top of page
AutorenbildWalter Gasperi

Das Fieber - The Fever

Aktualisiert: 29. Sept. 2020


Eine halbe Million Menschen, vor allem Kinder, sterben jährlich an Malaria. Katharina Weingartner lässt in ihrem Dokumentarfilm afrikanische Expert*nnen zu Wort kommen, die lokale Heilmethoden propagieren, die aber von der Pharmaindustrie und der WHO aus Profitgründen abgelehnt werden.


Auf einen Off-Kommentar verzichtet Katharina Weingartner, skizziert allein mit Inserts die Hintergründe und überlässt den Bildraum fast zur Gänze afrikanischen Expert*innen. Im Zentrum steht dabei unter anderem die ugandische Heilpraktikerin Rehema Namyalo, die die Pflanze Artemisia annua, den Einjährigen Beifuß, nicht nur anpflanzt und als Tee verabreicht, sondern auch in Workshops die ländliche Bevölkerung über dessen Einsatz informiert.


Würde dieses Naturheilmittel auch in Zäpfchenform hergestellt, könnte es auch kleinen Kindern verabreicht werden, doch die WHO lehnt den Einsatz von Artemisia annua ab. Dabei hilft es mit seinen 240 Wirkstoffen laut Rehema nicht nur grundlegend gegen Malaria, sondern auch gegen zahlreiche andere Krankheiten, während das offizielle vom Schweizer Pharmaunternehmen Novartis produzierte Medikament Coartem nur einen Wirkstoff von Artemisia nützt und die Parasiten gegen diesen Wirkstoff inzwischen resistent werden. Zudem ist Coartem vielfach in den Ländern um den Victoria-See, dem laut Weingartner "Ground Zero der Malaria", nicht verfügbar, andererseits können sich viele Menschen das Medikament nicht leisten.


Wirtschaftliche Interessen westlicher Konzerne spielen nicht nur hier eine Rolle, sondern auch bei der Herstellung von Moskito-Netzen, die in Tansania von einem japanischen Chemiekonzern produziert werden. Das gleiche Problem zeigt sich auch beim biologischen Insektizid BTI, mit dem der Entomologe Richard Mukabana die Moskitos vernichtet. Schon Anfang der 2000er Jahre wurde in Kenia zwar eine Fabrik für BTI errichtet, aber nie wurde von der Regierung eine Betreiberlizenz ausgestellt, sodass dieses Insektizid aus den USA importiert werden muss.


Durch die Beschränkung auf afrikanische Protagonistinnen, zu denen auch der Pharmakologe Patrick Obwang und der Lehrer Paul Mwamu zählen, sowie die chinesische Nobelpreisträgerin für Medizin Tu Youyou, die eine Vertreterin der traditionellen chinesischen Medizin ist, bricht Weingartner einerseits konsequent mit dem westlich-kolonialistischen Blick, setzt sich andererseits aber auch dem Vorwurf der Einseitigkeit aus.


Klar zeigt Weingartner nicht nur auf, dass Malaria nicht aus dem Nichts entstand, sondern erst im Zuge des Kolonialismus durch die großflächige Rodung des Regenwalds für den Reisanbau aufkam, sondern sie arbeitet auch heraus, wie sich der westliche Kolonialismus fortsetzt, wenn Konzerne mehr an Profiten interessiert sind als an einer möglichst raschen Ausrottung der Krankheit.


Gerne würde man aber doch auch Stellungnahmen unabhängiger Wissenschaftler, der WHO oder auch afrikanischer Behörden zu den hier propagierten Lösungen und der Kritik an deren Behinderung hören. Spannende Reibungen hätten sich daraus ergeben können, während die jetzige Positionierung dazu führte, dass sich beispielsweise das koproduzierende Schweizer Fernsehen vom fertigen Film distanzierte.


Wichtig ist "Das Fieber", dessen fünfjährigen Recherche- und Dreharbeiten Weingartner und ihr Team um die ganze Welt führten, zweifellos dadurch, dass dieser Dokumentarfilm den Fokus ganz auf das kaum beachtete Sterben in Afrika richtet und aufrüttelt. Anschaulich werden auch die einzelnen Protagonist*innen und ihre Projekte präsentiert. Unterstützt von ihrer Kamerafrau Siri Klug, erzählt Weingartner unauffällig und ruhig, setzt auch Musik erst im Finale ein. Nichts zu kritisieren gibt es hier formal, aber um sich ein objektives Bild von einer besseren Malariabekämpfung machen zu können, wird man nach dem Kinobesuch wohl selbst noch recherchieren und auch andere Quellen studieren müssen.


Läuft ab Freitag, den 25.9. in den österreichischen Kinos. Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do. 26.11. (in Anwesenheit von Regisseurin Katharina Weingartner und Kamerafrau Siri Klug)

Spielboden Dornbirn: Fr. 27.11. (in Anwesenheit von Regisseurin Katharina Weingartner und Kamerafrau Siri Klug)


Trailer zu "Das Fieber"



Comments


bottom of page