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  • AutorenbildWalter Gasperi

Das Testament des Dr. Mabuse



Fritz Langs letzter Film vor seiner Emigration vor den Nazis ist gleichzeitig ein perfekter und visionäres Zeitbild. Bei Atlas Film ist dieses 1933 entstandene Meisterwerk des frühen deutschen Tonfilms in digital restaurierter Fassung in einem schönen Mediabook auf DVD und Blu-ray erschienen.


Ein Mann versteckt sich in einem Büroraum neben einer Geldfäscherwerkstatt, doch bald entdecken zwei Gangster Hinweise auf ihn. Nur knapp entkommt er ihren Anschlägen. – Rund sechs Minuten dauert diese erste Szene, Dialog ist keiner nötig, ganz in Bildern erzählt Fritz Lang in seinem zweiten Tonfilm, verwendet auch – wie im ganzen Film - keine Musik, sondern kommt mit Geräuschen der Druckmaschinen aus dem benachbarten Raum aus, und wirft den Zuschauer gleich mitten ins Geschehen.


Kommissar Lohmann will den folgenden Anruf des Ex-Polizisten Hofmeister, der ihn schwer enttäuscht hat, zunächst gar nicht entgegen nehmen, doch als Hofmeister am Telefon plötzlich aufschreit und das Gespräch abrupt endet, beginnt er doch nachzuforschen. Von Hofmeister fehlt aber zunächst jede Spur, am Fenster seiner Wohnung entdeckt Lohmann aber offensichtlich mit dem Ring eingeritzte Buchstaben.


Parallel dazu erzählt Lang vom Psychiater Baum, der in der psychiatrischen Anstalt, den wahnsinnigen Dr. Mabuse behandelt, aber zunehmend unter dessen Einfluss gerät. Als Person muss Mabuse gar nicht mehr aktiv werden, über Hypnose gewinnt er Macht über Baum, der wieder seine Helfer von sich abhängig macht, ohne sich dabei selbst zu zeigen, sondern nur über Tonaufnahme seine Befehle erteilt.


Ferngesteuert über ein technisches Hilfsmittel agieren so die kleinen Verbrecher, erfüllen brav – wie wenig später in der Realität die Helfershelfer der Nazi-Größen – die Befehle um Mabuses Idee von der Herrschaft des Verbrechens zu verwirklichen. Erreicht werden soll dies, indem durch Anschläge auf Eisenbahnen und chemische Fabriken, aber auch durch Verbreitung von Falschgeld in großen Mengen Angst und Verunsicherung verbreitet wird.


Als dritte Ebene kommt neben Lohmann und Dr. Mabuse der Ex-Häftling Tom Kent dazu, der sich einerseits in eine Beamtin des Arbeitsamts verliebt hat, den andererseits aber auch die Arbeitslosigkeit in die Hände der Bande von Mabuse/Baum getrieben hat. Weil er mit Mord nichts zu tun haben will, wird er Mabuse, der unbedingten Gehorsam und kompromisslose Ausführung der Befehle verlangt, bald verdächtig, gleichzeitig will er die Beziehung zu Lilly beenden, da er aus der Bande scheinbar nicht aussteigen kann.


Diesem ambivalenten Charakter steht Lilly gegenüber, die Tom mit ihrer reinen Liebe vor dem völligen Sturz in die Kriminalität rettet. Neben der Liebe ist der gesunde Hausverstand von Kommissar Lohmann die zweite Möglichkeit, um Dr. Mabuse das Handwerk zu legen.


Leichthändig und souverän entwickelt Lang parallel die drei Erzählstränge und führt sie ganz selbstverständlich schließlich zusammen. Auch auf die ersten Mabuse-Filme Anfang der 1920er Jahre nimmt er Bezug, wenn Lohmann im Archiv die Akten dazu sichtet.


Wie diese Stummfilme ein Bild des Berlins der frühen 1920er Jahre und der Zeit der galoppierenden Inflation zeichneten, so ist „Das Testament des Dr. Mabuse“ unübersehbar ein Reflex auf den zunehmenden Einfluss der Nazis. Nur wenig verdeckt verstecken sich hinter Mabuse die manipulativen Demagogen der NSDAP, die das Volk ins Verderben führen, aber auch die Arbeitslosigkeit der Zeit der Weltwirtschaftskrise als Basis für deren Zulauf zeigt Lang knapp auf.


Seine Meisterschaft sowohl in der visuellen als auch akustischen Gestaltung zeigt Lang auch bei der Verknüpfung von Szenen und Einstellungen. Unmittelbar folgt so auf Mabuses Ankündigung eines Mords das Plakat vom Mord an einem Psychiater oder das Ticken einer Bombe geht über ins Geräusch des Aufschlagens eines Frühstückseis. In meisterhafter Parallelmontage kontrastiert er auch die scheinbar aussichtslose Situation von Tom und Lilly, die in einem Raum mit Bombe eingesperrt sind, mit der Belagerung eines Teils der Gangstergruppe durch die Polizei.


Prophetisch wirkt die finale Szene, in der Mabuse in rasender Fahrt auf nächtlicher Landstraße unterwegs ist. Man kann darin eine Metapher für den Weg Deutschlands in den Untergang durch die Herrschaft der Nazis, die die Uraufführung des Films verboten, oder auch eine Spiegelung für Langs Emigration im Sommer 1933 sehen.


Gut achtzig Jahre später wird Christian Petzold diese Szene als Auftakt von „Phoenix“ wiederaufnehmen, der Fahrt aus Deutschland 1933 eine Fahrt ins Deutschland nach Kriegsende 1945 gegenüberstellen und Fritz Lang seine Reverenz erweisen.


Das bei Atlas Film erschienene Mediabook bietet neben der DVD auch die Blu-ray und dazu neben dem großformatigen originalen Filmplakat ein informatives Booklet mit einem Nachdruck des „Illustrierten Filmkuriers“, Artikel zur Restaurierung und Digitalisierung sowie zur Geschichte des Films und zur Biographie Fritz Langs. Dazu kommen ein zeitgenössischer Bericht zu den Dreharbeiten, ein Artikel von Kameramann Fritz Arno Wagner zur Kameraarbeit und von Otto Wernicke zur seiner Rolle des Kommissar Lohmann, den er schon zuvor in Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder gespielt hat.


Trailer zu "Das Testament des Dr. Mabuse"




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