Carl Theodor Dreyers asketischer Stummfilm über die französische Nationalheilige zählt zu den großen Meisterwerken der Filmgeschichte. Bei Studiocanal / Arthaus ist der Klassiker aus dem Jahr 1927 auf DVD und Blu-ray erscheinen.
Jesus ausgenommen dürfte wohl das Leben keiner anderen Persönlichkeit der Kirchengeschichte so oft zum Thema eines Films gemacht worden sein wie das der um 1412 in Lothringen geborenen und 1431 in Rouen auf dem Scheiterhaufen hingerichteten Johanna von Orléans. Die Bandbreite der Filme spannt sich dabei vom opulenten Historiendrama wie Luc Bessons "Johanna von Orléans" bis zum radikalen asketischen Glaubensdrama.
Entschieden zu den letzteren ist die 1927/28 entstandene Version des dänischen Protestanten Carl Theodor Dreyer zu zählen. Die Heiligsprechung Jeannes im Jahre 1920 war für ihn einer der Beweggründe den Film zu drehen. In Frankreich rief der Umstand, dass ein Däne einen Film über die französische Nationalheilige drehen will, heftige Proteste der Nationalisten hervor.
Aufwändig ließ Dreyer zwar das Schloss von Rouen rekonstruieren, sodass der Film zu einer der teuersten französischen Produktionen der Zeit wurde, doch zu sehen bekommen die Zuschauer*innen davon nichts. Die Kulisse sollte einzig dazu dienen, dass sich die Schauspieler*innen (herausragend: Maria Falconetti in der Titelrolle) ganz in die Zeit und das Geschehen versenken können. Der Fokus des auf alle Schnörkel verzichtenden, spartanischen Films liegt ganz auf den menschlichen Gesichtern, in denen Seelenzustände sichtbar werden.
Weitgehend an die am Beginn des Films präsentierten Prozessakten hielt sich Dreyer, verdichtete aber die drei Monate dauernde Gerichtsverhandlung auf einen Tag und entwickelte eine sich konsequent steigernde Tragödie. Ein Dokumentarfilm aus dem Mittelalter sollte „La passion“ werden. Authentizität und Wahrhaftigkeit waren die obersten Ziele des dänischen Regisseurs.
Dreyer verzichtete aber nicht nur auf alle formalen Spielereien, sondern er sparte auch die Rolle Jeannes als Heerführerin der Franzosen im Hundertjährigen Krieg gegen die Engländer (1337 – 1453) und den Vorwurf der Anklage der Hexerei aus. Um nichts als um ihr bedingungsloses Festhalten am Glauben ihrer göttlichen Sendung und ihr grenzenloses Gottvertrauen geht es. Nur kurz gerät sie ins Wanken, um dann umso entschlossener in den Tod auf dem Scheiterhaufen zu gehen, im Martyrium den größten Sieg, im Tod die Erlösung sehend.
Unübersehbar ist nicht nur im Sterben, sondern mehr noch in einer Szene, in der sie von englischen Soldaten geschmäht wird, die Parallelität zur Leidensgeschichte Christi. Ihrer Reinheit und Ehrlichkeit stellt Dreyer die Hinterlistigkeit der namenlos bleibenden Ankläger, die auf ein warziges oder runzliges Gesicht oder einen Glatzkopf reduziert sind, gegenüber.
Individuum trifft hier auf Gruppe, unschuldiger Glaube auf institutionalisierte Macht und die konsequente Arbeit mit Auf- und Untersichten betont die Machtverhältnisse. Als Hymne auf den Triumph der Seele über das Leben und einen Film von universellem menschlichen Interesse, der eine Botschaft für jeden offenen Menschen enthält, wollte Dreyer „La passion“ sehen. Doch trotz begeisterter Kritiken fiel dieses Glaubensdrama beim Publikum durch – nicht zuletzt deshalb, weil inzwischen die Tonfilmära angebrochen war.
Die bei Studiocanal / Arthaus erschienene DVD und Blu-ray bieten zu den französischen Zwischentiteln deutsche Untertitel an. Als Extra gibt es die deutsch untertitelte, 96-minütige Dokumentation "Carl Theodor Dreyer – Mein Metier", in der mit vielen Filmausschnitten, Interviews und eingesprochenen Statements Dreyers spannend und detailreich Leben und Werk des dänischen Meisterregisseurs nachgezeichnet werden.
Trailer zu "La passion de Jeanne d´Arc - Die Passion der Jungfrau von Orléans"
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