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  • AutorenbildWalter Gasperi

Gaza mon amour


Vor dem Hintergrund der bedrückenden Verhältnisse im Gazastreifen verliebt sich ein schüchterner 60-jähriger Fischer in eine verwitwete Schneiderin. – Den Zwillingsbrüdern Arab und Tarzan Nasser gelang eine von leisem Humor durchzogene, warmherzige und optimistische Komödie, die aber nie die harten Lebensbedingungen in diesem dicht besiedelten Teil der Palästinensischen Autonomiegebiete vergessen lässt.


Der 60-jährige Issa (Salim Dau) fährt nicht nur deshalb nachts mit seinem Kutter aufs Meer, weil dann der Fang größer ist, sondern auch weil er keine Lizenz hat. Doch nicht nur in diesen Szenen bestimmt Dunkelheit den Film der Brüder Arab und Tarzan Nasser, sondern auch in der Wohnung von Issa, auf den Straßen oder am Markt evoziert die Reduktion der Farbpalette auf Grau- und Blautöne eine bedrückende Stimmung.


Gesteigert wird diese durch die ständige Präsenz von Militär und Kontrollen, aber auch durch Nachrichten über israelische Angriffe. Warme Farben sind aus der palästinensischen Einreichung für die diesjährigen Oscars nahezu gänzlich verbannt, Rot leuchtet nur in einem Traum und in der Schlussszene auf.


Aber auch das alltägliche Leben lässt kaum Hoffnung aufkommen. Ärmliche Wohnungen, die unsichere Stromversorgung und die engen Gassen sowie die triste materielle Situation vermitteln eindrücklich die sehr eingeschränkten Möglichkeiten und prekären Lebensbedingungen. Kein Wunder ist es, dass Issas jüngerer Freund, der einen kleinen Laden führt, die Emigration plant, der Fischer aber kann sich nicht vorstellen seine Heimat zu verlassen.


Das liegt wohl auch daran, dass sich der einsame Junggeselle heimlich in die verwitwete Näherin Siham verliebt hat. Zu schüchtern ist er aber, um seinem Schwarm seine Liebe zu gestehen. Am Mark beobachtet er sie zwar, wagt sie aber nicht anzusprechen. Wenn zuhause zum Braten der Fische Musik einsetzt, die die Nassers spärlich verwenden, wird spürbar wie Gedanken an Siahem Issa aufblühen lassen und seine Lebensgeister wecken.


Lange folgt Das Regie-Duo getrennt den beiden Protagonisten und immer wieder kontrastieren schnulzige Telenovelas, die permanent im Fernsehen laufen, den tristen Alltag. Erst als Issa und Siahem gemeinsam im Regen an einer Bushaltestelle stehen, wagt er sie anzusprechen. Doch nicht über seine Gefühle redet er, sondern fragt sie nur, ob sie denn seine Hose flicken könne, und leiht ihr später seinen Regenschirm, da er sich doch mit seiner Kapuze schützen könne. Siham bleibt die Schwärmerei Issas nicht verborgen, ignoriert sie aber scheinbar.


Während sie mit ihrer geschiedenen Tochter zusammenlebt und ständig mit ihr streitet, kümmert sich um Issa seine Schwester. Als sie von seinen Heiratsplänen erfährt, glaubt sie sogleich eine passende Braut suchen zu müssen, obwohl Issa ihr erklärt, dass er diese schon gefunden habe.


Bewegung kommt ins Leben des Fischers, als er eines Nachts statt Fischen eine antike Bronzestatue im Netz ins Boot zieht. Vom realen Fund einer Apollostatue im Jahr 2014 ließen sich die Nassers zu dieser Wendung anregen. Hier irritiert den Protagonisten der erigierte Penis des Fundes und befeuert seine Liebesleidenschaft. Wie in der Realität beginnt sich aber auch die Hamas für die Statue zu interessieren, sodass sich für Issa Probleme ergeben.


Mit bewundernswerter Ruhe und Lakonie erzählen Arab und Tarzan Nasser, die den Film ihrem Vater gewidmet haben. Geduldig entwickeln sie die Geschichte, forcieren nichts, sondern lassen ihren Charakteren und Szenen Raum. Vertrauen können sie dabei auch auf die beiden großartigen HauptdarstellerInnen Salim Dau und Hiam Abbass sowie sorgfältig besetzte Nebenrollen.


Hinreißend ist der in Israel geborene Dau als bärtiger, nach außen bärbeißiger Fischer, in dem aber eine zarte Seele schlummert. Kongeniale Partnerin hat er in Hiam Abbass, die Siahem als stolze und verschlossene Witwe spielt, die sich hinter der zur Schau gestellten kühlen Fassade aber doch nach Liebe und einer Beziehung sehnt.


Stoff für ein Drama böten Hintergrund und Geschichte, doch die Nassers entwickeln mit ihrem ebenso feinfühligen wie warmherzigen Blick eine von leisem Humor durchzogene, sehr menschliche Komödie, deren Figuren man rasch ins Herz schließt. Nicht gerade neu ist zwar die Botschaft, dass Liebe in Zeiten äußerer Bedrängnis der einzige Trost ist, doch wie hier davon erzählt wird, wirkt echt und glaubwürdig.


Ein echtes Kleinod ist den beiden Palästinensern mit ihrem zweiten Spielfilm so gelungen, den sie nur mit finanzieller Unterstützung Frankreichs, Deutschlands, Portugals und Katars realisieren und nicht in Gaza, sondern in Jordanien und Spanien drehen mussten. Aus der Ferne erklären die 1988 in Gaza geborenen Zwillinge damit den Menschen ihrer Heimat ihre Liebe, rechnen aber auch bissig mit der Bürokratie und der Macht der Hamas ab.


Läuft derzeit in den österreichischen, Schweizer und deutschen Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen Filmkulturclub Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 29.9., 18 Uhr + do 30.9., 19.30 Uhr


Trailer zu "Gaza mon amour"



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