In den 1990er Jahren stieg Hal Hartley mit wenigen Filmen zu einer Lichtgestalt des unabhängigen amerikanischen Kinos auf, doch bald darauf wurde es still um den 1959 geborenen New Yorker. Eine Retrospektive im Filmpodium Zürich und im Kino Cameo in Winterthur bietet nicht nur die Gelegenheit einer (Wieder) Entdeckung von Hartleys frühen Filmen, sondern zeigt auch die zwischen 1997 und 2014 entstandene „Henry Fool“-Trilogie, die hierzulande nie in die Kinos kam.
Der am 3. November 1959 in der New Yorker Vorstadt Lindenhurst geborene Hal Hartley studierte nach der Highschool zunächst ein Jahr in Boston Malerei, entdeckte dabei aber seine Begeisterung fürs Kino, brach das Studium ab und wechselte an die Purchase Film School der State University of New York.
Nicht nur mit seinem Abschlussfilm „Kid“ (1984), in dem er seine eigenen Frustrationen verarbeitete, kehrte Hartley in seine Heimatstadt Lindenhurst zurück, sondern auch seine ersten Kinofilme „The Unbelievable Truth“ (1989) und „Trust“ (1991) und teilweise „Simple Men“ spielen dort und bilden die so genannte „Long Island-Trilogie“.
Mit kleinen Budgets und einem Team, das er teilweise im Freundeskreis fand, drehte Hartley in dieser Zeit rasch hintereinander mehrere Filme, die ihn durch ihren eigenwilligen Stil berühmt machten. Lakonisch ist die Erzählweise, bewusst ausdruckslos das Schauspiel und bruchlos gehen Komik und Tragik ineinander über.
Im Mittelpunkt von „The Unbelievable Truth“ und „Trust“ stehen dabei vom Leben gebeutelte junge Menschen, die langsam wieder in der Kleinstadt, auf die Hartley satirisch blickt, Fuß fassen müssen. Aufgehellt durch Liebesgeschichten, untersucht er dabei laut Tom McSorley den zunehmend vulgären Materialismus der amerikanischen Gesellschaft und ihre Abkehr von ihren Gründungsidealen.
Sind das noch Alltagsgeschichten begann Hartley in der Folge Muster des amerikanischen Genrekinos mit Elementen des europäischen Autorenfilms zu verknüpfen. So schickt er in „Simple Men“ (1992) einen Räuber und seinen Bruder auf die Suche nach ihrem im Untergrund lebenden Vater oder führt in „Amateur“ (1994) einen Mann ohne Gedächtnis mit einer ehemaligen Nonne, die nun Pornogeschichten schreibt, und einer Porno-Darstellerin, die ein neues Leben beginnen will, zusammen.
Hartley erfüllt dabei aber nicht die Genre-Erwartungen, sondern spielt damit, unterwandert sie und dekonstruiert die Muster, thematisiert die Absurditäten des Kleinstadtlebens und zeigt die Sehnsucht nach Glück jenseits gesellschaftlicher Konventionen. Spielfilme im wahrsten Sinn des Wortes sind das immer wieder, weil der Plot vor allem Anlass ist, um dem Regisseur Raum zum Spiel mit filmischen Standardsituationen und den Schauspielern Raum zum Spiel mit ihren Rollen zu geben.
Entstand „Amateur“ in New York City, so spannte Hartley den Bogen bei "Flirt” (1993 – 1995) um die ganze Welt und erzählte in New York, Berlin und Tokio drei fast identische Geschichten von Beziehungsängsten und Zukunftshoffnungen von drei Paaren.
Mit „Henry Fool“ begann Hartley eine Trilogie, die er 2006 mit „Fay Grim“ fortsetzte und 2014 mit „Ned Rifle“, der vollständig über die Crowdfounding-Plattform Kickstarter finanziert wurde, abschloss. Durch die große Zeitspanne der Entstehung zeichnen diese Filme auch den Wandel der amerikanischen Gesellschaft innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte nach. Zunehmend düsterer wird dabei in dieser Geschichte der Familie Grim, deren Leben durch das Auftauchen des Schriftstellers und Lebemanns Henry Fool in Bewegung kommt und wilde Kapriolen schlägt, das Bild der USA.
Neben dieser Trilogie drehte Hartley in den 2000er Jahren keine weiteren Kinofilme, unterrichtete einige Jahre Film an der Harvard Universitiy, inszenierte in Berlin die Film-Oper „La Commedia“ und mehrere Kurzfilme und von 2015 bis 2017 acht Episoden der Amazon-Comedy Fernsehserie „Red Oaks“.
Trailer zur "Henry Fool"-Trilogie
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