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  • AutorenbildWalter Gasperi

59. Solothurner Filmtage: Berge, Bisons und ein Publikumsliebling

Aktualisiert: 21. Jan.

Pierre Monnard präsentiert in Solothurn mit "Bisons" ein kraftvolles Bruderdrama, während Dominique Margot im Dokumentarfilm "Bergfahrt" die Bergwelt aus unterschiedlicher Perspektive erkundet. Aber mit Peter Luisis Komödie "Bon Schuur Ticino" fehlt auch der erfolgreichste Schweizer Film des letzten Jahres nicht.


Erst am 30. November lief Peter Luisis Komödie "Bon Schuur Ticino" in den Schweizer Kinos an, überholte dennoch in nur einem Monat alle anderen Schweizer Produktionen hinsichtlich der Besucherzahl. Die zentrale Idee, die Co-Drehbuchautor und Hauptdarsteller Beat Schlatter hatte, ist im Grunde simpel: Was würde passieren, wenn ein Schweizer Politiker eine Volksabstimmung über die Abschaffung der vier Landessprachen zu Gunsten einer einzigen initiieren würde.


Luisi und Schlatter, die schon 2017 bei "Flitzer" zusammenarbeiten, entwickeln aus dieser Ausgangssituation eine vor Einfallsreichtum und Pointen sprühende Komödie, bei der man immer wieder laut auflachen kann. Lustvoll kann hier über die Eigenheiten der Deutsch-Schweizer ebenso wie über die der französisch sprachigen und italienisch sprachigen Schweizer hergezogen werden, ein ungleiches Duo kann geschaffen werden, wenn ein Deutsch-Schweizer Polizist und ein französisch sprachiger Kollege zusammenarbeiten müssen und auch eine Parodie auf Agentenfilme bringen Luisi / Schlatter in ihrem Erfolgsfilm unter.


Vor Klamauk schreckt das Duo nicht zurück, führen die Schweiz an den Rand eines Bürgerkriegs und vergessen mit einer Liebesgeschichte auch nicht auf einen Schuss Romantik. Nachhaltig ist das zwar kaum und statt satirischem Biss werden schnelle Lacher geboten. Diese kommen aber so dicht, dass die 90 Minuten wie im Flug vergehen.


Wie Luisi 2023 gelang Pierre Monnard 2020 mit "Platzspitzbaby" der erfolgreichste Schweizer Film des Jahres. Daran wird der Westschweizer mit "Bisons" vermutlich nicht anknüpfen können, auch wenn dieses Bruderdrama wohl der dichtere und geschlossenere Film ist. Im Mittelpunkt steht der grundsolide Steve, der den Bauernhof seines verstorbenen Vaters weiterführt und gleichzeitig ein hochtalentierter Schwinger ist.


Schwer verschuldet ist aber der Hof, der Verkauf droht. Da taucht nach drei Jahren Abwesenheit Steves älterer Bruder Joel wieder auf. Sichtlich angespannt ist ihr Verhältnis, dennoch geht Steve auf Joels Vorschlag ein, im nahen Frankreich an illegalen, aber durch die hohen Wetteinsätze lukrativen Kämpfen teilzunehmen. Im Gegensatz zum genau geregelten Schwingen, bei dem man dem Gegner Achtung erweist, ist bei diesen brutalen Kämpfen freilich nahezu alles erlaubt und Blessuren bleiben nicht aus.


Atmosphärisch dicht verankert in der winterlich kalten und verschneiten Landschaft und in kalte Farben und kaltes Licht getaucht, entwickelt Monnard, unterstützt von einem großartigen Ensemble, ein klassisch erzähltes, aber packendes Drama. Die starke Bildsprache, die Nähe der Kamera speziell bei den Kämpfen und der Blick auf die muskulösen Körper sorgen dabei für kraftvolles physisches Kino, das an die Filme Jacques Audiards, im Speziellen natürlich an "De rouille et d´os" ("Der Geschmack von Rost und Knochen"), in dem es auch um illegale Kämpfe geht, erinnert. Einzig die Überhöhung der Protagonisten durch den Vergleich mit mächtigen Bisons wirkt überzogen.


Die Zürcher Filmemacherin Dominque Margot spürt dagegen in ihrem Dokumentarfilm "Bergfahrt" ausgehend von der Frage "Was ist ein Berg?" unterschiedlichen Blickrichtungen auf die Bergwelt nach. Der Bogen spannt sich von einer jungen Bergführerin, die im Berner Oberland an ihrem Hobby festhält, obwohl ihr Freund am Eiger tödlich verunglückt ist, über einen Glaziologen, der in Höhlen, die in den Gletscher geschlagen wurden, dessen Fließgeschwindigkeit erkundet, bis zur Biologin, die Flechten und Moose am Rand eines Gletschers erforscht.


Aber auch der Miteigentümer des Gletscherskigebiets von Sölden, der in der Bergwelt und deren Erschließung die Grundlage des Wohlstands des Ötztals sieht, oder ein Künstler, der im Gebirge Töne sammelt, und ein Geologe, der mittels modernster Geräte die Bewegungen und Geräusche des Matterhorns misst und einfängt, sowie ein Aussteiger, der in der Natur Kraftorte sucht und ein pensionierter italienischer Nationalpark-Wächter kommen zu Wort.


Im Wechsel dieser Aussagen und großartiger Aufnahmen der Bergwelt (Kamera: Simon Guy Fässler) bietet "Bergfahrt" nicht nur vielfältige und teilweise wohl auch völlig neuartige und aufregende Einblicke, sondern die Bilder machen immer wieder auch plastisch und eindringlich die fortschreitende Zerstörung des Naturraums ebenso wie die schwerwiegenden Folgen des Klimawandels bewusst. 


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