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AutorenbildWalter Gasperi

Arbeitswütig und faszinierend wandlungsfähig: Willem Dafoe


Willem Dafoe (geb. 25.6. 1955)

Nicht nur in über 140 Filmen hat Willem Dafoe in den letzten 40 Jahren mitgespielt, sondern dabei auch zwischen Arthouse-Kino und Blockbuster und zwischen den USA und Europa gependelt. Und er arbeitete dabei nicht nur mit Martin Scorsese, Oliver Stone, Lars von Trier, Paul Schrader und Abel Ferrara, sondern auch mit Wes Anderson, Sean Baker und Julian Schnabel. Das Zürcher Kino Xenix widmet dem wandlungsfähigen Amerikaner im Oktober eine Filmreihe.


Illustre historische Persönlichkeiten von Jesus ("The Last Temptation of Christ") über Pier Paolo Pasolini ("Pasolini") bis zu Vincent van Gogh ("At Eternity´s Gate") verkörperte der am 22. Juni 1955 in Appleton, Wisconsin als siebtes von acht Kindern eines Chirurgen und einer Krankenschwester geborene Willem Dafoe in seiner bislang gut 40-jährigen Karriere ebenso wie den Grünen Kobold in "Spider-Man" (2002) "Spider-Man 2" (2004) und "Spider-Man: No Way Home" (2021).


Mit abgründigen und zerrissenen Figuren verbindet man den heute 67-jährigen Amerikaner vor allem, doch nicht übersehen sollte man, dass er in Sean Bakers Sozialdrama "The Florida Project" (2017) einen feinfühligen Manager eines Motels spielte, der sich als einziger um von ihren Müttern im Stich gelassene Kinder kümmert. Wie der Star hier ganz selbstverständlich inmitten eines Casts von Newcomern und Laien agierte, brachte ihm seine dritte Oscar-Nominierung.


Positive Charaktere standen aber auch am Beginn seiner Karriere, die nach einer Rolle in Michael Ciminos monumentalem Western "Heaven´s Gate" (1980), die der Schere zum Opfer fiel, in den 1980er Jahren eher zögerlich begann. Die erste Hauptrolle spielte er in William Friedkins Polizistenthriller "To Live and Die in L.A." (1984), ehe er 1986 für die Verkörperung eines Vietnam-Soldaten, der Stellung gegen das brutale Vorgehen eines Offiziers bezieht, in Oliver Stones "Platoon" erstmals für den Oscar als bester Nebendarsteller nominiert wurde.


Auch der FBI-Agent in Alan Parkers "Mississippi Burning" (1988), der mit seinem älteren Kollegen rassistische Morde aufklären soll, war noch ein Sympathieträger, doch mit der Verkörperung von Jesus in Martin Scorseses "The Last Temptation of Christ" (1988) setzte die Reihe mit sich selbst kämpfender Charaktere ein. Dem reinen Bösen mit dem psychopathischen Bobby Peru in David Lynchs "Wild at Heart" (1990) stehen die vielschichtigen Charaktere gegenüber, die er ab "Lightsleeper" (1992) bis "The Card Counter" (2021) immer wieder unter der Regie von Paul Schrader spielte.


Vom Drogenkurier, der in einem im Müll erstickenden New York nach Erlösung sucht ("Lightsleeper"), über einen Video-Techniker, der eine Obsession für einen DJ entwickelt ("Auto Focus", 2002) und einen KZ-Kommandanten ("Adam Resurrected – Ein Leben für ein Leben", 2008) bis zum dämonischen Folterer in Abu Ghraib ("The Card Counter") spannt sich hier der Bogen.


Seine düsterste Rolle spielte Dafoe aber wohl in Lars von Triers "Antichrist" (2009), in dem er als Psychologe nach dem Tod des gemeinsamen Kindes seine Frau zu therapieren versucht. Mit seltener Kompromisslosigkeit spielen Dafoe und Charlotte Gainsbourg dieses Paar, das sich, zurückgezogen in eine Waldhütte, sukzessive selbst zerfleischt.


Doch nicht nur der immer wieder von Depressionen geplagte Däne fand in Dafoe einen idealen Darsteller, sondern auch Abel Ferrara. Nicht nur den italienischen Provokateur Pier Paolo Pasolini, der am letzten Tag seines Lebens durch Rom streift, verkörperte er für diesen Regisseur, sondern Ferrara schickte ihn in "Siberia" (2020) auch als sein Alter Ego auf einen Höllentrip durch seine eigenen psychischen Abgründe.


Kein smarter Star wie George Clooney ist Dafoe mit seinen ausgeprägten Backenknochen und den zwei tiefen Falten neben Nase und Mund, aber ein markanter Charakterkopf, der sich den Zuschauer*innen schnell einprägt. Kein Wunder ist es folglich, dass ihn auch europäische Regisseure wie Wim Wenders ("In weiter Ferne, so nah", 1993) oder Theo Angelopoulos engagierten. Für letzteren spielte er in "The Dust of Time" (2008) einen von Zweifeln geplagten amerikanischer Regisseur mit griechischen Wurzeln, der in den italienischen Filmstudios Cinecittà einen Film über das Schicksal seiner Eltern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorbereitet.


Doch weder arbeitet Dafoe nur für Starregisseure noch muss es immer eine Hauptrolle sein. Nebenrollen übernahm er so in David Cronenbergs "eXistenZ" (1999) ebenso wie in Mary Harons "American Psycho" (2000) und eine seiner beeindruckendsten Leistungen lieferte er als "Nosferatu"-Darsteller Max Schreck in "Shadow of the Vampire" (2000) des nur wenig bekannten E. Elias Merhige.


Für diese Rolle gab es ebenso 2001 die nach "Platoon" zweite Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller, wie für seine Leistung in "The Florida Project" 2018 die dritte und 2019 für seine Verkörperung Vincent van Goghs in Julian Schnabels "At Eternity´s Gate" die erste Nominierung als bester Hauptdarsteller.


Auf das Arthouse-Kino lässt sich dieser Ausnahmeschauspieler, der immer auf der Suche nach Herausforderungen ist, aber nicht reduzieren. Nicht nur "Spider-Man" findet sich so in seiner Filmographie, sondern auch die Komödie "Mr. Bean macht Ferien" (2007) und der Actionfilm "John Wick" (2014). Auch in Robert Eggers düsterem Thriller "The Lighthouse" (2019) brillierte er und fast schon zum fixen Ensemble gehört er inzwischen bei den Filmen Wes Andersons, in dessen Komödien er von "The Life Aquatic with Steve Zissou" ("Die Tiefseetaucher", 2004) bis "The French Dispatch" (2021) immer wieder Nebenrollen übernahm.


Er ist sich aber auch nicht zu schade, nur als Stimme präsent zu sein und sprach so in den Animationsfilmen "Finding Nemo" (2003) einen Fisch und in "The Fantastic Mr. Fox" (2009) eine Ratte.


Trotz der umfangreichen Filmografie ist auch kein Nachlassen von Dafoes Arbeitseifer abzusehen: Fünf Filme listet so die IMDB im Zustand der Postproduktion, einer wird gerade gefilmt und zwei befinden sich in Vorbereitung. – Auch in nächster Zeit dürfte man damit einiges vom 67-Jährigen hören, sind doch unter diesen Produktionen mit "Poor Things" immerhin der neue Film des Griechen Yorgos Lanthimos und mit "Asteroid City" der neue Wes Anderson. – Vielleicht kann Dafoe damit auch endlich die begehrte goldene Statuette gewinnen, die er sich aufgrund der Zahl seiner herausragenden Rollen schon längst verdient hat.


Weitere Informationen zur Filmreihe im Zürcher Kino Xenix und Spieldaten finden Sie hier.


Trailer zu "The Last Temptation of Christ"





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