Voller Hoffnung übernimmt Pierre Ende der 1970er Jahre den Hof seines Vaters, doch gut 15 Jahre später wird der wirtschaftliche Druck immer größer. – Bewegend erzählt Édouard Bergeon in seinem autobiographisch geprägten Spielfilm einerseits eine Familiengeschichte, andererseits von der schwierigen Situation der Bauern in Frankreich im Allgemeinen.
Seinem Vater, seiner Mutter und seiner Schwester hat Édouard Bergeon seinen ersten Spielfilm gewidmet. Schon 2012 beschäftigte sich Bergeon in seinem Dokumentarfilmdebüt "Le fils de la terre", angeregt vom Schicksal seines Vaters, mit der Situation der Bauern in Frankreich. In jeder Szene spürt man nun auch in seinem Spielfilmdebüt nicht nur, dass er genau weiß, wovon er erzählt, sondern auch die Liebe zu dieser Bauernfamilie, die für seine eigene Familie steht. Denn wie der Sohn der Filmfamilie Agraringenieur studieren will, wollte auch Bergeon zunächst diesen Weg einschlagen.
In leuchtenden Farben und lichtdurchfluteten Bildern beschwört die Kamera von Éric Dumont die Schönheit der von Wiesen und Wäldern dominierten Landschaft, durch die 1979 Pierre (Guillaume Canet) mit seinem Motorrad rast. Nach Jahren der Arbeit als Cowboy in den USA kehrt er in seine Heimat zurück, wo er mit seiner Frau Claire (Veerle Baetens) den Hof seines Vaters übernimmt, der dafür Pacht erhält und mit seiner Frau in ein Einfamilienhaus zieht.
Mit einem Schnitt überspringt Bergeon nach dieser Überschreibung des Hofs 17 Jahre und mit dem Insert "1996" wird mit einem großen Stall neben dem alten Hof schon ein Wandel sichtbar. Mit der Ziegenzucht hofft Pierre einen Umschwung einzuleiten, doch während er von Geld wenig zu verstehen scheint, sieht seine Frau, die die Buchhaltung macht, dass die Schulden sukzessive größer werden.
Die Preise verfallen, die EU-Normen sind kaum einzuhalten, Förderungen verlocken die Bauern zu Modernisierungen, die sich vielfach als Sackgasse erweisen. Um die Familie, zu der inzwischen auch die beiden im Teenageralter stehenden Kinder Thomas und Emma gehören, über Wasser zu halten, arbeitet Claire so auch noch als Buchhalterin in einem Büro. Pierre setzt dagegen auf Erweiterung des Hofs durch vollautomatische Hühnerzucht, die freilich mit artgerechter Tierhaltung nichts mehr zu tun hat.
Trotz der prekären Situation der Familie dominieren in dieser ersten Hälfte warme Töne und bei einer Weihnachtsfeier zeigt sich ebenso das familiäre Glück wie bei der Geburtstagsparty für Tochter Emma. So einnehmend ist die Liebe, mit der Bergeon diese Familie schildert, wohl vor allem deshalb, weil er im Grunde von seiner eigenen Familie erzählt.
Doch so gefühlvoll und glücklich diese Szenen auch sind, so spürt und ahnt man doch immer, dass es nur eine Frage der Zeit sein kann, bis dieses Glück zerbricht. Tatsächlich bessert sich mit der Erweiterung des Hofs die finanzielle Situation weder noch nimmt die Arbeit Pierres ab, sondern vielmehr zu. Winterlich kalt werden die Bilder, wenn der Familienvater unter diesem Druck zunehmend zerbricht, zu rauchen beginnt, bald nur noch schläft, auch aggressiv wird und schließlich keinen Ausweg mehr sieht.
Großartig und bewegend spielt Guillaume Canet diesen Wandel, erscheint auch am Ende nicht als Täter, sondern als liebevoller Vater, der einzig an den Verhältnissen zerbrochen ist. Nicht nur seinem Vater setzt Bergeon mit diesem Film aber ein Denkmal, sondern auch seiner Mutter und seiner Schwester und zeigt mit dieser Familie auch die Kraft einer solchen Bindung. Denn trotz allem halten Kinder und Mutter unverbrüchlich zu Pierre, lassen ihn nicht im Stich, sondern versuchen ihn immer wieder zu stärken und ihn mit ihrer Liebe aus seiner schweren Krise herauszuziehen.
Das ist wunderbar rund und ruhig erzählt, die entscheidende Qualität, durch die "Das Land meines Vaters" seine große emotionale Kraft entwickelt, ist aber der kenntnisreiche, ebenso genaue wie ehrliche und gleichzeitig liebevolle Blick Bergeons auf diese Familie und die Entwicklung des Hofes, auf die sich der Film konzentriert.
So eng Bergeon die Handlung mit Konzentration auf den Hof und die Familie führt, so sehr kann er doch gerade durch diese Fokussierung anhand einer Familie bewegend von der schwierigen Situation der Bauern nicht nur in Frankreich im Allgemeinen erzählen. Und so wird man nach diesem Film zumindest für einige Zeit wohl mit anderen Augen auf diesen Berufsstand blicken.
Läuft derzeit in den österreichischen Kinos.
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: 30. 3. 2022
Trailer zu "Das Land meines Vaters"
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