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AutorenbildWalter Gasperi

Fabian oder der Gang vor die Hunde


Dominik Graf taucht in seiner Erich Kästner-Verfilmung mit seinem Protagonisten ins Berlin der frühen 1930er Jahre ein und evoziert mit reicher filmischer Textur ein atmosphärisch dichtes Bild der Zeit zwischen Hedonismus, Wirtschaftskrise und aufsteigendem Nationalsozialismus.


Nach Wolf Gremms 1980 entstandener Erstverfilmung von Erich Kästners 1931 erschienenem Großstadtroman "Fabian" legt Dominik Graf nun eine Neuverfilmung vor. Während Burhan Qurbani im letzten Jahr Alfred Döblins etwa zur gleichen Zeit spielenden "Berlin Alexanderplatz" in die Gegenwart verlegte, lässt Graf das Publikum in die frühen 1930er Jahre eintauchen.


In langer Fahrt gleitet die Kamera von Hanno Lentz zwar durch die heutige Berliner U-Bahnstation Heidelberger Platz, doch als sie aus dieser Unterwelt vorbei an einem Plakat mit einem Hakenkreuz auftaucht, sind wir im Berlin des Jahres 1931.


An ein Geländer gelehnt, steht der junge Germanist Jakob Fabian (Tom Schilling), den auch seine Freunde nur mit seinem Nachnahmen anreden. Schriftsteller wäre er gern, doch arbeitet er als Werbetexter für eine Zigarettenfirma und zieht nachts durch die Cabarets und Bordelle, bis er Cornelia (Saskia Rosendahl) kennenlernt, die in der Rechtsabteilung einer Filmfirma arbeitet. Eine große Liebe entwickelt sich, doch als Cornelias Chef, ein schmieriger Filmmogul, ihr eine Karriere als Schauspielerin in Aussicht stellt, verlässt sie Fabian. So bleibt ihm sein reicher Freund Labude (Albrecht Schuch), der sich politisch bei den Kommunisten engagiert und auch mit seiner Habilitation über den Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing eine Gegenposition zur erstarkenden Rechten bezieht.


Dicht beschwört Graf mit reicher filmischer Textur die Zeitstimmung. Nicht nur im 4:3 Format hat er seinen dreistündigen Film gedreht, sondern leichthändig wechselt er auch – zumindest am Beginn – immer wieder zwischen gestochen scharfen HD-Bildern und grobkörnigen Super 8-Aufnahmen. Einmal greift er mit Kreisblende und Zwischentiteln zu den Mitteln des Stummfilms, dann erzählt er wieder mit Splitscreen und auch Zeitraffer wird eingesetzt. Graf spielt lustvoll mit den Möglichkeiten des Kinos, doch nie wirkt das aufgesetzt, sondern fügt sich vielmehr zu einer großen Hommage an die audiovisuellen Möglichkeiten der Siebten Kunst.


Ist die sehr mobile Kamera einerseits ganz nah an den Protagonisten, wird andererseits mit Schnipseln aus zeitgenössischen schwarzweißen Großstadtfilmen dicht die Atmosphäre der Zeit evoziert. Dazu kommt ein allwissender Off-Erzähler, der mit Textpassagen aus Kästners Roman die Handlungen Fabians immer wieder kommentiert.


Graf gelingt so einerseits ein großartiges Zeitbild, in dem dem Hedonismus in den Nachtclubs die Arbeitslosigkeit aufgrund der Weltwirtschaftskrise und der Aufstieg der Nationalsozialisten, die durch die Straßen ziehen und auch an den Unis Einfluss gewinnen, gegenüberstehen. Unvermittelt knallen da auch mal Schüsse und Plakate an den Wänden machen die politischen Spannungen zwischen rechts und links bewusst.


Gleichzeitig sind aber auch noch mit Kriegsversehrten und dem Herzleiden von Fabian selbst die Spuren des 13 Jahre zurückliegenden Ersten Weltkriegs zu spüren. Alptraumhaft verfolgt Fabian so das – wohl durch einen Gasangriff – entstellte Gesicht eines Veteranen. Und andererseits gibt es wiederum eine blühende Filmindustrie, in der Cornelia hofft entdeckt zu werden und ihren Durchbruch zu schaffen.


Und vor diesem dichten und vielschichtigen Zeitbild, das nie verstaubt oder historisch, sondern immer gegenwärtig und frisch wirkt, erzählt "Fabian" einerseits die Geschichte einer großen Liebe, andererseits die einer Freundschaft. Nicht nur das Glück mit Cornelia ist nicht dauerhaft, sondern tragisch endet auch Fabians Freund Labude.


Mit diesem Freund bringen Kästner / Graf freilich auch wieder die großen sozialen Spannungen dieser Zeit ins Spiel. Denn während Fabian, der aus Dresden nach Berlin kam, kaum die Miete zahlen kann und schließlich seinen Job verliert, wohnt der Rechtsanwaltssohn Labude in einem exklusiven Bauhaus-Haus. Andererseits fühlt sich Labude von seinem genusssüchtigen Vater wiederum vernachlässigt, während sich Fabians Mutter liebevoll um ihren Sohn kümmert. Gleichzeitig stehen sich mit diesen beiden Figuren auch das politische Engagement Labudes und die distanzierte neutrale Beobachterposition Fabians gegenüber.


Mit ansteckender Leidenschaft und detailreicher Ausstattung hat Graf das inszeniert und feiert in seinem wohl reichsten und stärksten Film Jugend, Lebensfreude und Liebe, zeigt aber auch am Ende, wenn nicht nur Fabians Notizen in Flammen aufgehen, wie eine Welt in den Abgrund stürzt.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und ab 6.8. in den österreichischen Kinos - Spielboden Dornbirn: 30.9. + 19.10.

Trailer zu "Fabian oder der Gang vor die Hunde"




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