
Roy Ward Baker zeichnete 1958 nach Walter Lords Sachbuch den Untergang des Luxusdampfers ebenso detailreich wie spannend nach. Der Schwarzweißfilm, der als wichtiges Vorbild für James Camerons Welterfolg "Titanic" gilt, ist bei Pidax Film auf DVD und Blu-ray erschienen.
Der Untergang der Titanic, bei der am 15. April 1912 über 1500 der 2200 Passagiere ums Leben kamen, ist ein Mythos, der immer wieder Künstler und Filmemacher zur Aufarbeitung inspirierte. Als historisch besonders exakt gilt dabei immer noch Roy Ward Bakers Film. Als Vorlage diente dem Briten das 1955 erschienene Sachbuch "A Night to Remember" des US-amerikanischen Autors Walter Lord, der die Ereignisse auf der Basis von Geschichten und Erlebnissen von fast 60 Titanic-Überlebenden aufarbeitete. Aber auch Baker selbst zog 64 Überlebende der Katastrophe als Berater hinzu.
Ohne Exposition setzt der Film mit der Schiffstaufe, die es in der Realität gar nicht gab, und dem Stapellauf ein, um anschließend knapp einige Passagiere vorzustellen, die auch schon Einblick in die Klassengegensätze an Bord bieten. Nach 15 Filmminuten ist Baker schon am 14. April angekommen, wenig später gehen Eiswarnungen des Frachters Californian ein, die aber keine größere Beachtung finden.
Nach 30 Filmminuten erfolgt die Kollision mit dem Eisberg, bei der zwar Eisbrocken aufs Deck fallen, die ansonsten aber von den Passagieren in Speisesaal und Kabinen kaum wahrgenommen wird. Die folgenden 90 Minuten konzentriert sich Baker ganz auf den langsamen Untergang des Schiffs und die Rettungsmaßnahmen.
Geschickt pendelt der Film zwischen verschiedenen Akteuren. Klar identifizierbare historische Figuren sind der Zweite Offizier Charles Lightoller, der Schiffskonstrukteur Thomas Andrews, der Präsident der White Star Line Bruce Ismay und der Kapitän Edward John Smith. Bei den Passagieren verzichtet Baker dagegen darauf komplexe Charaktere zu zeichnen, anonymisiert sie weitgehend und präsentiert sie als Vertreter unterschiedlicher Schichten und Verhaltensweisen angesichts der Katastrophe.
Auch auf jede Backstory zu den Figuren wird verzichtet, ganz auf das Hier und Jetzt der Katastrophe konzentriert sich der Film. Den Bemühungen der Crew das Aufkommen von Panik zu verhindern, steht im Unterdeck der hoffnungslose Kampf der Heizer gegen den Wassereinbruch gegenüber. Die ruhig im Salon weiter Karten spielende Gruppe von vier Männern der Oberschicht wird kontrastiert vom verzweifelten Versuch der Passagiere der zweiten Klasse aus dem Zwischendeck nach oben zu kommen.
Dazu kommt der Versuch von Kapitän und Funker von außen Hilfe zu erhalten, doch das Passagierschiff Carpathia ist zu weit entfernt, die nur wenige Seemeilen entfernte Californian reagiert dagegen aus bis heute ungeklärten Gründen nicht auf die Notrufe und die Seenotraketen.
Seine Spannung entwickelt "A Night to Remember" aus der detaillierten Nachzeichnung der Ereignisse. Kein großes familiäres Melodram wie Jean Negulescu in "Der Untergang der Titanic" wird hier entwickelt, sondern wichtig ist Baker historische Exaktheit. Auch der Verzicht auf extradiegetische Filmmusik sorgt für Sachlichkeit.
Dennoch vergisst der Brite nicht ganz auf die verknappte Schilderung individueller menschlicher Tragödien. So kurz gehalten die Blicke auf einen Vater aus der Oberschicht, der Frau und Kinder aufs Rettungsboot schickt, während er selbst dem Tod entgegensieht, oder auf ein junges und ein altes Paar, das sich nicht trennen will, auch sind, so entwickeln diese Szenen doch emotionale Kraft und bleiben haften.
Sukzessive steigert sich dabei mit dem nahenden Untergang auch die Panik. Immer höher steigt das Wasser, immer steiler ragt das Heck des Schiffs in die Höhe. Den Frauen und Kindern in den Rettungsbooten stehen die Männer gegenüber, die sich auf dem sich zunehmend neigenden Schiff festklammern oder ins eiskalte Meer springen. Fast bis zum Ende spielt die Schiffskapelle weiter, umstritten ist aber, ob sie am Schluss "Näher mein Gott zu mir" spielte.
Während der Bruch eines Kamins beim Sinken der Titanic den Tatsachen entspricht, fehlt im Film freilich der Umstand, dass das Schiff beim Untergang in zwei Teile zerbrach. Weder Lord noch Baker konnten dies wiesen, denn dies wurde erst mit dem Fund des Wracks 1985 erkannt.
Nicht verwundern kann es, dass manche Szenen sehr an James Camerons "Titanic" erinnern, gilt Bakers Film doch als wichtiges Vorbild dieses mit elf Oscars ausgezeichneten Welterfolgs. Anderseits bediente sich der Brite wiederum bei einigen Aufnahmen des Luxusdampfers des NS-Propagandafilms "Titanic".
Seltsam mutet freilich an, wie in den Nachspanninserts der Tragödie noch Positives abgewonnen wird, indem darauf hingewiesen wird, dass sich durch diese Katastrophe die Sicherheitsmaßnahmen auf See wesentlich verbessert hätten.
An Sprachversionen bieten die bei Pidax Film erschienene DVD und Blu-ray die englische Originalfassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können, sowie die deutsche Synchronfassung. Die Extras beschränken sich auf einen Nachdruck der Illustrierten Film-Bühne, den Originaltrailer und zwei Bildergalerien.
Trailer zu "Die letzte Nacht der Titanic - A Night to Remember"
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