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AutorenbildWalter Gasperi

Die Kunst der Nächstenliebe – Les bonnes intentions


Soziales Engagement steht für Isabelle an erster Stelle, ihre Familie kommt daneben zu kurz. – Mit einer großartigen Agnès Jaoui in der Hauptrolle und hoher Pointendichte erzählt Gilles Legrand nicht nur von den Auswirkungen eines Helfersyndroms, sondern deckt in scharfzüngigen Dialogen auch Alltagsrassismus auf.


Bevor die Bilder einsetzen, stimmt schon flotte Musik auf Ton und Tempo von Gilles Legrands fünftem Spielfilm ein. Der Schwung setzt sich mit der dynamischen Handkamera und energischem Schnitt fort. Intensiv vermittelt wird so das Engagement und das druckvolle Agieren der Mittfünfzigerin Isabelle (Agnès Jaoui), die von der Kleidersammelstelle zu einem Obdachlosencamp eilt, wo sie für kostenlose Französischkurse wirbt. Die Flyer landen freilich vielfach umgehend in der Feuerstelle: Physische Wärme ist doch immer noch wichtiger als Sprachkenntnisse.


Wenig Zeit bleibt da für ihren Mann Ajdin (Tim Seyfi), den sie in den 1990er Jahren als freiwillige Helferin im Bosnienkrieg kennenlernte, und die beiden Kinder im Teenageralter. Ganz im Gegensatz zu Isabelles sozialer Haltung wird beim Abendessen mit ihrem Bruder und dessen Frau auch Alltagsrassismus sichtbar, wenn er freie Zimmer im Hotel nicht Asylanten zur Verfügung stellen will und seine Frau von der „kleinen Madegassin“, die als Putzfrau arbeitet, spricht.


Allzu lange hält sich Legrand damit aber nicht auf, eilt weiter zum Französischkurs bei dem auch der Rassismus der unterschiedlichen Migranten sichtbar wird, wenn die in Frankreich Aufgenommenen die Meinung vertreten, dass jetzt das Boot voll sei und Frankreich die Grenzen dicht machen müsse.


Konkurrenz erhält hier aber auch Isabelle, die nie einen Abschluss als Sprachlehrerin erworben hat, mit einer jungen deutschen Kollegin, die die Schuldgefühle angesichts ihrer Nazi-Vorfahren mit sozialem Einsatz kompensieren will. Um gegen diese beliebte Lehrerin bestehen zu können, steigert sie sich noch mehr in ihr Engagement hinein und merkt nicht, dass ihre Familie dadurch zunehmend zu zerbrechen droht.


Erst im Finale wird diese Tragikomödie ruhiger. Bis dahin erzählt Legrand mit großem Schwung und Einfallsreichtum. Beinahe jeden Satz nützt er für eine Pointe und meist sitzen diese scharfzüngigen Dialoge. Wenig bleibt freilich haften angesichts der Fülle der Themen, die hier angeschnitten werden.


Kaum mehr als Appetithäppchen, die zum Nachdenken anregen können, werden geboten. Das ist aber immerhin etwas und bewundern muss man, wie der 62-jährige Franzose diese Fülle an Themen und Problemfeldern unter einen Hut bringt, die Handlung schlüssig entwickelt und der Film nie an Leichtigkeit verliert.


Herz und Motor ist dabei die von Agnès Jaoui mit Verve gespielte Isabelle. Deren leidenschaftlichen Einsatz vermittelt Jaoui ebenso überzeugend wie deren Erschütterung, als ihr Leben zu zerbrechen droht. Plastisch kann Legrand so das Bild einer Frau herausarbeiten, die am Helfersyndrom leidet. Der zunächst kritische und auch bissige Blick weicht dabei zunehmend Mitgefühl, sodass man nach 100 rasanten und sehr unterhaltsamen Kinominuten auf eine versöhnliche Lösung für diese selbstzerstörerisch engagierte Protagonistin hofft.


FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 22.7., 18 Uhr + Do 23.7., 19.30 Uhr TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Fr 7.8., 22 Uhr; Sa 8.8., 22 Uhr; Mo 10.8., 18 Uhr


Trailer zu "Die Kunst der Nächstenliebe"



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