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  • AutorenbildWalter Gasperi

Dressed to Kill

Nach einem nachmittäglichen Date wird eine Frau in einem Fahrstuhl mit einem Rasiermesser brutal ermordet. Bald jagt der Killer auch die einzige Augenzeugin. – Bei Capelight Pictures ist Brian De Palmas 1980 entstandene, furiose Hommage an Alfred Hitchcock und den italienischen Giallo mit umfangreichen Extras in einem Mediabook auf Blu-ray und 4K Ultra HD erschienen.


Speziell in den 1970er und 1980er Jahren galt Brian De Palma als virtuoser Erbe Alfred Hitchcocks. Schon in der ersten Szene von "Dressed to Kill" beweist er so auch seine Meisterschaft im visuellen Inszenieren: Langsam gleitet die Kamera von Ralf Bode durch eine Wohnung ins Badezimmer. Wenig Beachtung wird dem sich rasierenden Mann geschenkt, der Fokus liegt auf der sich duschenden Kate (Angie Dickinson).


Die Nichtbeachtung des Mannes und die räumliche Distanz von Mann und Frau signalisieren auch eine emotionale Distanz. Vernachlässigt fühlt sich Kate und träumt sich beim Blick auf den Mann sichtlich in eine sexuelle Fantasie. Zunehmend lustvoller und intensiver streichelt sie ihre Brüste und den Schambereich, bis sie plötzlich von hinten ein Mann ergreift und würgt. Sogleich entpuppt sich die Szene als Traum Kates, die im Bett liegt und den wenig freudvollen Geschlechtsverkehr mit ihrem Mann über sich ergehen lässt.


Wie De Palma hier die legendäre Duschszene aus Hitchcocks "Psycho" zitiert, wird er diese nochmals variieren bei einem Mord in einem Fahrstuhl und am Ende nochmals zur Duschszene zurückkehren. Gleichzeitig erweist der Amerikaner hier aber auch dem italienischen Giallo seine Reverenz, denn ungleich expliziter als bei Hitchcock sind die Sexszenen. Zudem bringt er auch mit einem Rasiermesser als Mordwaffe und einem sich als Frau verkleideten Mörder typische Giallo-Momente ins Spiel.


Weiter treibt De Palma seine bis zum Manierismus gesteigerte Inszenierungskunst, wenn Kate nach einer Therapiesitzung bei einem Psychiater (Michael Caine) das Metropolitan Museum of Art besucht. Wortlos läuft diese über achtminütige Szene ab, in der Kate zunächst Gemälde betrachtet, dann andere Paare und eine Familie und schließlich einem Mann folgt, der bald wiederum ihr folgt.


Im Wechsel zwischen Blicken auf Kate und der subjektiven Perspektive Kates sowie der gleitenden Steadycam-Kamera entwickelt sich eine suggestive Spannung. Sukzessive gesteigert wird diese durch die langsam anschwellende Musik Pino Donaggios, der sich immer wieder unüberhörbar an Bernard Herrmanns Soundtracks für Hitchcock orientiert.


Großartig spielt De Palma dabei wie bei der Duschszene am Beginn mit der Rolle des Publikums als Voyeur. Wie es Kate beim sehr privaten Duschen über die Kamera beobachtete, so beobachtet man sie im Museum, während sie gleichzeitig den Fremden stalkt. Wortlos geht es mit einer Sexszene im Taxi weiter, in der auch der Taxifahrer zum Voyeur wird, wenn er den Spiegel einstellt, bis Kates Lustschreie in das Hupen der Autos übergeht.


Weiter geht es in die Wohnung des Fremden, wo die sexuell unbefriedigte Frau endlich einen erfüllten Nachmittag erlebt, der durch eine Entdeckung beim Verlassen der Wohnung aber in einen Schock mündet, der freilich durch die tödliche Begegnung mit dem Rasiermessermörder im Fahrstuhl noch um ein Vielfaches gesteigert wird.


De Palma zitiert mit dieser Mordszene nicht nur die Duschszene von "Psycho", sondern auch dessen Aufbau, wenn hier wie dort nach etwa 30 Minuten die vermeintliche Protagonistin ermordet wird. Mit dem Callgirl Liz (Nancy Allen) gibt es aber auch eine Zeugin, die den Täter, der scheinbar eine blonde Frau ist, im Spiegel des Fahrstuhls gesehen hat.


Während der schmierige Detective Marino (Dennis Franz) bei seinen Ermittlungen nicht weiter kommt, versucht der technikaffine Sohn der Ermordeten (Keith Gordon) selbst auf die Spur des/der Täter:in zu kommen. Dabei freundet er sich mit Liz an, die wiederum von dem/der Mörder:in gejagt wird, um die Zeugin zu beseitigen.


Figuren und Handlung gehören in den Bereich der Kolportage, doch bietet das Drehbuch De Palma jede Menge Möglichkeiten seine virtuose Inszenierungskunst zu demonstrieren. Endlos lange Szenen laufen hier ohne Dialog ab und leben allein von der Bildsprache. Immer wieder wird dabei mit der Schaulust des Publikums gespielt, wenn beispielsweise Nancy Allen in Dessous präsentiert wird und nicht nur ihr Gegenüber in Erregung versetzt.


Gleichzeitig ist Allens Prostituierte, die offen mit ihrer Sexualität umgeht und ihren Körper verkauft, auch ein Gegenpol zur sexuell unbefriedigten Kate: Alter und Frustration der einen stehen Jugendlichkeit und Lebensfreude der anderen gegenüber.


Nicht fehlen dürfen freilich auch die für De Palma typischen Splitscreen-Szenen. Durch Bildteilung visualisiert er dabei nicht nur Gedanken Kates, sondern sorgt mit sogenannten Split Diopter Shots auch dafür, dass Bildvordergrund und -hintergrund gleich scharf sind und die Zuschauer:innen selbst im Bild einen Schwerpunkt setzen müssen.


Auch die Frage nach Identität und gespaltener Identität, die freilich wieder an "Psycho" erinnert, wird durch das Spiel mit Spiegeln auf die visuelle Ebene übertragen. Gleichzeitig erscheint der Tüftler Peter, der mit seinen Aufnahmen auch zum Voyeur wird, gewissermaßen als Alter Ego des Filmemachers, verweist andererseits aber auch auf den Tontechniker in De Palmas folgendem Film "Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren aus" voraus. Aber auch mit der Prostituierten Liz wird eine Figur geschaffen, die in "Blow Out" wieder aufgenommen wird.


Auch 44 Jahre nach seiner Uraufführung hat dieser brillante Thriller so nichts von seiner suggestiven Kraft verloren, einzig das Finale überzeugt nicht. Denn De Palma will einfach kein Ende finden, hängt mehrfach noch Szenen dran, um das Publikum auch nach Lösung des Falls nochmals in Schrecken zu versetzen – und nochmals seine Kunst des visuellen Inszenierens zu demonstrieren.


An Sprachversionen bieten die bei Capelight Pictures in einem Mediabook erschienene Blu-ray und 4K Ultra HD die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche und englische Untertitel. Als Extras gibt es neben dem amerikanischen und dem deutschen Trailer deutsch untertitelte Interviews mit den Schauspieler:innen Nancy Allen und Keith Gordon sowie dem Produzenten George Litto.


Dazu kommen ein Booklet mit einem ausführlichen und sehr informativen Text von Leonhard Elias Lemke sowie eine Bonus-Blu-ray mit bis zu 30-minütigen und stets deutsch untertitelten Interviews mit den Schauspieler:innen Keith Gordon, Angie Dickinson, Nancy Allen und dem Produzenten Fred Caruso. Aber auch ein spannender Vergleich zwischen ursprünglich gefilmten und geschnittenen Szenen und ein rund 45-minütiges Making-of, das mit Interviews mit De Palma, den Schauspieler:innen und weiteren Mitgliedern der Crew einen ziemlich umfassenden Einblick in diesen Thriller und seine Entstehung bietet, fehlen nicht.


Trailer zu "Dressed to Kill"



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