht wirklich ernst genommen wurde, in den letzten Jahren mit Peter Stricksland Hommage „Berberian Sound Studio“ (2012) und Hélène Cattets und Bruno Forzanis avantgardistischer Bilderrausch „Amer“ (2009) eine kleine Renaissance.



Trailer zu "Profondo rosso"



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