Anhand des Kriminalfilms "Alarm", des Melodrams und Gerichtsfilms "Ich klage an" und des Familien- und Kriegsfilms "Die Degenhardts" arbeitet der Filmhistoriker Wolfgang Jacobsen heraus, wie im Dritten Reich auch in scheinbar unpolitischen Unterhaltungsfilmen die nationalsozialistische Ideologie propagiert und indoktriniert wurde.
Schmal ist das im Berliner Verbrecher Verlag erschienene Buch, aber dicht ist das Netz an Bezügen, das Wolfgang Jacobsen in seinen sehr persönlichen Texten webt. Gerade nicht auf berüchtigte Propagandafilme wie "Jud Süß", "Triumph des Willens" oder "Kolberg" fokussiert der Autor dabei, sondern will anhand von – abgesehen von "Ich klage an" – unbekannten Filmen aufzeigen, wie ganz nebenbei nationalsozialistische Ideologie transportiert wurde.
Ausgehend von einer detaillierten Nachzeichnung einzelner Szenen dieser Filme zeigt der Autor anschaulich die propagandistische Stoßrichtung auf. Herbert B. Fredersdorfs "Alarm" (1941) wird so in den Kontext der kritischen Haltung des Nationalsozialismus gegenüber dem beim Volk beliebten Genre des Kriminalfilms gestellt. Unabhängig ermittelnde Detektive waren dem Regime ein Dorn im Auge, ganz mit den Zielen der Machthaber überein stimmte dagegen die Schilderung der durchstrukturierten Polizeiarbeit in "Alarm". Wenn dabei nebenbei auch Bespitzelung propagiert wird, als Mittel um Verbrechen zu verhindern, und Selbstjustiz verteidigt wird für Fälle, in denen die Täter sich der Verhaftung und Verurteilung entziehen können, wird "Alarm" auch zum Weckruf an die Zuschauer die Polizeiarbeit zu unterstützen.
Besonders stark und berührend ist der Abschnitt über Wolfgang Liebeneiners berüchtigten Spielfilm "Ich klage an" (1941). Jacobsen hat diesen Text seinem Großvater gewidmet, der im Zuge des nationalsozialistischen "Euthanasie-Programms" ermordet wurde. Der Autor bietet dabei nicht nur Einblick in die ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber dem "Euthanasie-Programm", sondern zeigt auch wie dieser Film, die Massen umstimmen sollte.
Statt von "töten" wird so in Umdeutung christlicher Motive konsequent von "erlösen" gesprochen. Was sich dahinter aber in Realität verbarg, wird deutlich, wenn abschließend detailliert die mörderische Aktion nachgezeichnet wird, der zwischen 1939 und 1945 zwischen 200.000 und 300.000 Menschen zum Opfer fielen.
Wie bei Liebeneiners Film der Einfluss von Frank Capras "It Happened One Night" herausgearbeitet wird, so bei Werner Klinglers "Die Degenhardts" (1944) die Parallelen zu William Wylers "Mrs. Miniver". Die Rolle des zerbombten Lübeck, in dem "Die Degenhardts" spielt, beleuchtet Jacobsen ebenso wie vor allem die Darstellung der Familie als Symbol für die (deutsche) Volksgemeinschaft insgesamt. So arbeitet dieser Mix aus Familiendrama und Kriegsfilm an einer "letzten Auf- und Zurüstung des Bürgertums".
In assoziativem Erzählfluss webt Jacobsen in die Filmbeschreibungen Anmerkungen zur Produktion der Filme, zur Karriere der Schauspieler und zeitgeschichtliche Dokumente ein, durch die die Filme in den gesellschaftlich-politischen Kontext gestellt werden. Aber auch Beispiele für die zeitgenössische Rezeption dieser Filme, die die – auch sprachliche – Gleichschaltung der Filmkritik bewusst machen, fehlen nicht.
So bietet "Nazis können nicht lieben" in der Verknüpfung dieser vielfältigen Quellen mit den Filmbeschreibungen nicht nur einen bestechenden Einblick in die ebenso perfekten wie perfiden propagandistischen Strategien des Kinos der NS-Zeit, sondern deckt auch das Verbrecherische und Unmenschliche dieses Regimes auf.
Wolfgang Jabobsen, Nazis können nicht lieben. Drei Filme aus Deutschland, Verbrecher Verlag, Berlin 2020, 160 S., € 16
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