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AutorenbildWalter Gasperi

Auf dem Weg – 1300 km zu mir – Sur les chemins noirs


Denis Imbert erzählt nach Sylvain Tessons Erzählung "Sur les chemins noirs" von einem Reiseschriftsteller, der sich nach einem Unfall auf eine Wanderung quer durch Frankreich begibt: Großartige Landschaftstotalen entschädigen für die holprige Erzählweise.


Sylvain Tesson war zuletzt auch im deutschsprachigen Raum als einer der beiden Protagonisten im großartigen Dokumentarfilm "La panthère des neiges – Der Schneeleopard" präsent. Schon sieben Jahre vor Erscheinen dieses Buches war er 2012 von einem Balkon acht Meter in die Tiefe gestürzt. Nachdem er sich von den schweren Verletzungen erholt hatte, machte er sich auf eine Wanderung quer durch Frankreich. Die Erlebnisse, die er auf diesem Weg entlang der Diagonale du vide von der Provence bis zur Atlantikküste in der Normandie machte, beschrieb er 2016 in seiner Erzählung "Sur les chemins noirs" ("Auf versunkenen Wegen", 2017).


In Denis Imberts Verfilmung heißt das von Jean Dujardin gespielte Alter Ego Tessons Pierre Girard. Von Anfang an vermitteln dabei die Cinemascope-Bilder von Magali Silvestre de Sacy ein Gefühl für die Weite und die Erhabenheit der Landschaft, in der der Mensch unscheinbar und verloren wirkt. Doch leider lässt sich Imbert zu wenig auf diese Wanderung und die wechselnden Landschaften und klimatischen Bedingungen ein und schneidet immer wieder in kurzen Flashbacks zurück zu Pierres Krankenhausaufenthalt, seinen mühsamen Gehversuchen, zu Partys mit Alkoholexzessen und Lesungen sowie zu seiner Liebe zur hübschen Anna (Joséphine Japy).


Kein echter Erzählfluss will durch diese ständigen Rückblenden aufkommen, zerhackt wirkt die Erzählweise und die daraus resultierende Kurzatmigkeit lässt auch den Bildern von der Wanderung nur selten Raum und die Zeit, um ihre Kraft wirklich zu entfalten.


Die Absicht der Enge des Zimmers im Krankenhaus, der Bewegungslosigkeit und dem großstädtischen Partyleben die Weite der Landschaft, die Bewegung in der Natur und die Einsamkeit gegenüberzustellen, ist zwar offensichtlich, doch insgesamt bringt diese Kontrastierung zu wenig. Zu wenig ausgefeilt ist dazu auch die Montage von Hugo Planchais, der es nicht gelingt, die beiden Ebenen wirklich spannend zu verknüpfen.


Trotz dieser Schwächen hat die Wanderung als Rückgrat des Films doch Einiges zu bieten. Unterstützt von Ortsinsert bekommt man Einblick in einige herrliche, abgeschiedene Naturlandschaften Frankreichs. Denn Pierre wandert nicht auf ausgetretenen Pfaden, sondern vielfach weglos oder auf verfallenen Wegen auch durch Gestrüpp oder über labile Schieferplatten durch verlassene Regionen. Augenfutter wird mit unbekannten Bergplateaus mit atemberaubender Fernsicht, Durchquerung von Flüssen und Schluchten bis hin zu weiten Wiesen geboten und auch das zwischen Sonnenschein und heftigen Regengüssen pendelnde Wetter sorgt für Abwechslung.


Dazu kommt, dass der Protagonist zwar meist allein unterwegs ist, dann aber auch kurze Bekanntschaft mit einer Sennerin oder einem Bauern macht, zeitweise von einer Zufallsbekanntschaft, aber auch von einem Freund und seiner Schwester begleitet wird. Die Tage mit seiner Schwester und die Übernachtung bei seiner Tante führen dabei auch zu einer Auseinandersetzung mit dem Tod der Mutter und machen andererseits deutlich, wie sehr die Angehörigen immer in Sorge um einen solchen Abenteurer sind.


Aber die Wanderung durch die Landschaft weitet sich auch zu einer Erkundung des gesellschaftlichen Zustands des Landes. Denn einerseits reflektiert Pierre im Voice-over über die Hektik des Stadtlebens und die Ausbreitung des Menschen in die Naturregionen, andererseits erfährt er im Kontakt mit einem Bauern von der schwierigen Lage der Landwirte oder beim Einkauf in einem Dorf vom Verschwinden der Geschäfte und der Entsiedelung der Randregionen.


Filmisches Meisterwerk ist der ganz aus der Perspektive Pierres erzählte Film zwar sicher nicht, reiht sich aber bestens in die Tradition der Wander- und Pilgerfilme von Hape Kerkelings "Ich bin dann mal weg" (2015) über Emilio Estevez´ "The Way – Dein Weg" (2010) bis zu Jean-Marc Vallées "Wild – Der große Trip" (2014).


Aber "Auf dem Weg" steht auch im Trend anderer neuer Filme wie Adrian Goigingers "Märzengrund", Felix van Groeningens und Charlotte Vandermeerschs "Le otto montagne – Acht Berge" oder Eric Bésnards "Les choses simples -Die einfachen Dinge". Mag es in diesen Filmen auch nicht ums Wandern gehen, so verbindet sie alle doch der Rückzug aus dem hektischen städtischen Leben in die unberührte Natur und der Glaube in der Abgeschiedenheit und durch die Befreiung vom Alltagstrott, endlich Freiheit und zu sich selbst zu finden.



Auf dem Weg – 1300 km zu mir – Sur les chemins noirs Frankreich 2023 Regie: Denis Imbert mit: Jean Dujardin, Joséphine Japy, Izïa Higelin, Anny Duperey, Dylan Robert, Jonathan Zaccaï, Olivier Charasson, Lou Chauvain Länge: 95 min.



Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Cineplexx Hohenems.

Trailer zu "Auf dem Weg - Sur les chemins noirs"


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